Die Heinrich-Faber-Musikschule boomt. Der das sagt, ist ihr Schulleiter Stephan Schultz. Doch wer ist der Mann und wie erklärt er den Umstand steigender Zahlen? Die Antworten dazu finden sich jenseits der Aula 24 Stufen tiefer im Zimmer U3.
„Musikhochschulen waren früher für mich ein rotes Tuch“, erzählt Schultz mit nachdenklichem Blick. Was den Blick des 52-jährigen Cellisten so ernst macht, ist die gedankliche Nähe zu einem anderen Wort: Kaderschmiede. Als solche habe der aus der ehemaligen DDR stammende Schultz Musikschulen einst wahrgenommen.
Wie er das sagt, sitzt er in einem kleinen Musikzimmer, das eigentlich von einer Lehrerin für Querflöte genutzt wird, aber da an diesem Tag Schulfest an der Herzog-Otto-Mittelschule (HOS) ist, findet sich nicht so leicht ein Ort, an dem sich ungestört reden lässt. Also Untergeschoss, also U3.
Überhaupt sind die Zimmer der Musikschule weiträumig im Bau der HOS verteilt. Seit September 2021 ist Schultz hier Schulleiter und damals übernahm er einen Schülerbestand von 120. Jetzt, so erklärt er, läge dieser bei 370, 380. Wie er das sagt, steht sein Cello einige Meter von ihm entfernt. Es ist ein barockes Cello, an dessen Schnecke sich ein geschnitzter Löwenkopf befindet. Das Barocke, das ihn prägen sollte, war nicht nur Bach, sondern auch linksrheinisch.

Namen wie Rameau und Charpentier tauchen auf und ihnen begegnete er als Student auch an der Musikhochschule Leipzig, der ältesten ihrer Art in Deutschland und gegründet von Mendelssohn-Bartholdy. Doch man muss weit in die Kindheit Schultz' zurückgehen, um die Momente abzupassen, an denen sich seine Liebe für das Cello ausformte. Bei den Konzertproben des Kirchenchors, dem seine Eltern angehörten, saß er als Kind nahe der Celli, nahe ihres Klangs und nahe ihrer bauchigen Form.
Beeindruckender Werdegang
So begann, was ihn viele Jahre später zum MDR-Sinfonieorchester und ans weltberühmte Gewandhaus bringen sollte. Doch Erfahrungen mit dem Selbst-Unterrichten sollte er auch in jungen Jahren und später an der Musikhochschule Saarbrücken sammeln, insbesondere mit zwei Cello-Masterklassen. Und wie Schultz davon spricht, fallen auch noch die Begriffe Freiberufler und Tokio. Freiberuflich tätig als Musiker und Pädagoge war er 20 Jahre lang und das auf der ganzen Welt.
Irgendwann war Corona und viel Welt geriet aus den Fugen. Abstände wurden eingefordert und Abstand zu Konzerten wurde auch genommen. Sie wurden abgesagt. Eine Frage tauchte in Schultz auf: „Warum werde ich nicht Musikschulleiter?“ Dann hat er geguckt, wo eine Stelle frei ist und dabei stieß er auf den Begriff Lichtenfels. Lichtenfels, Lichtenfels – da war doch was!
„Mir fiel ein, dass Lichtenfels '89 die erste Haltestelle im Westen war, wenn man mit dem Zug von Leipzig in Richtung Stuttgart wollte“, führt Schultz aus und lächelt nun wieder. Lichtenfels klang ihm nach einem vertrauenswürdigen Wink des Lebens. Auch gehöre er zu den Menschen, die gerne neue Dinge ausprobierten, auch darum, weil, wer „neue Sachen macht, auch viel für das bisherige Alte gewinnt“. Was Schultz damit meint, erklärt sich eine Bemerkung später: „Durch den Unterricht, den ich gebe, gucke ich auch neu auf mein eigenes Spiel.“ Wie der Mann, der fließend Französisch spricht, das sagt, kommt man auf den Gedanken, dass in seiner Familie womöglich eine gewisse Offenheit für die Wechselfälle des Lebens existiert.
