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LICHTENFELS: Kakerlaken, Schimmel und Drogen in Lichtenfelser Wohnungen

LICHTENFELS

Kakerlaken, Schimmel und Drogen in Lichtenfelser Wohnungen

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    Ungezieferplage: Dutzende Kakerlaken hat die Mieterin einer Wohnung in der Frankenstraße in ihrer Küche mit zwei Fallen gefangen. Fotos: Gerhard Herrmann
    Ungezieferplage: Dutzende Kakerlaken hat die Mieterin einer Wohnung in der Frankenstraße in ihrer Küche mit zwei Fallen gefangen. Fotos: Gerhard Herrmann

    Dutzende von Kakerlaken kleben in der Duftfalle, die Anna S. (Name geändert) unter der Küchenbank hervorgeholt hat. Noch voller ist eine zweite Falle, die sie unter der Spüle aufgestellt hat. „Die Kakerlaken sind in allen Räumen, außer im Schlafzimmer“, sagt die 60-Jährige. Hilflos fühlt sie sich der Ungezieferplage in ihrer Wohnung in der Lichtenfelser Frankenstraße ausgeliefert. Die Hausverwaltung sei nicht erreichbar und wenn sie es über den Hausmeister versuche, komme keine Reaktion. Vernachlässigung und Untätigkeit durch die Majo Immobilien GmbH im hessischen Friedberg beklagen zahlreiche Mieter der ehemaligen Eisenbahner-Wohnungen in der Frankenstraße, Thüringer Straße und Wendenstraße.

    „Am liebsten würden mein Mann und ich ausziehen, aber ein Umzug kostet Geld.“

    Eine Mieterin

    „Ich ekle mich und spüle jeden Topf oder Teller noch mal extra ab, bevor ich ihn benutze“, sagt die 60-Jährige. Dass sie aufgrund einer Sehbehinderung die Kakerlaken nicht erkennen kann, verschlimmert die Situation noch. Seit Sommer 2023 stelle sie die Fallen auf, um die Ausbreitung der Insekten wenigstens einzudämmen. Sie schäme sich wegen des Ungeziefers. Dabei zeigt die frisch geputzte Wohnung, dass es sich nicht um ein Hygieneproblem handelt – Boden und Ablagen glänzen vor Sauberkeit.

    Stolperfalle: Ein etwa 30 Zentimeter breites und ebenso tiefes Loch klafft im Gehweg hinter dem Mietshaus in der Thüringer Straße 3.
    Stolperfalle: Ein etwa 30 Zentimeter breites und ebenso tiefes Loch klafft im Gehweg hinter dem Mietshaus in der Thüringer Straße 3.

    Wegen Löchern im Gartenweg und Schäden an der Kellertreppe ist die 60-Jährige bereits mehrfach gestürzt und hat sich verletzt. Ein Rolladen im Wohnzimmer lasse sich seit über einem Jahr nicht mehr öffnen, werde aber nicht repariert. „Am liebsten würden mein Mann und ich ausziehen, aber ein Umzug kostet Geld, und eine Wohnung, deren Miete wir uns leisten könnten, haben wir nicht gefunden“, berichtet sie.

    Regelrecht geflohen ist eine junge Familie, die in der Nachbarwohnung zwei Jahre lang unter einer Kakerlaken-Plage litt. „Die Biester sind sogar ins Bett unserer zweijährigen Tochter und über unseren Hund gekrochen“, berichtet der 31-Jährige. Doch die Hausverwaltung habe nicht reagiert: An einem Tag habe er 102 Mal angerufen, bevor er jemanden erreichte. Nach langem Drängen habe die Hausverwaltung einmal einen Kammerjäger zur Bekämpfung geschickt, doch das habe nicht ausgereicht. Zwei weitere Bekämpfungsversuche starteten die Eheleute selbst.

    Schäden durch Küchenschaben

    Hinzu sei Schimmelbefall in sämtlichen Räumen gekommen. Schließlich gaben sie entnervt und voller Ekel auf und zogen nach Thüringen, weil sie in Bayern keine bezahlbare Wohnung fanden. Der Lagerarbeiter gab dafür einen guten Job auf und ist seitdem arbeitslos, doch wenigstens seine Frau hat eine neue Stelle gefunden.

    Dicht an dicht drängen sich die Kakerlaken in der Pheromonfalle in der Küche einer Wohnung in der Frankenstraße 6.
    Dicht an dicht drängen sich die Kakerlaken in der Pheromonfalle in der Küche einer Wohnung in der Frankenstraße 6. Foto: Gerhard Herrmann

    Allerdings war durch die Kakerlaken fast der gesamte Hausrat unbenutzbar geworden. Das Sofa voller Kot und Eier der Insekten, die Dichtungen der Spüle von ihnen durchgenagt und die Elektronik der fast neuen Miele-Waschmaschine durch die Eiablage der Küchenschaben ruiniert. Sie haben eine Rechtsanwältin damit beauftragt, den Schaden von mehreren tausend Euro einzutreiben. Doch die Vermieter reagieren nicht. Nicht einmal eine Wohnungsübergabe habe stattgefunden.

