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LICHTENFELS: Große Emotionen bei Debatte um Steinbruch Deisenstein

LICHTENFELS

Große Emotionen bei Debatte um Steinbruch Deisenstein

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    Diemar Weiß, der Leiter der Stadtwerke Lichtenfels, möchte ein neues Wasserschutzgebiet ausweisen lassen.
    Diemar Weiß, der Leiter der Stadtwerke Lichtenfels, möchte ein neues Wasserschutzgebiet ausweisen lassen. Foto: Markus Drossel

    Gefährdet die Erweiterung des Steinbruchs Deisenstein bei Kümmersreuth das Trinkwasser für an die 20.000 Bürgerinnen und Bürger? – Es war wohl die grundlegendste aller Fragen, die bei Erörterungstermin zum immissionsschutzrechtlichen Verfahren im Stadtschloss gestellt wurde. Insgesamt gab es 28 Einwendungen zu erörtern. Und das geschah durchaus emotional.

    Demonstration vor dem Erörterungstermin im Stadtschloss: Gegner der Steinbruch-Erweiterung machen auf ihre Bedenken aufmerksam.
    Demonstration vor dem Erörterungstermin im Stadtschloss: Gegner der Steinbruch-Erweiterung machen auf ihre Bedenken aufmerksam. Foto: Markus Drossel

    Trotz der arbeitnehmerunfreundlichen Zeit von 9.30 Uhr an einem Werktag hatten sich an die 70 Interessenten eingefunden, darunter etliche, die selbst ihre Bedenken schriftlich ans Landratsamt geschickt hatten. Die Firma Steinwerke Kaider Neupert-Kalk war mit Geschäftsführung sowie einem halben Dutzend Experten erschienen.

    Der Steinbruch Deisenstein der Steinwerke Kaider unweit von Kümmersreuth.
    Der Steinbruch Deisenstein der Steinwerke Kaider unweit von Kümmersreuth. Foto: Markus Drossel

    Schon zu Beginn der letztlich tagesfüllenden Sitzung stellte Veranstaltungsleiterin Christine Münzberg-Seitz, Abteilungsleiterin Bauen, Umwelt, Kommunales am Landratsamt Lichtenfels, heraus: „Wir werden am heutigen Tag nicht über den Antrag entscheiden. Die Erkenntnisse, die wir heute gewinnen, fließen aber in die Entscheidung ein.“

    Das Interesse am Erörterungstermin war groß.
    Das Interesse am Erörterungstermin war groß. Foto: Markus Drossel

    Im Bereich mehrerer Quellen

    Ehe die ersten Bedenken erörtert wurden ging Planer Jörg Meier auf das Vorhaben zur Erweiterung des Steinbruchs Deisenstein ein. Die Steinwerke Neupert seien 1934 gegründet worden und betrieben seit 1954 einen Steinbruch, nahe des Deisensteins, mit Schotterwerk. Die Erweiterung in Richtung und rund um das Naturdenkmal Mondstein solle 8,3 Hektar Fläche brutto (Abbautiefe: 60 Meter) betragen, einstmals waren sogar 16,8 Hektar geplant. Das Problem: Es ist der Einzugsbereich der Schwabthaler Quellen, der Tiefenthalquelle und der Döritzquelle. Diese versorgen die Stadt Lichtenfels, Teile des Bad Staffelsteiner Stadtgebiets und die Rehabilitationsklinik mit Trinkwasser.

    Sprengsachverständiger Olaf Hoyer.
    Sprengsachverständiger Olaf Hoyer. Foto: Markus Drossel

    Die Stadtwerke Lichtenfels hatten versucht, ihre Trinkwasserversorgung durch ein Wasserschutzgebiet zu sichern. Aufgrund von Formfehlern, aber laut Meier auch aufgrund von fachlichen Mängeln war dieses in 2020 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wieder kassiert worden. „Es ist kein planungsreifes Schutzgebiet, entgegen anderslautender Aussagen“, betonte Jörg Meier. Stadtwerke-Chef Dietmar Weiß und Bürgermeister Andreas Hügerich sollten alsbald vehement intervenieren.