Eine Großmutter nämlich wurde ihm in Moskau geboren, sprach Französisch und unterrichtete Englisch, die andere war Schriftstellerin, übersetzte Märchen und war vertraut mit Facetten anderer Kulturen. Und ihr Enkel war nun in Lichtenfels und folgte einer Idee, die es umzusetzen galt: sich Kindergärten der Stadt annähern und dort mit musikalischer Früherziehung beginnen.
Elementare Musikpädagogik
Wieder fällt ein Begriff und er lautet auf drei Buchstaben: EMP. Oder anders: Elementare Musikpädagogik. Ein Teil dieser Pädagogik liegt in der musikalischen Früherziehung und so schrieb Schultz eine weitere Stelle für EMP aus. Mit Eva Löffler sollte nun eine Lehrkraft dazukommen, die den Musiklehrer Zdenek Fiala in seinem auf diesem Gebiet schon tätigen Wirken zu unterstützen begann. Und noch etwas solle sich für die Heinrich-Faber-Musikschule glücklich auswirken, wenngleich das Glück auch ein wenig in einem Unglück liegt.
So manche Blaskapelle im Landkreis hat nicht mehr genügend Lehrpersonal, um wie bisher ihre Musiker auszubilden. „Das wächst dort auch nicht so nach“, bemerkt Schultz und beschreibt einen Lösungsansatz. Der bestand darin, sich mit den Kapellen bekannt zu machen. „Ich bin zu vielen Sitzungen der Musikvereine gegangen, um mich vorzustellen, es ist so wichtig, dass man im Kontakt ist“. Das Ergebnis all dessen war, dass auf diese Weise ein Vertrauen aufgebaut wurde.
Und tatsächlich sei es auch um Vertrauen gegangen, denn immerhin sei es gegenüber den Vereinen auch darum gegangen, diesen klarzumachen, dass man als Musikschule keine Konkurrenz sein wolle und dass die Schüler bei ihren Kapellen bleiben sollen. Als Ergebnis all dieser Bemühungen wurden 2022 und 2023 auf Betreiben der Musikschule die beiden Bläserklassen an der Dr.-Gustav-Roßbach-Grundschule eingerichtet, in Bälde aber soll auch an der Marktplatzschule noch eine dazukommen.
Diesmal im Zusammenwirken mit der Leuchsentaler Blasmusik. „Es gibt eben einen Run auf Blechblasinstrumente“, bilanziert Schultz' zu einem erfreulichen Trend.
Einen erfreulichen anderweitigen Trend hat man an der Musikschule auch schon gesetzt. Den, wonach es künftig mehr Schülerkonzerte geben soll. Oder wird. Zu den traditionellen Anlässen wie Weihnachten, werden neue wie das Musikschulfest samt Tag der offenen Tür kommen. Alles bietet Schülern Anlässe, sich und ihr Können vorzustellen. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene anderweitige Vorspielmöglichkeiten verschiedener Klassen vor Eltern und Großeltern, jedenfalls vor Publikum. Überdies habe man ein Augenmerk auf ein breites Angebot hinsichtlich der Stile. Erst neulich seien zwei Gitarrenlehrer hinzugekommen, von denen einer auch die Jazz-Gitarre studiert hat. Somit besteht auch für Interessenten ein weiteres musikalisches Angebot und ein Grund mehr, sich der Musik zuzuwenden. Wie Schultz zu seinen Lehrkräften und Kollegen so ins Schwärmen gerät, fällt auch der Name Kyoko Frank.
Pädagogisch fantastisch
Sie, eine Japanerin, hat in Wien studiert und sei „pädagogisch fantastisch“, so Schultz. Ihretwegen kämen sogar Schüler von außerhalb des Landkreises an die Heinrich-Faber-Musikschule. Und was den Lichtenfelser Seelen besonders guttun dürfte: auch aus Coburg.