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WEISMAINWEISMAINWEISMAIN: Klimawandel: Beim Gärtnern mehr Natur und Geduld walten lassen

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Klimawandel: Beim Gärtnern mehr Natur und Geduld walten lassen

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    Im sogenannten Feuergarten an der Umweltstation experimentiert Kreisfachberater Michael Stromer mit verschiedenen Substraten und trockenheitsverträglichen Stauden.
    Im sogenannten Feuergarten an der Umweltstation experimentiert Kreisfachberater Michael Stromer mit verschiedenen Substraten und trockenheitsverträglichen Stauden. Foto: Michael Stromer, Umweltstaion Weismain

    Herr Stromer, die Sommer werden immer trockener, die Winter eher milder – was bedeutet das für den Garten-, Obst- und Gemüsebau am Obermain?

    Michael Stromer: Der Klimawandel stellt sowohl Hobbygärtner als auch Garten- und Gemüsebau-Betriebe vor große Herausforderungen und zwingt diese zum Handeln. Zum einen gilt es, mit der zunehmenden Hitze und Trockenheit in den Sommermonaten umzugehen. Auch wenn es heuer ein eher regenreicher Spätwinter war und wir in den vergangenen Wochen viel Niederschlag erlebt haben, nimmt die für die Vegetationsentwicklung wesentliche Frühjahrsfeuchte im Boden tendenziell ab. Zum anderen nehmen Starkregen-Ereignisse, gerade auch im Sommer, zu. Diese helfen uns leider nicht weiter, ganz im Gegenteil: Sie dringen kaum in die Erde ein und schwemmen den Boden weg – und damit auch die Nährstoffe. Davon sind die Gärten und der Gemüsebau, aber auch die Landwirtschaft und die Wälder betroffen.

    Die Gemüse-Schaubeete an der Umweltstation in Weismain lassen sich aktuell gut mit Vliesen gegen die Spätfröste schützen.
    Die Gemüse-Schaubeete an der Umweltstation in Weismain lassen sich aktuell gut mit Vliesen gegen die Spätfröste schützen. Foto: Michael Stromer, Umweltstaion Weismain

    Das heißt, es wird auch hier im Landkreis Lichtenfels zunehmend schwieriger, Gemüse anzubauen?

    Stromer: Ja, das wird es und ist es eigentlich auch schon. Zu den bereits genannten Herausforderungen gesellen sich noch weitere Widrigkeiten, vor allem die Spätfröste nach milden Wintern. Diese sind besonders tückisch, wie sich heuer um Ostern herum abermals gezeigt hat, nachdem der Winter mal wieder viel zu mild war. Die Vegetation ist inzwischen drei Wochen früher mit dem Austrieb dran als noch vor 50 Jahren. Und wie im Mai die Eisheiligen ausfallen, bleibt noch abzuwarten. Dabei kommen wir im Vergleich zu Unterfranken oder den Obstbaugebieten in Österreich noch recht glimpflich davon. Die Marillen-Anbaugebiete in Niederösterreich beispielsweise haben inzwischen fast jedes Jahr erhebliche Ernteausfälle durch Spätfröste. Abgesehen davon machen unseren Gärtnerinnen und Gärtnern aber auch Pilzbefall oder neue Schädlinge zu schaffen.

    Von welchen Schädlingen sprechen wir hier?

    Stromer: Da gibt es zum Beispiel die Kirschessigfliege, die aus dem südostasiatischen Raum stammt. Das zunehmend milde Klima in unseren Breiten, vor allem im Winter, kommt der Fliege sehr entgegen. Sie befällt gesunde Früchte verschiedener Arten und vermehrt sich explosionsartig. Das ist sowohl im Erwerbsanbau als auch im Privatgarten ein Problem. Denn Kirschessigfliegen befallen nicht nur Kirschen, sondern auch weichschalige Früchte wie Erdbeeren, Himbeeren, Holunder oder Weintrauben. Daneben profitieren weitere Schädlinge wie die verschiedenen Gemüsefliegen, Gallmücken und Läuse oder auch der Buchsbaumzünsler vom Klimawandel. Selbst der altbekannte Maikäfer, dessen Engerlinge im Garten und in der Landwirtschaft gefürchtet sind, und auch die Schnecken profitieren von den milden Wintern ohne lange Schneedecke und lange Frostperioden.

    Wie lässt sich diesen Widrigkeiten am besten begegnen?