    Gerade zwei Wochen ist es her, dass eine 67-jährige Mieterin einige Häuser weiter davon aufgeschreckt wurde, dass die Internetverbindung unterbrochen wurde. Als sie im Keller nachsehen wollte, traf sie einen Monteur der Bayernwerke, der gerade den Allgemeinstrom abgestellt hatte, weil die Hausverwaltung die Rechnung nicht bezahlt habe. Auf ihren Appell hin gewährte er eine Woche Aufschub. Statt der Hausverwaltung erreichte sie immerhin den Hausmeister, der gerade vor Ort war, und der nahm sich des Problems an.

    Plötzlich ist der Strom weg

    Ausgebrochen sind die Eingangsstufen des Hauses Frankenstraße 24.
    Ausgebrochen sind die Eingangsstufen des Hauses Frankenstraße 24.

    Jetzt fürchten nicht nur sie, sondern auch ihre Nachbarn, dass der Allgemeinstrom in allen Mietshäusern gesperrt werden könnte, wie im Juli 2024, als die ganze Wohnanlage eine Woche lang keinen Allgemeinstrom hatte. „Da funktioniert weder die Klingel, noch das Licht in Treppenhaus und Keller, bei manchen Nachbarn war sogar die Heizung betroffen und sie hatten kein warmes Wasser“, berichtet sie. „Auch kein Vodafone-Festnetz, Fernsehen und Internet.“ Ein älteres Ehepaar sei den halben Tag am Fenster gestanden, um den Pflegedienst einzulassen.

    Sorge bereitet der 67-Jährigen auch ihre Gastherme, die jedes Jahr gereinigt werden müsste, doch die Hausverwaltung kümmere sich nicht darum. Außerdem sei das Dach an einigen Stellen undicht und die Fallrohre der Regenrinne verstopft, so dass Wasser an die Fassade schlage und die Nachbarn über ihr Probleme mit Stockflecken an den Wänden haben. Ein anderer Nachbar kann nicht richtig heizen, da einer von zwei Öfen defekt ist. Einen Befall mit Schimmel in mehreren Räumen hat er im vergangenen Jahr selbst beseitigt und die Wände neu gestrichen, weil die Majo-Holding nicht reagiert habe.

    Ein gestohlener Einkaufswagen voller Sperrmüll und drei abgemeldete Autos stehen monatelang vor den Mietshäusern in der Frankenstraße.
    Ein gestohlener Einkaufswagen voller Sperrmüll und drei abgemeldete Autos stehen monatelang vor den Mietshäusern in der Frankenstraße.

    Lang ist die Liste der Mängel, die die Mieter aufgelistet und vergeblich bei der Hausverwaltung reklamiert haben, berichtet André Steffen vom Mieterverein Lichtenfels. Hinter dem Haus in der Thüringer Straße 3 klafft ein fast 30 Zentimeter breites und ebenso tiefes Loch im Asphalt des Gehwegs – nicht nur nachts eine Gefahr. Der Keller eines Hauses sei nicht mehr benutzbar, nachdem bei einer Verstopfung des Abwasserkanals Fäkalien übergelaufen waren. Die Eingangsstufen einiger Häuser sind ausgebrochen, so dass Sturzgefahr besteht, monatelang stehen abgemeldete Autos und Sperrmüll im Hof, die Reklamation von zu viel abgerechneten Nebenkosten werde konsequent ignoriert.

    Drogenhandel im Hof beobachtet

    Fassungslos macht die Mieter auch, dass in einer Wohnung in der Thüringer Straße 1 vor über einem Jahr ein Untermieter eingezogen ist, der mehr oder weniger offen im Hof Drogen verkaufe. Sogar Fotos von der Übergabe existieren, wie ein Nachbar berichtet. Die Polizei habe trotz Anzeigen offenbar keine Handhabe. Dabei habe der Mann weder einen Mietvertrag, noch habe er seinen Wohnsitz angemeldet. Im vergangenen Sommer seien sogar zwei Schüsse gefallen.

