An einem sonnigen Sonntag geboren zu sein – was kann es Schöneres geben? Wer von den OT-Leserinnen- und Lesern ist ein Sonntagskind? Wenn ja, haben Sie schon Geister und Hexen gesehen?
Denn an einem sonnigen Sonntag geborene Kinder sollen hellseherische Fähigkeiten haben. Auch der Autor dieser Zeilen ist an einem sonnigen Sonntag im Juli geboren. Unsere Altvorderen glaubten daran. So erzählt etwa eine Geschichte vom Staffelberg, dass sich nur alle hundert Jahre in der Johannisnacht das Felsentor dort öffnet, um für eine Stunde allen Sonntagskindern Zugang zu einem Schatz zu gewähren.
Gier bringt kein Glück
„Es is scho orch lang heä“, da versuchte ein junger Schäfer, ein Sonntagskind, sein Glück; er näherte sich in der Johannisnacht zur mitternächtlichen Stunde dem Berg. Er lief auf den Staffelberg zu und vernahm ein gewaltiges Dröhnen und Donnern. Der Berg hatte sich aufgetan, im Berg glänzte, glitzerte und schimmerte es.
Der Hirte betrat das Berginnere. Eine laute Stimme sprach: „Nimm von den Schätzen so viel du willst, doch verlasse den Berg vor dem nächsten Glockenschlag!“ Der Schäfer steckte sich alle Taschen voll. Minute um Minute verging im Fluge, die Frist lief ab, die Uhr vom Kirchturm schlug und mit donnerndem Gepolter schloss der Berg ihn ein. Hundert Jahre später, wieder in der Johannisnacht, verließ ein uralter Mann mit leeren Taschen den Berg. Die Schätze des Berges brauchte er nicht mehr.
Geister und Zwerge erkennen
Von Sonntagskindern wird gesagt, sie sollen Glocken von versunkenen Orten hören können. Sie könnten angeblich Geister sehen, Zwerge erkennen und mit ihren hellseherischen und prophetischen Fähigkeiten sogar den Tod von Menschen vorhersagen.
Die Berührung eines Sonntagskindes soll außerdem Glück bringen. In der heutigen Zeit lässt man sie deshalb gerne Lotterie-Lose ziehen. Kinder, die in einer Neumondnacht zur Welt kamen, hießen Neusonntagskinder. Hexen waren auf solche Menschen nicht gut zu sprechen, denn Sonntagskinder können Hexen in der Nacht erkennen.
Mutig und lebensfroh
Es heißt: Sonntagskinder haben immer Glück, gehen mutig, lebensfroh und vital durchs Leben und meistern ohne erkennbare Mühen alle Schwierigkeiten des Alltags. In einem Wochenvers steht: Sonntagskinder sind glückliche Kinder, Montagskinder sind kluge Kinder.
Viele haben deshalb vielleicht früher den folgenden Satz gehört: „Es ist ein richtiges Sonntagskind!“ Bereits bei den alten Römern waren sie bekannt. Bei ihnen hieß ein Sonntagskind auch „Kind der weißen Henne“, weil dieser weiße Vogel als Glücksbringer galt.
Früher Samstagskinder
Ursprünglich hießen „Sonntags“-Kinder „Samstags“-Kinder, weil der Sabbat in jüdischer Tradition der geheiligte Wochentag war. Erst ein Konzil im 13. Jahrhundert stärkte den Sonntag als heiligen Tag der Christenheit. Die Bedeutung des Sonntagskindes änderte sich mit der Aufklärung. Das Sonntagskind wurde zum Sonnenschein, zum Glückspilz. Im gleichnamigen Film aus den 1950er Jahren sang Heinz Rühmann als Sonntagskind fröhlich „Freut euch des Lebens!“
Sind Sonntagskinder selten?
Einer neuen Studie zufolge kommen immer weniger Kinder in Deutschland an Wochenenden, vor allem an Sonntagen, zur Welt. Bis 1950 wurden an Sonntagen fünf Prozent mehr Kinder geboren als an anderen Wochentagen. Es gibt eine ganze Menge berühmter Sonntagskinder: Charles Darwin, Thomas Mann, Johnny Depp, James Dean, Tina Turner, Harald Schmidt, Helene Fischer und Markus Lanz sind nur einige. Egal, an welchem Tag wir geboren sind. Das Gefühl, ein Sonntagskind zu sein, hängt vom eigenen Empfinden ab. Es gibt Zeiten im Leben, da fühlen wir uns, unabhängig vom Geburtstag, wie ein Sonntagskind. Da geht alles ganz leicht von der Hand. Sich an diese Zeiten in Situationen zu erinnern, in denen es uns auch mal schlecht geht, ist die eigentliche Kunst eines Sonntagskindes. So können wir uns in die nächste gute Phase hinüberretten. In der heutigen Zeit, in der wir uns mit vielen negativen Nachrichten im Alltag belasten, hilft uns diese Einstellung.
Denken wir an das Positive und so haben wir allen Grund, uns als Sonntagskinder zu fühlen: Wenn wir dies bewusst nutzen – dann werden wir alle zu Sonntagskindern. Egal, an welchem Wochentag wir geboren sind.