    Stromer: Bei den Schädlingen kommt den natürlichen Gegenspielern eine wichtige Rolle zu. Genau wie Florfliegen, Marienkäfer, Schlupfwespen und andere Nützlinge „alteingesessene“ Schädlinge wie Blattlausarten in Schach halten, haben auch die neuen Schädlinge Fressfeinde, die teilweise gleich mit einreisen oder sich mit der Zeit herausbilden. Was die Kirschessigfliege angeht, so ist davon auszugehen, dass unsere Vögel sich anpassen und diese mit auf ihren Speiseplan setzen. Chemische Spritzmittel sind für uns im Hobby-Gartenbau keine Option, weshalb Freizeit-Gärtnerinnen zwangsläufig andere Wege finden müssen. Da tun Kulturschutz-Netze gute Dienste. Besonders wichtig ist es aber, Vielfalt zu fördern und mit den richtigen Pflanzen auch die natürlichen Fressfeinde der Schädlinge anzulocken. Sehr gut geeignet sind einheimische Stauden, Sträucher und zum Beispiel Korbblütler wie Mädchenaugen oder Sonnenhut. Auch essbare Pflanzen und Kräuter wie Dill, Petersilie oder Borretsch bieten den Nützlingen Lebensraum, Nahrung und Schutz, um ihre Eier abzulegen. Ein gesunder, vielfältiger Garten ist quasi ein eigenes kleines Ökosystem, in dem Nützlinge, Vögel, Fledermäuse und andere Tiere eine natürliche Kontrolle für viele Schädlinge darstellen.

    Und was lässt sich gegen die

    Wetterextreme unternehmen?

    Das Gewächshaus ist hier tatsächlich unschlagbar, denn es bietet Schutz vor Spätfrösten, Starkregen und auch Sturm. Aber es bietet halt nur begrenzt Platz. Und bei lang anhaltender Hitze im Sommer haben viele Gemüsesorten ein Problem, wenn man die Hitze nicht rausbekommt. Man kann Frösten auch mit Kälteschutz-Vliesen begegnen und empfindliche Pflänzchen entsprechend abdecken. Abgesehen davon gilt es aber auch, hitzeverträglichere Sorten anzubauen. Dazu zählen beispielsweise Augenbohnen, Auberginen, Artischocken, oder Okra. Das heißt, wir müssen uns mitunter geschmacklich auf Veränderungen einstellen. Im Ziergarten-Bereich, also bei den Bäumen, Sträuchern und Blumen im Garten, werden wir uns zwar auch etwas umstellen müssen – weniger Wasserschlucker wie Hortensien oder Rittersporn und mehr trockenheitsverträgliche Pflanzen – aber hier ist der „Leidensdruck“ wohl nicht so groß. Dass Schottergärten, Steinwüsten und Co. dem Klimawandel noch Vorschub leisten, dürfte inzwischen allgemein bekannt sein.

    Rüben haben in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie, wie die Mairüben, gut für den früheren Start in die Gemüsesaison geeignet sind oder, wie die Roten Beete, das längere Erntefenster im Herbst gut ausfüllen. Darüber hinaus ist Wurzelgemüse sparsam, was den Wasseranspruch angeht.
    Rüben haben in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie, wie die Mairüben, gut für den früheren Start in die Gemüsesaison geeignet sind oder, wie die Roten Beete, das längere Erntefenster im Herbst gut ausfüllen. Darüber hinaus ist Wurzelgemüse sparsam, was den Wasseranspruch angeht. Foto: Michael Stromer, Umweltstaion Weismain

    Aufgeschlossenheit gegenüber

    neuen Sorten spielt demnach eine bedeutende Rolle?

    Absolut! Gärtner wie auch Hobbygärtner sollten hier definitiv offen für Neues sein, beispielsweise neue Salat- und Spinatsorten. Wobei das für uns „Neue“ manchmal auch nur alte Sorten sind. Linsen passen eigentlich sehr gut zu unseren klimatischen Bedingungen und werden ja auch im Landkreis Lichtenfels wieder vermehrt angebaut. Das zunehmend warme und milde Klima wird voraussichtlich auch dazu führen, dass wir in Deutschland Früchte wie Aprikosen und Orangen anbauen können, sofern es gelingt, diese vor möglichen Spätfrösten zu schützen. Darüber hinaus verlängert sich die Gartensaison, so dass wir länger ernten können. Dies gilt auch für den gewerblichen Gemüsebau unter Glas, wo sich die schwachen Lichtverhältnisse im Winter durch den Einsatz von UV-Lampen kompensieren lassen.

    Wie blicken Sie auf die Zukunft

    des Gartenbaus – pessimistisch oder optimistisch?

    Auch wenn die Herausforderungen groß sind, sollten wir uns nicht von Pessimismus leiten lassen. Uns geht es hier in Deutschland grundsätzlich sehr gut. Und wir werden auch in Zukunft hier gut leben können – anders als es bei Ländern der Fall ist, die viel stärker vom Klimawandel betroffen sind. Klar ist natürlich, dass sich weiterhin einiges verändern wird und wir uns offen für diese Veränderungen zeigen müssen. Das fängt im privaten Bereich bei jedem Einzelnen an, der einen Garten besitzt und statt grauer Einfalt besser auf bunte Vielfalt setzt. Bei den Nutzpflanzen sollte uns bewusst sein, dass es weltweit über 1.200 Gemüsearten gibt, von denen gerade einmal 60 in Deutschland angebaut werden. Hier ist also noch ein großes Fenster offen. Wir sollten die aktuellen Entwicklungen definitiv auch als Chance sehen und dabei grundsätzlich mehr Natur und Geduld walten lassen.

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