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LICHTENFELS: „Kriegsweihnacht“ und Jahresende vor 80 Jahren

LICHTENFELS

„Kriegsweihnacht“ und Jahresende vor 80 Jahren

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    Foto-Idylle unterm Weihnachtsbaum in der Kriegsweihnacht. Doch oft stand der Vater nicht am Gabentisch, sondern an der Front.
    Foto-Idylle unterm Weihnachtsbaum in der Kriegsweihnacht. Doch oft stand der Vater nicht am Gabentisch, sondern an der Front. Foto: red

    Die euphorische Stimmung des Sommers 1941 war verflogen. Am 22. Juni marschierte die deutsche Armee in die Sowjetunion ein. Nach den „Blitzkriegen“ gegen Polen und Frankreich sollten „die Bolschewisten ebenfalls überrannt werden“. Und Adolf Hitler träumte davon, schon im Herbst die Siegesparade in Moskau abzunehmen.

    Doch „Väterchen Frost“ und die sowjetische Armee zeigten dem Größenwahn der Nationalsozialisten die Grenzen auf. Wochenlang dominierten Schlagzeilen wie „Schwere Verluste der Sowjets“ oder „Feindliche Ausbruchsversuche zerschlagen“.

    In krassem Gegensatz dazu häuften sich in den Zeitungen am Obermain die „Heldentod“-Anzeigen von Woche zu Woche. In manchen Häusern wurde in der Stube das Bild des „Führers“ abgehängt und dafür das Bild des gefallenen Sohnes oder Ehemanns angebracht.

    Kinos am Obermain zeigten Film „Jud Süß“

    Immer neue Verordnungen zu den Lebensmittelmarken schränkten den Alltag deutlich ein. Rezepte für Plätzchen mit reduziertem Ei- und Fettanteil machten Anfang Dezember die Runde. In den Kinos am Obermain wurde der Film „Jud Süß“ gezeigt, organisiert „mit dem besten Beiprogramm“ von der Gaufilmstelle der NSDAP. Berichte von „Zuchthausstrafen für Volksschädlinge wegen Schwarzschlachtens“ sollten abschreckend wirken.

    In den meisten Dörfern und Städten im Lichtenfelser Land wurden im November und Dezember „Volksversammlungen“ abgehalten. So lud Ortsgruppenleiter Johann Weber in den Gick‘schen Saal nach Schwürbitz ein zum Vortrag „Wo Adolf Hitler führt, da ist der Sieg“. In Altenkunstadt hatte man den Vortrag im Müller?schen Saal mit der Erwartung verknüpft, „dass kein Haushalt sich ausschließt, um zu hören, was jetzt vor sich geht.“

    „Zeit der heiligen Weihenächte“ in den Wirtshausstuben beschworen

    Feiern zur Wintersonnenwende im Freien waren wegen der Vorschriften zur Verdunkelung strengstens untersagt. Die „Zeit der heiligen Weihenächte“ wurde in warmen Wirtshausstuben beschworen. Bei der „Vorweihnachtsfeier der NS-Frauenschaft“ im Lichtenfelser Bürgerbräusaal beschwor Parteigenossin Hofmann als Leiterin der Kreis-Frauenschaft den „urdeutschen Glauben an das Leben und das Licht, an den Sieg des Hellen über alles Dunkle“. Anschließend führten Kinder das „urdeutsche Märchen Rumpelstilzchen“ auf.

    Verwundete Soldaten verbrachten Weihnachten im Lazarett. So auch der 20-jährige Soldat aus Altenkunstadt, knieend neben der Krankenschwester.
    Verwundete Soldaten verbrachten Weihnachten im Lazarett. So auch der 20-jährige Soldat aus Altenkunstadt, knieend neben der Krankenschwester. Foto: Repro: Andreas Motschmann

    In den Jahresabschlussfeiern wurde der lebenden und der an der Front gefallenen Soldaten gedacht. Heftige Attacken fuhr man anschließend gegen die Sowjets und die USA. Mit den USA befand man sich seit dem 11. Dezember im Kriegszustand. Erste nachdenkliche Stimmen gab es sogar von oberster Parteistelle: „Die jetzige Situation ist zweifellos eine Krise“, diktierte Propagandaminister Joseph Goebbels seinem Sekretär am 21. Dezember.

