Zum 31. Dezember 2021 schied Jürgen Steinmetz „aus der Wunderwelt des öffentlichen Dienstes“ aus, wie er es ausdrückt. Über Jahre hinweg gehörte er zur leitenden Spitze des Lichtenfelser Jobcenters. Ein Mann mit Ecken, vielleicht auch mit Kanten, gewiss aber mit Rundungen. Und jetzt? Quo vadis, Jürgen Steinmetz?
Jürgen Steinmetz wohnt ein wenig versteckt, innenstadtnah zwar, aber doch auch ein bisschen im Abgeschiedenen. Wer bei ihm an der Haustür steht, der muss sich entscheiden, für welchen Jürgen Steinmetz er klingelt, denn eine Klingel ist dem ASC Burgberg vorbehalten. Ihn hob der heute 63-Jährige, der aus schwer erfindlichen Gründen einst auf dem Schulhof den Spitznamen Stango verpasst bekam, 1999 aus der Taufe.

ASC Burgberg, Steinmetz und Stango sind Synonyme. Kein Wunder also, dass sein Haus auch ein Büro vorhält, in welchem sich Akten und Schriftverkehre zu seinem ASC in Regale einreihen, in welchem Wanderkarten, Trainingsanleitungen, Sprachführer und Medaillen stehen, zudem ein Laptop, ein Drucker und zwei große Computerbildschirme mit Tastaturen. Hier oben erzählt er zu sich, seinem Werdegang und dem, was er nach einem langen, erfüllten Berufsleben noch vor hat. Und dabei fällt ein Satz von berechnender Nüchternheit: „Ich bin im Winter des Lebens.“
Veranschlagt man 80 Jahre für ein Leben, so Steinmetz vorrechnend, steht er mit 63 sehr wohl im Winter. Eine Erkenntnis, die ihm nicht zusetzt, nicht schreckt, sondern einfach nur lächeln lässt. Vielleicht lächeln Menschen so, wenn sie auf viele Erlebnisse zurückblicken können. Steinmetz kann.
In der Realschule Schul- und Sportsprecher

In der Realschule war er Schul- und Sportsprecher, und mit 14 Jahren Filmvorführer auch für Filme ab 18. Wie er so von seinem Früher erzählt, da klingt sie durch, die Schnurre einer Zeit, weniger reglementiert, freier und etwas abenteuerlicher. Es waren die 1970-er, und die Welt war übersichtlich getrennt in Ost und West. Allerdings war auch „der Lehrstellenmarkt platt“ und so zog es den „gebürtigen Burgberger“ schon mit 17 zur Bundeswehr nach Ebern.
Und darüber redend wird Stango ausführlich, heiter und wieder berechnend: „Im Kriegsfall hätte ich 90 Minuten Lebensdauer gehabt. Todesursache: Kopfschuss.“ Er saß als Panzeraufklärer im Spähpanzer Luchs, unweit eines Vielstoffmotors. „Wir hätten auch mit Kölnisch-Wasser fahren können“, fügt er noch lachend an und erzählt davon, wie bunt die Besatzung zusammengewürfelt war. Da war ein Steuerberater, da war auch ein Zuhälter, da waren kuriose Gestalten und auch er.
Doch als die vierjährige Bundeswehrzeit ihr Ende hatte, stellte sich Steinmetz, der den Rang eine Stabsunteroffiziers bekleidete, gemeinsam mit 13.000 weiteren Bewerbern in Bayern einem Auswahlverfahren zum „Mittleren nichttechnischen Dienst“ im Beamtenwesen. Es sollte klappen und bald fand er sich in einer Ausbildung wieder.
Laufbahn beginnt beim Versorgungsamt in Bayreuth
Die berufliche Station, die dann als Landesbeamter folgen sollte, hieß Versorgungsamt Bayreuth. Dort zeichnete der Mann vom Burgberg sich unter anderem auch für den Einkauf medizinischer Geräte für das Krankenhaus Hohe Warte verantwortlich. Allerdings räumt er auch ein, dass die „Gerätemedizin früher weniger kostenintensiv war“.
Von 1979 bis 1989 blieb er dort und geriet anfangs in etwas, von dem er auch heute nicht weiß, ob es sich um ein „kurioses Begrüßungsritual“ gehandelt haben könnte. Irgendwie schaffte er es nämlich bei einem ihm angeordneten Gang durch das Haus, unfreiwillig Zeuge einer Thoraxöffnung zu werden.
