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LICHTENFELS: Corona-Tagebuch: Mit Blick auf den Nordpolarstern

LICHTENFELS

Corona-Tagebuch: Mit Blick auf den Nordpolarstern

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    Markus Häggberg.
    Markus Häggberg. Foto: T. Mayer

    Markus Häggberg schreibt augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Heute geht es um einen Gang über den Friedhof.

    „Liebes Corona-Tagebuch, ich habe da eine liebe Bekannte und sie ist ein sehr kluger Mensch. Die Klugheit ist ja die Eigenschaft der Menschen, die vorsorglich handeln und dem Unvermeidlichen ins Auge sehen. Meine Bekannte ist noch keine 40 und pumperlgsund, aber sehr vorsorglich.

    Wo ist der geeignete Liegeplatz?

    Also gingen wir neulich über den Friedhof und sahen uns nach einem geeigneten Liegeplatz für sie um. Bisher favorisierte sie ja so Orte, an welchen sie anonym zu liegen gedachte. Aber als sie eben das kürzlich einem Kumpel gegenüber zur Sprache brachte, sorgte der mit einem Einwand für einen Denkanstoß. Seiner Ansicht nach hätten Hinterbliebene auch ein Recht darauf, den Platz zu kennen, an welchem ihr Verstorbener liegt. An diesem Platz nämlich würde man mehr Nähe zum Verstorbenen spüren, als wenn dieser irgendwie irgendwo läge oder ins Meer gestreut wurde.

    All diese neuartigen Bestattungsarten mögen ja vielleicht wildromantisch sein, sie wären aber auch eine Spur egoistisch. So tippelten meine Bekannte und ich über den Friedhof, um ihr ein geeignetes Plätzchen auszusuchen. Mit der Eignung ist das aber so eine Sache, denn wir durften feststellen, dass Gräber mit Blickrichtung nach Norden bzw. Nordosten wegen all der Bäume nicht immer den Blick auf das Firmament freigeben. Dieser Blick aber wäre meiner Bekannten schon sehr wichtig, denn gerade um diese Jahreszeit findet sich dort der Nordpolarstern und den mochte meine Bekannte schon immer.

    Gräber, die diesem Stern abgewandt sind, schloss meine Bekannte aus und bei jenen, die in einem 90 Grad-Winkel zu ihm stehen, erwähnte sie, dass sie es im Nacken habe. 90 Grad wären somit kein akzeptabler Kompromiss. So gingen wir weiter, betrachteten uns die Namen und Grabsteine, und lasen auf ihnen von den Geschichten dahinter. Da war zum Beispiel die Ärztin, die „Chirurgin in Berlin“ war, da war auch der Mann, der blind und mit der Liste all dessen, was er im Leben Gutes oder Böses getan hatte, von einem Engel zum Gericht geführt wird.

    Das rührte die Bekannte

    All das rührte meine Bekannte an und sie fand, dass auf so einem Friedhof doch sehr viel Charme versammelt liegt. Ganz abgesehen von all den Magnolienbäumen und den Vergissmeinnicht. Liebes Corona-Tagebuch, jetzt fragst du dich vielleicht, was die Pointe an dieser Geschichte ist. Ich will es mal so sagen: Ich persönlich wäre lieber lebensbejahend zum See getippelt.“

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