Zwei Julis lang blieb der Schützenplatz ohne sein Schützenfest. Jetzt ist es wieder soweit. Ein Halbzeitbericht über Stimmung, Menschen und Spendierlaunen auf einem lange vermissten Rummel.
Ainun Kondratjuk hat einen langen Tag hinter sich. Gegen 20 Uhr sitzt sie an einem Kinderkarussell, hat 50 Euro ausgegeben und ihren Mann neben sich sitzen. Der hält das schlafende Kind im Arm, eine völlig erschöpfte Beinahe-Vierjährige. Sie schläft, denn sie hat seit 14 Uhr viel erlebt – Eindrücke, Karussellfahrten und eine Mama ganz für sich allein. Papa kam nach der Schicht und gab auch schon fast 20 Euro aus. „Es ist schon teuer, aber heute ist Familientag“, sagt Ainun und zieht in Erwägung, in ein paar Tagen wieder aus Ebensfeld anzureisen.

Tatjana Winter wird dann auch da sein. Die Frau aus Augsburg ist Schaustellerin, kommt seit gut 15 Jahren nach Lichtenfels und merkt von Kaufzurückhaltung keine Spur. „Die Leute sind happy, dass das Schützenfest nach zwei Jahren wieder stattfindet – die sind ausgehungert.“
Tatjana Winter hat nicht nur positive Gedanken
Hinter und über ihr hängen die Gewinne, die Plastikspielsachen, die Teddybären und all das. Aber was sie jetzt dazu erzählt, ist von eigener Qualität. Tatsächlich kann es nämlich sein, dass die Losbudenbesitzer, Schießstandbetreiber und eben all diejenigen, die Gewinne aushändigen, im Herbst nichts mehr auszuhändigen haben. Denn ihres Wissen „hängt die Ware in Containern in Shanghai fest, aber in Shanghai ist Corona und es kommt kein Container rein und keiner raus“. Mehr noch: „Für Lichtenfels und Kronach reicht's noch, aber dann ...“ Vielleicht malt Tatjana Winter schwarz, vielleicht sieht sie aber auch klar.

Manuela Herold, Stephanie Göring, Angela Baier-Wagner, Heike Scherbel und Sonja Kleinhenz sind Freundinnen. Vereinsfreundinnen aus Lichtenfels. Aber heute hat die fünf Freundinnen etwas gepackt. Sie sind ohne Männer als Quintett unterwegs und wollen ihre Kräfte beziehungsweise Geschicklichkeit messen. An einem Stand, bei dem man Bälle erfolgreich in Öffnungen zu rollen hat, um auf diese Weise ein Motorradrennen auf Schienen, im Mini-Format und hinter dem Rücken der Standbetreiberin in Gang zu bringen, packt sie so etwas wie Jagdfieber. Nach Punkten, nach Vorsprung, nach Aufholen. Sie stehen in einer Reihe und sind lachende Konkurrentinnen. Das kostet auf Dauer was. „Wir halten uns gegenseitig aus“, erklärt Heike Scherbel das Prinzip, wonach mal diese und mal jene Freundin für die Gruppe zahlt. Das kommt zwar auch teuer, fühlt sich aber netter an.
Auch in der Gondel darf ein Blick aufs Smartphone nicht fehlen
Die Jugend ist auch nicht mehr, was sie mal war. Wer einen Abend als Zuschauer am Fahrgeschäft Breakdance zubringt und keine 18 mehr ist, der könnte Gefahr laufen, die Welt nicht mehr zu verstehen. Die Gondeln kreisen und drehen sich, sie sind schnell und werden schneller, doch das hält manche junge Menschen nicht davon ab, auch jetzt noch auf ihre Handys zu schauen und Botschaften zu tippen.

Bei der „Flammerei“ gehen die Dinge anders zu. Wenn sich hier etwas drehen sollte, dann ist das Fleisch. Seit acht Jahren ist man in Lichtenfels, und die beiden, die hier maßgeblich sind, sind Elke Frech und ihr Bruder Gerd-Heinrich Grebner. Der weiß zu erzählen. Davon, dass man aus Kronach stammt, davon, dass er als Kind auf Schützenfesten Freunde fand, Baumhäuser baute und auf Schützenfestplätzen Kinderabenteuer erlebte.
Erinnerungen an vor 50 Jahren gepflegt
80 Meter entfernt von diesen Sätzen, so sagt er, ist gerade ein Eisenbahnkinderkarussell in Betrieb, in welchem er vor bald 50 Jahren auch schon fuhr. Grebner tut sich den Gefallen, spaziert dorthin und setzt sich in einen alten Waggon. Alter Zeiten eingedenk und um sich einen Jux zu machen. Dann ruft das Geschäft beziehungsweise die Unterhaltung dazu.
„Ich bin der Meinung, die sind hungrig aufs Schützenfest“, befindet er zu den Besuchern. Zu dem, was den Lichtenfelser Besucher konkret ausmacht, hat er auch eine Meinung: „Alles freundliche Leute, die kommen schon positiv (gestimmt) an den Stand ran – da macht die Arbeit Spaß.“

Auf lange Gesichter sei er in den vergangenen Tagen nicht gestoßen, obwohl seine Steaks und Bratwürste teurer geworden sind. Das liegt am Öl. Am Rapsöl. „Die Friteusen laufen mit Öl und der Preis ist um 200 Prozent Prozent gestiegen“. Aber nicht nur das: „Wir verarbeiten Propangas“, erklärt Grebner und fügt hinzu, dass auch dieses Gas eine Teuerung erfuhr. Aber den Gaspreis wolle man nicht an den Kunden weiter- und durchreichen, den gestiegenen Schweinefleischpreis aber muss man durchreichen. Deshab kam es auch zu Preiserhöhungen.
Das Verständnis bei den Kunden scheint vorhanden zu sein
Aber das Verständnis bei den Kunden scheint vorhanden zu sein. Oder fällt ihnen eine Teuerung womöglich gar nicht auf? Elke Frech hat so ihre Beobachtungen gemacht beziehungsweise nicht gemacht. Denn sie sagt: „Wir haben noch niemanden gehabt, der gesagt hat: ,Mensch, seid ihr teuer geworden‘.“
Cordula kommt aus Sachsen-Anhalt und ist eine Seele von Mensch. Zwölf Maß Bier kann sie locker gleichzeitig an Tische tragen, und mitunter tut sie das um diese Uhrzeit auch noch. Und das, obwohl der Bierpreis gestiegen ist.
2013, so erzählt sie, habe sie mit ihrem Mann beschlossen, auf dem Lichtenfelser Schützenplatz zu heiraten. Was sie am Bein trägt, ist ein Schrittzähler. Seit Schichtbeginn um 16 Uhr hat sie 18.000 Schritte absolviert, was einer Strecke von 12,75 Kilometern entspricht.

Doch zurück zum Bierpreis. Er hat angezogen. In Relation zu anderen Städten und Festen zwar relativ, aber alles in allem ordentlich. 7,80 Euro kostete das Bier beim letzten Schützenfest vor Corona, jetzt muss man 9,30 Uhr zahlen. Kaufzurückhaltung? „Schon in Nürnberg habe ich das nicht festgestellt und hier auch nicht“, sagt Cordula.
„Die Leute denken auch an die Bedienungen“
Und auch wenn der Bierpreis angezogen hat, so hat das keine nachteiligen Auswirkungen auf das Trinkgeld. Es wird trotzdem gegeben, daran wird nicht gespart. Für Cordula ist der Fall klar: „Die Leute hier denken auch an die Bedienungen, das schätze ich an ihnen.“