Und sportlich erlebte der einstige Handballspieler (Rückraum) auch etwas. Als Trainer gelang ihm in den 1990-ern sowohl Erstmaligkeit wie auch Glanzstück, die SG Rödental nur mit „Eigengewächsen“ aus dem Spielkreis Coburg in die Bayerische Oberliga zu führen.
1989 war Steinmetz Landkreisbeamter. Nach München wollte er nicht, auch darum nicht, weil er am Burgberg ein Haus gebaut hatte. Am Landratsamt wurde er zuständig für Einkäufe, den Öffentlichen Personennahverkehr, das Fischereirecht, die Trinkwasserverordnung, Sprengstoffrecht und Asylbewerberleistungsgesetz, womit er besonders im Zuge des Kosovo-Krieges (1998-1999) verstärkt zu tun bekam.
Aufstieg in den gehobenen Dienst
Alles Fachgebiete, zu denen es jede Menge zu lesen, zu wissen und zu behalten gilt. Aber dann strebte der Mann, der sich nun im Winter des Lebens zu befinden glaubt, einen Aufstieg in den gehobenen Dienst an. Auch das bewältigte er und gelangte an die gemeinsame Einrichtung von Landkreis und Bundesanstalt für Arbeit: das Jobcenter.
Doch welches Fazit zog der Mann nach 46 Jahren Dienst am Staat, am Landkreis und am Menschen? War er gerne Beamter? „Ja“, erklärt Stango und glaubt doch, „kein typischer Beamter“ gewesen zu sein. Vor allem darum, weil er oft „mehr wirtschaftlich“ gedacht habe. Aber fehlen tut ihm die Arbeit nicht, denn: „Ich kann jetzt alles das machen, was ich auf die lange Bank geschoben habe.“
Direkter Draht zu Gott ohne Umweg über Verwaltung
Das, was er da so schob, reicht vom Aufräumen des Kellers bis zu mehr Sport treiben. Der Sport, das ist das zweite Leben des Mannes im Winter. Der Eigensport könnte jetzt vielleicht einen zweiten Frühling erfahren. Doch wenn man an den Gründer des Ausdauersportclubs Burgberg e.V. (ASC) denkt, dann kommt immer auch der Genussmensch Steinmetz in den Sinn; konditionell oft stark, aber auch nicht ganz schlank und mit Sinn für die herzhaften Dinge des Lebens.
So wie das Leberkäsbrötchen, mit welchem er einst in Mittagspausen oft gemütlich-genüsslich die Beine durch die Innenstadt vertreten ging. Steinmetz will gesund alt werden beziehungsweise so gesund es eben geht. „Meine Mutter wurde 64, mein Vater 67, mein Bruder 69“, sagt er die Frage provozierend, ob er sich mit 63 diesen Zahlen nicht schon sehr nahe fühle. Seine Antwort fällt so souverän wie nüchtern aus: „Wenn Gott will … aber ich habe Zuversicht, ich ängstige mich nicht.“ Zu Gott, so sagt er, habe er einen direkten Kontakt und „ohne Umweg über die Verwaltung“.
Das, wozu Steinmetz sich nun ausgiebig Zeit nimmt und wie ein alltägliches Ritual betreibt, ist das allmorgendliche Lesen der Heimatzeitungen, ist Meditation und spätes Frühstück. Nur mit dem späteren Aufstehen will es nicht so ganz klappen. „Ich habe gedacht, ich schlafe jetzt länger, aber zwischen 6 und 7 Uhr wache ich auf.“
Doch auch wenn Steinmetz in Pension ist, so fällt doch noch so etwas wie Arbeit an. Wohl zehn, zwölf Stunden pro Woche ist er mit Dingen rund um den ASC Burgberg befasst, ein Verein, der sich durch Lauftreffs, Gesundheitstagungen, unterschiedlichste Fitness-Events und Fitness-Angebote sowie die maßgebliche Beteiligung am Flechtkulturlauf einen Namen gemacht hat.
Vorbereitung des 18. Flechtkulturlaufs
Irgendwann möchte Steinmetz den Verein vielleicht unter das Dach eines anderen Vereins bekommen – man wird sehen. Doch bis dahin wartet noch Arbeit für den anstehenden 18. Flechtkulturlauf auf ihn und außerdem ein reizvolles Seminar zum Thema moderne Welt, zum Thema Bewegung in Zeiten von Digitalisierung. So etwas wie ein politisches Amt, das versichert Steinmetz, strebe er im Ruhestand nicht an. Er möchte lieber sportlich aktiv und gesund alt werden. Wie alt auch immer. Dann klingelt es an der Haustür und der Pizzabote bringt etwas zu essen. Man muss ja leben auch.