    Jahresrückblick ohne „NSDAP-Brille“

    Gewisse von den Nationalsozialisten veranlasste Aktionen fanden bei den Jahresrückblicken keine Erwähnung: Nicht berichtet wurde über die Transporte behinderter Menschen aus der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg und der St.-Josephs-Anstalt Burgkunstadt in sogenannte „Erholungsheime“, in denen sie als „unwertes Leben“ umgebracht wurden. In drei Transporten wurde die „Euthanasie-Aktion“, die ein Jahr vorher angelaufen war, fortgeführt. 446 Menschen hatte man 1940 und 1941 von Kutzenberg aus in den Tod geschickt.

    Für die Juden vom Obermain war es der letzte Jahreswechsel in ihrem Leben. Am 25. April wurden alle Juden in einen Güterzug gezwungen, aus dem sie am 28. April in Kraznystaw bei Lublin in Ostpolen getrieben wurden. Im Juni 1942 wurden sie in den Gaskammern von Belzec und Sobibor ermordet.

    Bei den Meldungen und Anzeigen in der Lokalzeitung findet sich so manches, was uns heute nach 80 Jahren eher fremd geworden ist: Einspanntiere wurden gesucht, Verdunkelungs-Rollos angeboten.

    Meldungen im Lichtenfelser Tagblatt

    Die Fuchsplage entwickelte sich zu einem Dauerproblem in den Juradörfern. Meldungen über Verlobungen dominierten zwischen Weihnachten und Silvester den Anzeigenteil.

    Für die 13-jährige Margot Wolf aus Altenkunstadt war es der letzte Jahreswechsel. Im Juni 1942 wurde  sie in den Gaskammern von Sobibor ermordet.                    Repro: Andreas Motschmann
    Für die 13-jährige Margot Wolf aus Altenkunstadt war es der letzte Jahreswechsel. Im Juni 1942 wurde sie in den Gaskammern von Sobibor ermordet. Repro: Andreas Motschmann

    Die Stimmung im Dezember 1941 war insgesamt gedrückt. Mütter standen mit den Kindern allein unter dem Christbaum; der Mann war draußen an der Front. Verwundete Soldaten verbrachten Weihnachten im Lazarett. Viele Familien hatten Tote zu beklagen. Im Juni 1941 bereits waren 20 Burgkunstadter Soldaten gefallen.

    Weihnachtsfest war Bestandteil der Kriegspropaganda

    Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Weihnachtsfest zunehmend politisch instrumentalisiert; es wurde zu einem wesentlichen Bestandteil der Kriegspropaganda. In Häusern besonders linientreuer Nazis fand man seit Jahren am Weihnachtsbaum keine Engelsfiguren und Weihnachtsmänner mehr: Kleine rote Glaskugeln mit dem schwarzen Hakenkreuz auf weißem Kreis ersetzten die christlichen Symbole. Auf der Christbaumspitze war nicht mehr der Stern von Bethlehem: Ein SA-Mann in brauner Uniform schwebte dort, mit zum Hitlergruß ausgestrecktem Arm.

    Trotz aller Propaganda-Bemühungen gelang es nicht, das traditionelle christliche Weihnachtsfest am Obermain in weiten Teilen der Bevölkerung zu verdrängen.

    Am 20. Dezember ließ Hitler zur Woll- und Pelzsammlung aufrufen

    In der Woche vom 28. Dezember bis zum 3. Januar war die Verdunkelung der Häuser von 17.25 bis 9.15 Uhr am Morgen verordnet. Unterstrichen wurde die Vorschrift mit dem Slogan: „Wer schlecht verdunkelt, zeigt dem Feind den Weg.“

    Am 20. Dezember ließ „Führer“ Adolf Hitler zur Woll- und Pelzsammlung für die Soldaten an der Ostfront aufrufen. Gesammelt wurde ab 27. Dezember. Laut einer Verordnung drohte jedem, der sich an der Sammlung vergreifen würde, die Todesstrafe. Aufrufe zum Spenden waren an den letzten Tagen des Jahres 1941 immer wieder im Lichtenfelser Tagblatt zu lesen. Die Schlagzeile am 31. Dezember: „Wollsachen aus unserem Gau rollen zur Front.“

    Meldungen von Kämpfen vor Moskau bei Minustemperaturen von 35 Grad schockten die Angehörigen zu Hause und unterstrichen die Notwendigkeit solcher Sammelaktionen. Dem neuen Jahr sah man mit gemischten Gefühlen entgegen.

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