    Volkhard Zimmermann kämpft um sein Trinkwasser.
    Volkhard Zimmermann kämpft um sein Trinkwasser. Foto: Markus Drossel

    Alle Fraktionen aus dem Lichtenfelser Stadtrat hatten ihre Bedenken zu Papier gebracht, ebenso Grüne/Staffelsteiner Bürger für Umwelt und Naturschutz, die Verantwortlichen der Rehabilitationsklinik Lautergrund, Bund Naturschutz, die „Freunde des Gottesgartens Bad Staffelstein e.V.“ und viele Einzelpersonen aus Lichtenfels und Bad Staffelstein, Zur Verwunderung von Klaus Hofmann, Rechtsanwalt der Steinwerke Neupert, und dem vom Unternehmen bezahlten Diplom-Geologen Dr. Otto Heimbucher erläuterte Christine Münzberg-Seitz, dass seit 23. April dem Landratsamt ein neuer Antrag auf Ausweisung eines Wasserschutzgebiets vorliege. Eine heftige Debatte entbrannte: Hofmann und Heimbucher wollten umgehend Akteneinsicht. Münzberg-Seitz hielt dagegen: keine Relevanz für die laufende Veranstaltung. Das Landratsamt werde den Antrag erst einmal prüfen.

    Verstecktes Naturdenkmal: der Mondstein.
    Verstecktes Naturdenkmal: der Mondstein. Foto: M. Drossel

    Keine Alternativen

    „Wir nutzen die Schwabthaler Quellen seit 1900 und versorgen mit dem Trinkwasser knapp 17.000 Bürger“, mahnte Lichtenfels‘ Bürgermeister Andreas Hügerich eindringlich, das nicht aufs Spiel zu setzen. Wohlgemerkt: 17.000 nur in Lichtenfels, denn „hinzu kommen Stadtteile von Bad Staffelstein sowie Michelau und die Banzer Gruppe.“ Es gebe keine alternativen Quellen der Wasserversorgung für die Kreisstadt, „deswegen kämpfen wir für dieses hohe Gut, um die wohnortnahe Trinkwasserversorgung sicherzustellen.“ Zumal auch in trockenen Monaten die Schüttung der Quellen sehr gut sei. Auch Chefarzt Dr. Dieter Deuerling und Matthias Lebert, der kaufmännische Leiter, machten deutlich, dass es für die Reha-Klinik und ihre jährlich 2700 Patienten keine Alternativen bei der Wasserversorgung gebe. Die Lage, die eigene Quelle, die Ruhe und die Natur seien Gründe gewesen, damals dort die Klinik zu eröffnen.

    Machen sich große Sorgen um die Schwabthaler Quellen: Stadtwerke-Leiter Dietmar Weiß und Bürgermeister Andreas Hügerich.
    Machen sich große Sorgen um die Schwabthaler Quellen: Stadtwerke-Leiter Dietmar Weiß und Bürgermeister Andreas Hügerich. Foto: Markus Drossel

    Riesiges Einzugsgebiet

    Stadtwerke-Leiter Dietmar Weiß ging auf den neuen Antrag ein, der gemeinsam mit der Rehabilitationsklinik Lautergrund formuliert wurde.. Schwabthaler, Döritz- und Tiefenthalquelle hätten wohl ein Einzugsgebiet von 18 Quadratkilometern – und niemand könne mit Sicherheit ausschließen, dass die Quellen nicht durch die Steinbruch-Erweiterung beeinträchtigt würden. „Für uns ist diese Trinkwasserversorgung nicht ersetzbar, auch nicht durch die Fernwasserversorgung Oberfranken.“

    Anton Reinhardt, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, sprang ihm bei, lobte die hervorragende Qualität genannten, mineralstoffreichen Quellwassers. „Wenn wir das nicht schützen, geht uns das als Trinkwasser-Reservoir unwiederbringlich verloren.“

    Vertreten die Interessen der Steinwerke: Rechtsanwalt Klaus Hofmann, Uta Figula und Olaf Hoyer (v. li.).
    Vertreten die Interessen der Steinwerke: Rechtsanwalt Klaus Hofmann, Uta Figula und Olaf Hoyer (v. li.). Foto: Markus Drossel

