Die Ziehung der Lottozahlen ist bekannt, die Ziehung von Kunst aus Dosen ist das vergleichsweise nicht. In der Korbstadt ist aber genau so etwas seit Dienstagabend im Archiv der Zukunft möglich. In einem coburgisch-lichtenfelserischen Gemeinschaftsprojekt hält nun ein Automat vorrätig, was man an drei Tagen in der Wochen für acht Euro „ziehen“ kann.

Wer am Dienstagabend ab 17 Uhr über den Marktplatz ging, dem dürfte am „Archiv der Zukunft“ einiges aufgefallen sein – optisch wie akustisch. Junge Menschen saßen plaudernd oder malend unter dem metallenen Weidenbaum und Techno-Beats waren auch zu hören. Besagte junge Menschen haben sich darauf eingeschworen, Kunst erlebbar und leicht erwerbbar zu machen, sind Mitglieder des Vereins Freie Ausstellung Coburg (FAC) und sein Sprachrohr sollte ab 18 Uhr der 26-jährige Produktdesigner Fabian Sauer sein.
Angst gegenüber Kunst verlieren
„Wir organisieren Kunstaustellungen“, erklärte der FAC-Mitbegründer vor den rund 20 Gästen im Inneren des „Archivs“ und schilderte unweit des Automaten stehend, wie man mittels Aktionen wie dieser „Besucher mit reinzuholen“ gedenkt, damit diese ihre Schwellenangst gegenüber der Kunst verlieren und vielleicht selbst mal künstlerisch aktiv werden.

Doch die Idee zu einer Ausstellung in Lichtenfels wurde im vergangenen November auch aus Richtung der Korbstadt selbst angesteuert und der Name hierfür lautet Christel Meyer. Die Beirätin des Archivs der Zukunft, das sich auch als Begegnungsstätte für Kultur empfindet, hatte über die Hochschule Coburg Wind von dem FAC und seinen Absichten, mit allerlei Aktionen Menschen für Kunst einzunehmen.
Kooperation vorangetrieben
So fand man sich und auch ein Datum für eine gemeinsame Aktion. Doch während im Archiv der Zukunft seit Monaten der ausgediente Getränkeautomaten lagerte, unternahm es das FAC, Bewerbungen für die Kunst zu sichten, die es in die Dosen schaffen sollten. Am Ende wurden kleine Werke von „Der Dachs“, Pia Herbert, Tom Meiser, Clara Morgenstern, Paul Gerber, Lena Wenz und eben auch Fabian Sauer eingedost.

Was Stefan Mehl, seines Zeichens Beiratsvorsitzender des Archivs der Zukunft und als Geschäftsführer der R+G Beteiligungs-GmbH ohnehin immer beruflich vor Ort, über die Kunst in Dosen denkt, drückte er anlässlich seiner Grußworte so aus: „Recycling im besten Sinne des Wortes.“ Vor allen Dingen aber erwähnte er noch, was den Reiz des „Ziehens“ ausmacht: „Niemand weiß, was er kriegt, aber Sie können sich sicher sein: Es ist immer Kunst drin.“
Direkt etwas gezogen
Der erste, der an diesem Abend seine Erfahrung mit gezogener Kunst machen sollte, war der Coburger Holger Falter, Bauingenieur und als Professor an der dortigen Hochschule wirkend. Doch als er die acht Euro in den Münzschlitz warf und der Automat ihm nach mehrmaligen Ziehversuchen die Dose freigab, sollte Falter eine eigene kleine Kunstaktion starten: er öffnete die Dose nicht und beließ die Kunst im Geheimnisvollen.

Die Lichtenfelserin Dagmar Höppel tat das nicht. Die versierte Hobby-Künstlerin sah, zog und öffnete. Was sie vorfand, war eine Art Comic-Tryptichon von – Fabian Sauer. Fünf verschieden gezeichnete Gesichter ließen sich aufklappen bzw. aufblättern. Auf die Frage, wo dieser kleine künstlerische Witz einen Platz erhalten wird, erklärte Höppel, dass ihr „der Bücherschrank neben der Uhr im Wohnzimmer“ tauglich scheine. Die Dose dort auch aufzustellen, kommt aber nicht infrage. Sonst denkt noch ein Besucher, dass da kürzlich „noch Wiener drin waren“. Von Mittwoch bis Freitag zwischen 13 – 17 Uhr ist das Archiv der Zukunft zugänglich und somit auch der Automat. Dass dieser auch in Zukunft immer befüllt wird, sicherte man seitens der FAC zu. Stefan Mehl hingegen sicherte zu, auch jenseits der Öffnungszeiten, dann und wann einen Interessenten zum Ziehen von Kunst ins Haus zu lassen.
