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KÖSTEN: Funken mit einem Staatspräsidenten

KÖSTEN

Funken mit einem Staatspräsidenten

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    Trotz der Bemühungen von Alper Özkan (Mi.) blieb es bei der Kontaktaufnahme an diesem Tag eher im europäischen Raum. Mithörer Bernd Litke (li.) und Markus Heinz gingen gedanklich mit in die Ferne.
    Trotz der Bemühungen von Alper Özkan (Mi.) blieb es bei der Kontaktaufnahme an diesem Tag eher im europäischen Raum. Mithörer Bernd Litke (li.) und Markus Heinz gingen gedanklich mit in die Ferne. Foto: Markus Häggberg

    Was bitteschön ist ein Fieldday? Karl-Heinz Wiemann hat da einmal etwas vorbereitet. Der Ortsverbandsvorsitzende der Funker in Lichtenfels holt ein Blatt Papier hervor, und das zitiert einen Wikipedia-Eintrag. Dort ist von einem Treffen von Funkamateuren die Rede, bei welchem auf freiem Gelände und unabhängig vom Stromnetz Amateurfunkstellen aufgebaut werden.

    Es ist Wochenende, und es ist schönes Wetter. Vor allem aber ist es das erste Wochenende im September, und das bedeutet Fieldday. Hier oben schon seit 2013. Hier oben, das ist an der Vereinshütte des Trachtenvereins „D'Werdenfelser“, und hier oben herrscht Windstille. Nach Südwesten hin öffnet sich der Blick, und er findet über Kilometer hinweg keine Begrenzung. Gute Bedingungen.

    Bänke und Tische stehen hier für Gäste aus dem Raum Lichtenfels, Bamberg, Coburg und Hassberge aufgebaut, aus einer Garage wird ein Fiepen vernehmlich, und hie und da steigt einem so etwas wie Dieselgeruch in die Nase. Kein Wunder, denn irgendwo auf dem Gelände ist ein Aggregat in Betrieb, denn wer funken will, braucht Energie, und die soll an einem Fieldday ja unabhängig vom Stromnetz sein.

    Jochen Fechner lernte das Funken noch beim Bundesgrenzschutz. Die Leidenschaft blieb ihm und begleitet ihn sogar in seinem fahrbaren Untersatz.
    Jochen Fechner lernte das Funken noch beim Bundesgrenzschutz. Die Leidenschaft blieb ihm und begleitet ihn sogar in seinem fahrbaren Untersatz. Foto: Markus Häggberg

    Wiemann selbst gehört zu jenen Funkamateuren, die auch professionelle Einsichten in eine Welt zwischen Radiowellen und Frequenzen besitzen. Der Mann ist Kommunikationstechniker, in leicht vorgerücktem Alter und unter Funkern nicht als Herr Wiemann bekannt. Sein Rufname lautet DL4NCY, und ist er auf seinen Wellen unterwegs, dann stellt er sich namentlich so vor.

    Eines Tages geriet er funkend nach Südamerika, genauer gesagt nach Argentinien. Auf einer Frequenz stellte sich ihm ein Mann vor, der auch so einen Rufnamen aus Buchstaben und Zahlen hatte. Das war kein Geringerer als der einstige Staatspräsident Carlos Menem (+), selbst einst leidenschaftlicher Funkamateur.

    Vor 38 Jahren seine „Lizenz gemacht“

    Thomas Backert ist auch auf dem Gelände zu finden. Er ist studierter Fernmeldeingenieur, Michelauer, 57 Jahre alt und Notfunkbeauftragter. Einen solchen gibt es in jedem Ortsverband. 1984 hat er seine „Lizenz gemacht“, sprich gebüffelt und gepaukt für die Berechtigung, funken zu dürfen. Er tat es „im ersten Studiensemester nebenbei“, und wie man so mit ihm ins Gespräch kommt, zeigt sich, dass ihn etwas umtreibt.

    Wo andere Autofahrer ihre Angelruten dabei haben, hat Funker Jochen Fechner eben seine Antennen.
    Wo andere Autofahrer ihre Angelruten dabei haben, hat Funker Jochen Fechner eben seine Antennen. Foto: Markus Häggberg

    Es gibt nämlich Länder, namentlich die USA, in denen Funkamateure in den Katastrophenschutz besser eingebunden sind. Die Sprache kommt auf das Tetra-Funknetz der BOS, also der „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“. Kurzum: Polizei, Feuerwehr, THW und Rettunsdienste. An dieser Stelle flicht Backert das große Aber ein: Deren Funknetz sei nämlich vom Strom abhängig und Katastrophen wie die vom Ahrtal 2021 hätten gezeigt, wie anfällig das ist. Denn nicht alle ihre Relaystationen seien mit Notstromversorgung ausgestattet.

    „Wir haben eine Relaystation im Stadtgebiet, und wir können Möglichkeiten eröffnen“, hält Backert entgegen. Was diese Möglichkeiten eröffnen würde, so erfährt man hierzu, sei eine lokale (Funk-)Unabhängigkeit, bedingt durch allerlei Amateureigenheiten, sowie durch Kurzwelle und beziehungsweise oder einen geostationären Satelliten, welcher einer weltweiten Funkervereinigung gehört, die auch weltweit Mitglieder hat.