    Doch wie das Trinkwasser schützen? Dr. Otto Heimbucher, der beauftragte Geologe der Steinwerke, erklärte das von der Korbstadt angestrebte Wasserschutzgebiet für nichtig, weil der Einzugsbereich der Quellen gut und gerne von Kümmersreuth bis Eichig reiche. „Eine Neuausweisung wird keinen Erfolg haben“, zeigte er sich sicher. Und er stellte die These auf, dass die Landwirtschaft eine größere Gefahr für das Trinkwasser sei als der Steinbruchbetrieb: Während bei einem Schlauchplatzer im Steinbruch gleich Sicherheitsmechanismen greifen würden, sei das beim Landwirt auf dem Feld anders. Ein Raunen ging durch den Saal. Hinzu kämen das Düngen, das Ausbringen von Mist und Gülle, die Wassergefahren durch Straßenverkehr und Ortschaften.

    Zweifel an der Qualität

    Heimbucher aber ging noch weiter, sprach den Schwabthaler Quellen eine gute Wasserqualität ab, führte die starke mikrobiologische Belastung beziehungsweise koliforme Verkeimung des Rohwassers ins Feld – und sowieso gebe es bei Quellen in Karstgebieten immer wieder Trübungen, was aber nicht zweifelsfrei als Beeinträchtigungen beispielsweise durch Steinbrüche identifiziert werden könne. Der Geologe hatte Bilder aus Quellbereichen dabei, um „die Brühe“ bei Regenereignissen zu dokumentieren. Dass es für durstige Gäste, auch für die Experten, an diesem Tag ausschließlich Leitungswasser und damit eben das aus den Schwabthaler Quellen geben würde, wusste er wohl nicht.

    Für die durstigen Gäste des Erörterungstermins gab es im Stadtschloss Leitungswasser - aus den Schwabthaler Quellen.
    Für die durstigen Gäste des Erörterungstermins gab es im Stadtschloss Leitungswasser - aus den Schwabthaler Quellen. Foto: Markus Drossel

    Dietmar Weiß und Rohrnetzmeister Christian Lotz hielten dagegen und erläuterten, wie sorgsam das Wasser aufbereitet werde. Auch Stephan Diemer, Geologe am Wasserwirtschaftsamt Kronach, erklärte, dass sich Richtwerte für Trinkwasser sowieso nicht am Rohwasser orientieren, sondern an dem, was am Wasserhahn ankommt. „Jedes Trinkwasser muss aufbereitet werden“, schob Volkhard Zimmermann nach und gab unmissverständlich zu verstehen, dass er große Sorgen um „sein“ Wasser in Lichtenfels habe.

    Christine Münzberg-Seitz (li.) führte durch die Veranstaltung.
    Christine Münzberg-Seitz (li.) führte durch die Veranstaltung. Foto: Markus Drossel

    Durch den Abbau von Kalken und Dolomitgestein wird die Schutzschicht über dem Wasser immer dünner. „Die Schutzwirkung ist, wenn wir unten an der Sole sind, um 22 bis 27 Prozent niedriger“, zitierte Jörg Meier aus einem Gutachten, von Sandra Nossek darauf angesprochen. „In manchen Bereichen aber auch bis zu 50 Prozent“, korrigierte Stephan Diemer vom Wasserwirtschaftsamt. „Die Qualität von Trinkwasser im Karstgelände ist nicht schützbar“, befand Dr. Otto Heimbucher. Dann müsste man in diesen Bereichen schon alles verbieten, nicht nur den Steinbruchbetrieb.

    Kräftig ausgeteilt

    Dann holte Heimbucher zum Rundumschlag aus und kam auf „alte Landkreis-Deponien mit allen möglichen Abfällen“ und eine Müllhalde im Bereich des Mondsteins zu sprechen, seinen Aussagen nach nachweislich mit Hinterlassenschaften der Rehabilitationsklinik aus den 1970-er und 1980-er Jahren. „Das ist die Sorgfalt, die Wasserwirtschaftsamt und Landratsamt zum Schutz des Trinkwassers an den Tag legen“, kommentiert er süffisant. Prompt kassierte er von Stephan Diemer vom Wasserwirtschaftsamt den Konter, der in den Raum stellte, die Steinwerke Kaider würden sich bei der vormals genehmigten Erweiterung des Steinbruchs nicht an die erteilten Auflagen halten. Und: „Die Wasserqualität ist aus unserer Sicht gefährdet, weil sich die Erweiterung im Einzugsgebiet befindet, und zwar im Kerngebiet.“