    Abgeplatzte Fliesen im Treppenhaus in der Thüringer Straße 7.
    Abgeplatzte Fliesen im Treppenhaus in der Thüringer Straße 7. Foto: Gerhard Herrmann

    „Wir wollen doch nur in Ruhe und Frieden hier leben und dass sich jemand um die Wartung und Reparatur der Häuser kümmert, dafür zahlen wir doch jeden Monat Miete“, sagt die 67-Jährige. Seit ihrer Kindheit wohnt sie in den Häusern, die die Bahn Mitte der 1950-er Jahre für ihre Mitarbeiter errichten ließ. „Damals war es ein Glück, eine dieser Beamtenwohnungen zu bekommen, jetzt ist ein schon fast ein Ghetto“, sagt ihre 75-jährige Nachbarin. „Man schämt sich schon fast, hier zu wohnen.“ Dabei könnten die Miethäuser mit großen Grünflächen und Kleingarten-Parzellen eine Idylle sein.

    Hausverwaltung reagiert nicht

    Etwa zwei Jahre nach der Übernahme durch die Majo Immobilien GmbH von Martin Joachim Müller aus Wöllstadt 2016 hätten die Probleme begonnen, berichten die Mieter. Betroffen sind 24 Mietshäuser in Lichtenfels mit rund 150 Wohnungen sowie weitere in Michelau und Redwitz. Fünf Mal habe die Hausverwaltung gewechselt. Doch niemand kümmere sich um Probleme. Die Ansprechpersonen, die in den Informationskästen neben den Hauseingängen genannt werden, seien telefonisch nicht erreichbar und auf E-Mails reagierten sie nicht.

    Seit Monaten stehen mehrere abgemeldete Autos auf den Parkplätzen zwischen den Mietshäusern in der Frankenstraße 22 und 24. An den Balkongittern blättert die Farbe ab.
    Seit Monaten stehen mehrere abgemeldete Autos auf den Parkplätzen zwischen den Mietshäusern in der Frankenstraße 22 und 24. An den Balkongittern blättert die Farbe ab. Foto: Gerhard Herrmann

    Auf Anfrage der Redaktion bei der Majo-Holding meldet sich ein Mitarbeiter. Wegen der Insolvenz der Hausverwaltung seien Anfragen liegen geblieben, die jetzt abgearbeitet würden, sagt er. Die auf den Aushängen genannten Ansprechpartner seien per E-Mail erreichbar und bei den Telefonnummern sei im Fall der Abwesenheit ein KI-unterstützter Anrufbeantworter geschaltet. Nach mehrfachen Versuchen erreicht der Redakteur einen Mitarbeiter der Hausverwaltung Printz & Schwenk in Frankfurt, der mitteilt, seit Ende Januar nicht mehr zuständig zu sein.

    Auffällig ist, dass Martin Joachim Müller, der Geschäftsführer der Majo-Holding, vom 9. Juni 2023 bis 2. Dezember 2024 als Geschäftsführer von Printz & Schwenk firmiert hat und erst kurz vor der Insolvenz ausgestiegen ist.

    Majo-Holding verspricht Abhilfe

    Die Fragen des Redakteurs will der Mitarbeiter der Majo-Holding vor Ort besprechen. Wieder verweist er auf die Insolvenz der Hausverwaltung. Beschwerden der Mieter seien nicht weitergegeben worden. Jetzt sollen sie „kurzfristig“ bei einer Begehung untersucht und nach Dringlichkeit abgearbeitet werden. Einen Zeitplan gebe es dafür noch nicht. Umgehend werde jedoch der Kakerlaken-Befall beseitigt. Die Betriebskostenabrechnungen würden „mit Hochdruck“ bearbeitet: „Wir ... gehen davon aus, dass eventuelle Guthaben zeitnah ausgezahlt werden können.“

    Tiefe Schlaglöcher in der Einfahrt von der Thüringer Straße in den Hof.
    Tiefe Schlaglöcher in der Einfahrt von der Thüringer Straße in den Hof.

    Auf die Frage, warum sich der Eigentümer nach der Insolvenz der Hausverwaltung nicht umgehend um die Grundversorgung und Sicherheit der Mieter kümmert, wie etwa um die Versorgung mit Allgemeinstrom, bleibt er eine Antwort schuldig. Ziel sei es, eine neue Hausverwaltung zu beauftragen, doch das hänge von der Freigabe des Insolvenzverwalters ab. Vorerst werde sich die Hausverwaltung Müller aus Friedberg, eine Tochter der Majo-Holding, darum kümmern. Eine Woche nach der Anfrage der Redaktion hängt er Zettel mit einer Telefonnummer, die an zwei Vormittagen in der Woche erreichbar sei und über einen KI-gestützten Anrufbeantworter verfüge, sowie einer E-Mail-Adresse auf. Auch den Hausmeister könne man ansprechen.

    Skeptisch reagieren die Mieter auf die Ankündigungen, auch wenn sie froh sind, dass ihnen endlich jemand zuhört. Nach den Enttäuschungen der vergangenen Jahre werden sie erst an eine Besserung glauben, wenn ihre Probleme behoben werden.

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