    Karl-Heinz Wiemann ist begeisterter Funker und hatte schon mal einen Prominenten am Ohr: Carlos Menem (+), einstiger Staatspräsident Argentiniens.
    Karl-Heinz Wiemann ist begeisterter Funker und hatte schon mal einen Prominenten am Ohr: Carlos Menem (+), einstiger Staatspräsident Argentiniens. Foto: Markus Häggberg

    Funker können im Katastrophenfall helfen

    Backerts zweites Aber fällt hoffnungsvoll aus, denn es ist ja nicht so, dass Funkamateure in Deutschland bei Katastrophenhilfe ausgeschlossen bleiben sollen. „Der Bund sträubt sich nicht, Funker einzubeziehen“, so Backert, von diesbezüglich ihm bekannten Schrifttum erzählend. „In den Köpfen beim Landrat und der Feuerwehr ist es, und ich gehe davon aus, dass, wenn Bedarf an Hilfe wäre, das über unsere Schiene passieren würde.“ Sein drittes Aber jedoch stimmt zu Funkern und ihrem Können wieder nachdenklich, denn aber ach, „die Ortsvereine der Funker sind überaltert“, so Backert, alias DG2NBJ.

    DO3MWH ist aus Weismain angereist. Markus Heinz, so sein bürgerlicher Name, besitzt seine Funklizenz seit 2020 und ist vertraut mit den einst vorherrschenden unterschiedlichen Lizenzklassen. Für die A-Klasse musste man bis zur Jahrtausendwende sogar noch Morsetelegraphie beherrschen.

    Auch der Weismainer hat Szenarien für großflächige Stromausfälle im Kopf und sagt: „Bei so etwas können wir über Drahtantenne weite Verbindungen herstellen, mit wenig Aufwand.“ Gemeinsam mit dem Köstener Alper Özkan und Bernd Litke sitzt er vor den Funkgeräten und Reglern in einer Garage der Werdenfelser. Verbindungen in die Welt gibt es, aber die Menschen, die man jetzt über den Äther englisch reden hört, tun es mit slawischem Einschlag.

    Englisch ist die Funkersprache, und Özkan hält seinem Hobby zugute, dass sein Englisch darüber besser geworden ist. Der 53-Jährige geriet funkend schon mal nach Saudi-Arabien und an HZ1HZ. Hinter diesem Rufzeichen steckt eine Frau namens Laila A Zaidan. Sie ist so etwas wie eine Prominente unter Funkern.

    Man weiß vorher nie, mit wem man sprechen wird

    Jedenfalls weiß man als Funker eben vorher nicht, wen man hinterher gesprochen haben wird. Das ist ein Reiz des Funkens, und der Unterschied zum bewussten Anwählen einer Person mittels Handy und Telefon. Karl-Heinz Wiemann beispielsweise wäre nie auf die Idee gekommen, sich mit dem argentinischen Präsedentenpalast verbinden zu lassen.

    DC5WW heißt mit bürgerlichem Namen Heinz Holzberger. Der Tisch, an welchem er steht, hält Dinge bereit, die er zu verkaufen gewillt ist. Kabel, Akku, Leitungen und einiges mehr. Funker sind auch Tüftler und Selbstbauer, und DC5WW wird seine Sachen losbekommen.

    Auch für sowas sind Fielddays eingerichtet, denn es gibt ja wie gesagt viele Tüftler und Selbstbauer. Zwei von ihnen sitzen gerade auf einer Bank und einer hat dabei einen Hut auf. Es ist DC1NF alias Dieter Flasch. Er zeigt auf seinem Tablet Nebenmann Jürgen Werthmann (DL8NEW) das Innenleben einer portablen Satellitenstation.

    Dieter Flasch ist Tüftler und bewandert im Bauen von Kommunikationsmitteln für den Funkbereich. Auf seinem Tablet zu sehen ist das Innenleben eines doch ziemlich komplexen Eigenbaus.
    Dieter Flasch ist Tüftler und bewandert im Bauen von Kommunikationsmitteln für den Funkbereich. Auf seinem Tablet zu sehen ist das Innenleben eines doch ziemlich komplexen Eigenbaus. Foto: Markus Häggberg

    Befürchtung, dass es auch in Deutschland „Blackouts“ geben kann

    Mit einem Gegenstück ähnlicher Bauweise käme man funkend um die halbe Welt, und die Katastrophe im Ahrtal war ihm Auslöser für den Bau. Auch er hält es für gut möglich, dass in Bälde in Deutschland „Blackouts“ herrschen könnten.

    Einem wie dem Coburger Jochen Fechner könnte das vielleicht sogar ein bisschen egal sein. Der Mann war mit seinem alten großen Mercedes-Transporter schon auf abseitigen Routen in der Welt unterwegs. Aber eines konnte er in dem dazu liebevoll umgebauten Vehikel immer: funken. Antennen unterschiedlicher Länge und für unterschiedliche Aufgaben hat er stets dabei.

    Am 19. September findet über die VHS ein Funk-Kurs im Jugendzentrum statt.

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