    Anton Reinhardt, der Vorsitzende des Bund Naturschutz im Landkreis Lichtenfels, sieht nicht zuletzt die Lebensqualität in Gefahr.
    Anton Reinhardt, der Vorsitzende des Bund Naturschutz im Landkreis Lichtenfels, sieht nicht zuletzt die Lebensqualität in Gefahr. Foto: Markus Drossel

    Doch kann es durch die Sprengungen im Steinbruch zum gänzlichen Versiegen der Quellen kommen? Olaf Hoyer, der von den Steinwerken beauftragte Sprengsachverständige, verneinte: Der Gebirgsstock nehme keinen generellen Schaden. „Das Versiegen der Quellen ist vollkommen ausgeschlossen“, meinte auch Dr. Heimbucher. „Doch es bleibt ein Risiko für das Trinkwasser – und die Firma ist bereit, dies einzugehen“, kritisierte Anton Reinhardt. Mit Folgen für die Gesundheit. Dr. Markus Werner, Leiter des Gesundheitsamts, wollte diese nicht ausschließen: „Es gibt kein Null-Risiko.“

    Lebensqualität: Bürger befürchten Lärm, Staub und Dreck für weitere 33 Jahre Laut Gutachten werden auch bei einer Erweiterung des Steinbruchs sowohl bei der Staubbelastung als auch bei der Lärmbeeinträchtigung die zulässigen Grenzwerte eingehalten: Was für Experten unstrittig ist, sehen die betroffenen Bürger ganz anders. Robert Krüger aus Kaider beispielsweise, der einfordert, nicht nur den Steinbruch an sich zu betrachten, sondern die damit einhergehende Produktionskette. Das zugehörige Mineralfeinmalwerk befindet sich nämlich nicht am Deisenstein, sondern in Kaider, Laster transportieren das Gestein dorthin – wohl für weitere 33 Jahre, wird die Erweiterung genehmigt. „Restrisiko, Signifikanz, Eintrittswahrscheinlichkeit: Fakt ist, dass wir Bürger in Kaider zu 100 Prozent davon betroffen sind!“, machte er seinem Unmut Luft. Da ließ er auch das Versprechen des Unternehmens nicht gelten, die Erweiterungsfläche erst anzugehen, wenn die bisher genehmigen Bereiche abgearbeitet sind, weshalb es zu keinem Mehr an Schwerlastverkehr kommen werde. Bund-Naturschutz-Kreisvorsitzender Anton Reinhardt machte sich generell Sorgen um Feinstaubbelastung und Luftqualität, gerade im Hinblick auf das Heilbad Bad Staffelstein. Auch sei der sanfte Tourismus gefährdet, den man ausdrücklich wolle. „Die Leute kommen hierher, um gesund zu werden, um sich zu rehabilitieren und zu erholen“, führte er mahnend ins Feld. „Das war früher ein Naherholungsgebiet, heute ist es ein einziger Stolperstein“, befand Jürgen Sestak. Für die Reha-Klinik prognostizierte Diplom-Ingenieurin Uta Figula vom von den Steinwerken beauftragten Ingenieurbüro Ulbricht durch die Erweiterung eine Geräuschkulisse von 32 bis 32 Dezibel, „vergleichbar mit Blätterrauschen bei leichtem Wind“. Insgesamt sei man an allen Messstellen deutlich unter dem Grenzwert. „Seit über 60 Jahren hat es keinerlei Beeinträchtigungen gegeben: Die Klinik hat ebenso ein Existenzrecht wie der Steinbruch“, so Planer Meier. Den habe es sowieso schon eher gegeben. „Es mag sein, dass Grenzwerte eingehalten werden: Gut ist es deswegen noch lange nicht“,meinte Chefarzt Dr. Dieter Deuerling. Weitere Diskussionen zu Umweltverträglichkeit, Naturschutz, Tourismus, Baurecht und Bodenschutz schlossen sich an.

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