Ab dem 11. Juli bleibt die „Hauptpost“, wie das mehrstöckige weiße Gebäude an der Bamberger Straße bei Lichtenfelser noch oft genannt wird, geschlossen. Für immer. Eine Kreisstadt ohne Hauptpost? Versuch einer Annäherung.
Samstagmorgen, gegen 11 Uhr – und vor der Tür des hellen Gebäudes. 20 Sekunden - das wäre, wollte man hier die Zeit stoppen, die Taktung für das Öffnen und Schließen der Tür. Kunden kommen, Kunden gehen. Es ist nur eine Momentaufnahme, aber sie lässt ordentlich Frequentierung vermuten, zumal Menschen mit Briefen und Paketen an die Schalter im Inneren treten.
Der Grund, weshalb sich das Wort Post hier mit Anführungsstrichen versehen lässt, liegt in einem Umstand, auf den die Deutsche Bank AG aufmerksam macht. Das weiße Gebäude ist nämlich keine Post (die Deutsche Post betreibt seit 1995 keine eigenen Filialen mehr), sondern eine Filiale der Postbank, an der Postalisches eben miterledigt wurde - Brief, Pakete, etc. Die Postbank wiederum gehört zur Deutschen Bank AG. Fragen tauchen auf und werden per Mail in Richtung Postbank formuliert: Anzahl täglicher Briefkunden? Mitarbeiterzahl? Was passiert mit ihnen? Gab es Beschwerden bezüglich der Schließung?
Der Mann, der namentlich für die Antworten darauf einsteht, ist Oliver Rittmaier, Mediensprecher der Postbank in Bonn. Was er freundlich und umgehend in seinem Mail zur Sprache bringt, ist nicht immer das Beantworten einer konkreten Frage und vielleicht ist ihm das auch gar nicht möglich, aber mitunter wirken seine Sätze so, als stünden sie einer Rechtfertigung näher.
Hinsichtlich einer schon länger andauernden Veränderung im Kundenverhalten durch fortschreitenden Digitalisierung und einer damit einhergehenden geringeren Nachfrage nach stationärem Angebot, habe sich die Postbank entschieden, die Filiale in Lichtenfels zu schließen, erklärt er. Und weiter: „Die Postbank zieht sich vollständig aus diesem Standort zurück, das schließt die dort vorhandenen SB-Geräte mit ein. Die Postbank ist mit den Räumlichkeiten ihrer Filiale Mieter in der Immobilie, zu deren Zukunft kann ich deshalb keine Auskunft geben.“

Zu Entlassungen soll es nicht kommen, sehr wohl aber dazu, dass Stellen „sozialverträglich im Rahmen bestehender betrieblicher Vereinbarungen abgebaut“ werden. Über die Anzahl der Mitarbeiter dieser Filiale gebe man aus Gründen der Überfallprävention sicherheitshalber keine Auskunft. Zwar ging Rittmaier auch die Frage zu, wie viele Briefkunden es am Tag gab, aber in seiner Antwort macht der Mann deutlich, dass man bei der Postbank nicht die Kunden zähle, sondern die Art der Leistung, die von diesen Kunden nachgefragt wird.
Die Sache mit Dienstleistungen
„Für uns muss das Verhältnis zwischen reinen Serviceleistungen (zum Beispiel Postdienstleistungen, Bargeldauszahlung) und wertschaffendem Neugeschäft“ (…) stimmen.“ Die Rede ist von Bankprodukten, also von Krediten, Wertpapieren oder Versicherungen. Doch die Balance zwischen diesen Dingen scheint in Lichtenfels so nicht mehr gegeben zu sein. Kurzum: die Filiale sei unrentabel geworden.
Zurück zum Samstagvormittag gegen 11 Uhr. Eine Frau tritt aus der Filiale ins Freie und steigt die Treppen hinunter. „Hach, meina Nerven, meina Nerven“, flüstert sie vor sich hin, derweil Senior Heinz Völkel eine Briefsendung aufgibt. „Katastrophe“ nennt er den Weggang der Postbank und bemängelt die Informationspolitik der Postbank, die „bis auf den Aushang da“ wenig publik gemacht habe.
Ein Vorwurf, dem Rittmaier bestimmt vehement entgegentreten würde. In seinem Mail schrieb er, dass Kunden der Postbank „rechtzeitig per Aushang und persönlichem Anschreiben über die Schließung, die nächstgelegene Filiale der Postbank, die Partner-Filiale der Deutschen Post, die das Angebot an Postdienstleistungen übernimmt und die nächstgelegenen Möglichkeiten zur kostenfreien Bargeldversorgung informiert“ worden seien.
Wenig später steigt Irmtraud Holzmann die Stufen hinauf zu den Briefkästen am Eingang. Sie wäre so etwas wie der Beweis der Unrentabilität dieses Hauses, denn mit der Postbank verbindet sie nichts und genutzt habe sie den Postservice auch „keine zehn Mal im Jahr“. Sie merkt noch an: „Für mich ist es egal, ob ich die Post hier oder beim Lippert (Anlaufstelle für Postkunden, etwa ein Kilometer entfernt) aufgebe.“
Verwundert über Schließung
Ein bisschen anders sieht das Harry Schweigert. Für den 60-jährigen Lichtenfelser ist es „nicht nachvollziehbar“, wie „in einer Kreisstadt mit dieser Einwohnerzahl eine Poststelle schließen kann“. Was ihn verwundert, ist, dass man sich künftig als Postbank-Kunde bei „persönlichem Anliegen“ bis nach Coburg bemühen muss. Wie er das sagt, nähert sich Margarethe Bauer.

