Markus Häggberg schreibt augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Derzeit kommen seine Zeilen aus Polen. In der Leichtigkeit des Seins wundert er sich heute über sehr, sehr dicke Lippen.
„Liebes Corona-Tagebuch, es sind für mich die letzten Tage hier in Polen angebrochen, dann geht es wieder auf Heimreise. Ich kann nicht sagen, dass ich Gelegenheit gehabt hätte, mich im Ort etwas umzusehen und mal für mich allein zu sein. Zu oft ist die Verwandtschaft dabei, auch weil sie das Gefühl hat, einem Gesellschaft schuldig zu sein.
Aber derjenige, der wirklich schwer abzuschütteln ist, ist eben Onkel Christof. Er ist immer hibbelig und mit einem verlässlichen Interesse für Nebensächlichkeiten präsent. Erwäge darum vielleicht mal in der Nacht auszubüchsen und stelle gerade fest, dass das Wort ,ausbüxe' geschrieben wird. Ansonsten darf ich zu Polen lernen, dass die Frauen hier noch nicht so tätowiert sind wie bei uns in Lichtenfels. Aber was nicht ist, das wird noch werden. Auf jeden Fall scheint hier in dieser Gegend die Tätowierung zugunsten voller Lippen noch auf Rang 2 der Körpergestaltung zu stehen, und erst heute sah ich beim Mittagessen in diesem Waldlokal eine junge Frau, die sehr viel Mund unter der Nase hatte. Es wäre zu wenig, zu sagen, dass sie sich die Lippen aufspritzen ließ. Denn es war schon eher so, dass diese Lippen dem Kellner beim Servieren im Weg waren. Liebes Corona-Tagebuch, es gibt Tage, die zu denen lässt sich schwerlich ein Fazit ziehen. Sie verschwinden in der belangslosen Leichtigkeit des Seins. Aber eines weiß ich genau: Mit aufgespritzten Lippen sind Suppen nicht leicht zu essen.“