Ein Mann schlägt seine Mutter, kommt vor Gericht und bittet die gegen ihn aussagende Mutter noch im Sitzungssaal um Geld – das am Montag wegen vorsätzlicher Körperverletzung anberaumte Verfahren sollte bei den Anwesenden für Kopfschütteln und Befremden sorgen. Gegen Ende der Sitzung sprach der Angeklagte noch ein Dankeschön „für das hoffentlich gleich nette Urteil“ aus. Es sollte auf zehn Monate Haft zur Bewährung lauten.
Noch zwei weitere Anklagen
Eigentlich war gegen den Angeklagten, einen 25-jährigen arbeitslosen Lichtenfelser, nur eine Anklageverlesung vorgesehen. Doch Richterin Katharina Mülling eröffnete ihm, dass noch zwei weitere Anklagen gegen ihn vorliegen. Denn nicht nur, dass er zu zwei Tatzeitpunkten im März und Juli dieses Jahres seine eigene Mutter schlug, er fuhr auch oft schwarz mit der Bahn und verletzte im Juli den Türsteher einer Lichtenfelser Kneipe.
Doch was an dem Angeklagten auffallen sollte, war, dass er mit Worten und durch Sprache nicht erreichbar schien. Weder legte er Schuldeinsicht an den Tag, noch schien er sich sprachlich behelfen zu können. Worum es ging, war einmal auch Geld, welches er zur Stützung seines Lebenswandels von seiner Mutter verlangte. Eine Summe, die dabei genannt wurde, lautete auf 160 Euro.
Diese Summe forderte der Sohn dereinst ein und als sie ihm nicht gegeben wurde, schlug er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zweimal mit der Faust auf den Kopf seiner Mutter. „Ich habe sie nicht erpresst, ich habe nur aus Wut … vielleicht mit der flachen Hand – ich habe mich schon entschuldigt. Ich rede mit meiner Mutter mittlerweile ganz normal. Nicht so tragisch, die ganze Story“, sollte der Angeklagte zu dem Vorhalt äußern.
Doch als ihm entgegnet wurde, dass schon tragisch sei, wenn man die Hand gegen die eigene Mutter erhebt, setzte der Angeklagte noch einen drauf: „Es ist ja nicht oft passiert.“
Unbedachte Äußerungen
Immer wieder sollte es während des Verfahrens zu Äußerungen wie diesen kommen, zu denen sich schlecht einschätzen ließ, ob sie aus Unbedachtsamkeit, sprachlicher Unbeholfenheit oder mangelnder Einsicht beim Angeklagten rührten. Aber sie erzürnten. Vor allem auch die Rechtsanwältin besagter Mutter, Kristina Freifrau von Imhoff.
Als zur Sprache kam, dass die Mutter erst an diesem Montagvormittag zum Schutz vor ihrem Sohn die Polizei rief, wiegelte der angeklagte Sohn ab: „Das war ja nicht schlimm.“ Jetzt sollte Rechtsanwältin von Imhoff ihn ins Gebet nehmen: „Es ist nicht Ihre Aufgabe zu erklären, was nicht schlimm ist. Das fällt nicht in Ihren Rechtsbereich.“ Zu sich selbst wusste der Angeklagte wenig sortiert Auskunft zu geben. Einer Arbeit gehe er nicht nach, mehrere Ausbildungen habe er abgebrochen, aber alles werde sich nun ändern und er wolle ja arbeiten.
An diesem Punkt sollte das Verfahren zu einem weiteren traurigen Höhepunkt kommen, denn von Imhoff fragte den Angeklagten, ob es nicht so gewesen ist, dass er seiner Mutter gegenüber mal „Arbeit ist doof“ geäußert habe. Mit dieser Frage konfrontiert, stammelte der Mittzwanziger eine strafrechtlich verfolgbare Entgegnung hervor: „Äh, nö, Arbeit macht doch frei.“
Jetzt schaltete sich auch Staatsanwalt Benedict Mayer ein und sicherte dem Angeklagten zu, dass er wegen dieses als Toraufschrift bei Konzentrationslagern verwendeten Satzes bald Post von der Staatsanwaltschaft erhalten werde.
Die Mutter des Angeklagten sollte gegen ihren Sohn aussagen und zeigte sich hoffend, dass dieser eine Therapie angehe. Auf Schmerzensgeldforderungen verzichtete die Frau. Als sich die Mutter von ihrer Rechtsanwältin gestützt vom Stuhl erhob, um den Gerichtssaal zu verlassen, sollte sie von ihrem Sohn noch angesprochen werden. „Ey Mama, kannt du mir mal das Geld geben?“, so dieser.
Jetzt sollte auch Rechtsanwältin von Imhoff der Kragen platzen: „Sie sind ja sowas von dreist, Ihnen sollte mal jemand den Hintern versohlen.“ Neben der Mutter sollte auch der Türsteher als Zeuge für die Gewaltbereitschaft des 25-Jährigen aussagen, und was während des Prozesses noch geschah, war, dass der Angeklagte während eines Vorhalts einen kurzen Lachanfall bekam. „Er findet alles sehr lustig, es ist zum Lachen, wenn Geschädigte aussagen, das macht einen sprachlos“, so Staatsanwalt Mayer sein Plädoyer einleitend.
Aggressionsproblem
„Meiner Meinung nach hat der Angeklagte ein massives Aggressionsproblem und ein massives Schuldeinsichtsproblem“, führte Mayer aus. Dass es schon Vorstrafen gegen den Mann gab, sollte nun auch zur Sprache kommen, allerdings seien die, so Mayer, nicht einschlägig gewesen. Darum sollte nun eine Haftstrafe unausweichlich sein.
Zehn Monate erachtete der Staatsanwalt für angemessen und er drückte seine Hoffnung aus, dass eine solche Strafe – zur Bewährung ausgesetzt – auf Einsicht stoßen wird. „Aber ich sage gleich dazu, dass es das nächste Mal keine Bewährung gibt, da können Sie sicher sein.“ 120 Stunden gemeinnützige Arbeit, eine dreijährige Bewährungszeit, das Aufsuchen einer Fachambulanz für Gewaltstraftäter und zwei Jahre Betreuung durch einen Bewährungshelfer sah Mayer für verpflichtend an.
Das von Mülling wegen dreifacher vorsätzlicher Körperverletzung verkündete Urteil sollte letztlich auf genau diese von Mayer gestellte Forderung lauten, mit dem Unterschied, dass aus 120 gemeinnützigen Arbeitsstunden 150 wurden. Eine Verfolgung wegen Leistungserschleichung (Schwarzfahren) wurde während der Verhandlung fallengelassen.