Sie ist Postbankkundin und stellt fest, dass, dadurch, dass sie in Altenkunstadt wohnt, es keinen Unterschied mache, ob sie in die Kreisstadt oder nach Coburg fahre – es sei alles ungefähr gleich nah. Sie sieht im Weggang der hiesigen Postbank für sich „keinen Schaden“.
Aus einem etwas anderen Blickwinkel begegnet Sabine Koch dem Postbank-Weggang. Die Frau betreibt einen Laden am Parkplatz gegenüber. „Ich bin kein Postbank-Kunde, aber ich finde, er (der Weggang) zieht Leute aus der Stadt.“ Das habe Auswirkungen auf den Handel. Sie selbst habe in dieser Woche zwei Briefe versendet und dabei um 9 Uhr morgens mitbekommen, dass vom Schalter aus „eine Schlange bis raus“ stand.
Laut ihr wäre es schön, wenn einer Kreisstadt so ein Dienstleister bliebe: „aber das ist eben der Lauf der Zeit“. Von diesem Lauf kann ein ehemaliger Postbote und Posthauptsekretär noch gut erzählen.
Er möchte nicht genannt werden (Name ist der Redaktion bekannt), aber den Lauf der Zeit hat er mitbekommen. Und findet ihn traurig. „Lichtenfels war ja Bahn- und Poststadt“, begründet er. Kommt er künftig an dem Gebäude, das seiner Erinnerung nach Mitte der 70er errichtet wurde, vorbei, wird ihn das schmerzen.
Noch 1996 feierte man hier „500 Jahre Deutsche Post (…) das war Paketumschlag, da haben viele Leute Pakete bewegt. 20 Güterwaggon sind Ende der 80er von Lichtenfels aus in alle Richtungen gefahren“. Allerdings, das räumt der Mann auch ein, habe es seinerzeit noch keine Mitbewerber wie UPS, German Parcel etc. gegeben. Und dann kommt dem einstigen Postler ein Begriff über die Lippen, der einer ganz fernen selbst erlebten Zeit entstammt: „Mondscheinbauern.“

Blick in die Post-Geschichte
So wurden unter hiesigen Postlern diejenigen genannt, die tagsüber in der Landwirtschaft und hernach mit Paketen gearbeitet haben, bis Mitte oder Ende der 80er der Paketumschlag in der Korbstadt zugunsten von Kitzingen aufgelöst worden sei. Versorgt, so Rittmaier, bleibt der Lichtenfelser Postbankkunde jedenfalls. Die nächsten Postbank-Filialen gibt es in Coburg und in Sonneberg.
Geldauszahlung im Supermarkt
Dort können Kunden sich zu Bankgeschäften beraten lassen und erhalten alle Dienstleistungen zwischen Baufinanzierung und Geldautomaten. Doch auch zwei Lichtenfelser Supermärkte würden Postbank-Kunden kostenfrei Geld auszahlen.