Die Gastgeberin kommt mit 15-minütiger Verspätung: Als Emmi Zeulner gegen 19 Uhr lächelnd, aber fast schon zaghaft den Saal des Gasthofs „Karolinenhöhe“ betritt, erheben sich die Wartenden von den Plätzen. Jubel brandet auf: Emmi Zeulner wird auch künftig Mitglied des Deutschen Bundestags sein. Mit 49,3 Prozent fährt sie in ihrem Wahlkreis Kulmbach/Lichtenfels sogar ein leicht besseres Ergebnis ein als im Jahr 2021 (47,77 Prozent).

Sogar 51,9 Prozent der Erststimmen sind es am Ende im Landkreis Lichtenfels. Zeulner wirkt erleichtert, gibt sich kämpferisch. „Wichtig ist, dass wir in Berlin nun einen Politikwechsel organisieren, damit wieder Zuversicht in unserem Land einkehrt“, fordert sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Der Wähler erwartet, dass wir nun liefern, um wieder Vertrauen zurückzugewinnen.“ Vertrauen sei für sie die Summe der gehaltenen Versprechen.
„Wir haben einen klaren Auftrag, ein klares Mandat in aufgeregten Zeiten.“
Emmi Zeulner (CSU), Mitglied des Deutschen Bundestags

Gerade in der Migrationspolitik müsse es nun ein Umdenken geben, ebenso aber in der Gesundheits- und Pflegepolitik. „Wir haben einen klaren Auftrag, ein klares Mandat in aufgeregten Zeiten“, stellte sie heraus. „Die Menschen wollen einen Politikwechsel.“
Wieder eine Große Koalition?
Mit einer möglichen Großen Koalition, also CDU/CSU mit Junior-Partner SPD, könne dies gelingen, so Zeulner, denn auch die SPD hätte sehr klar in den Bereichen Migration und Wirtschaft Position bezogen. Deutlich sprach sie sich am Wahlabend gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus: „Wir kämpfen darum, die Probleme aus der Mitte der Gesellschaft heraus zu lösen.“ Da seien die politischen Ränder keine Alternativen. Mit ernster Stimme und Blick auf das AfD-Ergebnis fügte sie an: „Wir haben noch eine Chance, diese Problemlösung mit aller Ernsthaftigkeit anzugehen. Ansonsten erleben wir bei der Wahl 2029 veränderte Verhältnisse.“

„Wir haben so sehr für die CSU als Zweitstimme gekämpft“, freute sich Emmi Zeulner über das erreichte Ergebnis von 40,2 Prozent. „Oberfrankens steht vor großen Herausforderungen, gerade in der Wirtschaft. Vor allem den Erhalt von Arbeitsplätzen nehme ich sehr ernst.“ Ein Schwerpunkt sei auch der Bereich Energiewirtschaft.
Wo es knapp wurde
In der Endabrechnung war Zeulner in allen Kommunen ihres Wahlkreises führend. Nicht überall war es so deutlich wie in Arnstein (70,1 Prozent) oder Mainroth (67,5). Dass beispielsweise im Wahllokal „Kath. Jugendheim Burgkunstadt“ AfD-Direktkandidat Sebastian Görtler fast ebenso viele Stimmen erhielt wie sie (30,3 zu 29,5) und bei den Zweitstimmen die AfD sogar mehr als die CSU (25,8 zu 31,3 Prozent), stimmte sie nachdenklich: „Ich habe mich mit einigen AfD-Wählern unterhalten, die nicht einmal den Namen des Kandidaten kannten. Es ist die Unzufriedenheit, die sich hier Bahn bricht“, analysierte sie. „Ich habe den Auftrag, für alle da zu sein, nach bestem Wissen und Gewissen.“ Auch in Woffendorf war es für Emmi Zeulner sehr knapp: 41,2 Prozent für sie, 36,9 Prozent für Sebastian Görtler (AfD) – und bei den Zweitstimmen gar nur 33,1 Prozent für die Christsozialen und 38,5 Prozent für die „Alternative“.
Freudentag mit Schönheitsfehler
Die Analyse des Lichtenfelser Landrats und CSU-Kreisvorsitzenden fällt zwiegespalten aus: „Es wäre so ein toller Tag und ich würde mich tierisch freuen, wenn das AfD-Ergebnis nicht wäre“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion.
„Es wird sehr darauf ankommen, wer sich wie zusammenrauft.“
Christian Meißner, Kreisvorsitzender CSU Lichtenfels
Nichts desto trotz sei das Resultat für Emmi Zeulner eine „Bestätigung ihrer aufopferungsvollen Arbeit, weshalb sie auch zehn oder noch mehr Punkte vor der Partei liegt. Das Ergebnis sucht seinesgleichen.“

Dennoch zeige das bundesweite Wahlergebnis, „dass Deutschland ein Problem hat. Es wird sehr darauf ankommen, wer sich wie zusammenrauft und ob man Zeichen setzen kann.“ Gerade auch in der Asylpolitik, denn „die Migration macht etwas mit den Menschen. Es wird eine Begrenzung brauchen, ohne natürlich das Asylrecht abzuschaffen. Auch müssen wir alles dafür tun, dass unsere Wirtschaft wieder anspringt. Wir finanzieren unser soziales Niveau nun einmal mit einer florierenden Wirtschaft.“

Seiner Partei diktiert Meißner ins Aufgabenheft: „Die Leute haben der Union eine Chance gegeben, Merz muss nun liefern, denn die Leute schauen genau hin.“
Enttäuschung über die Ampel
Enttäuschung herrscht bei der Wahlparty der Lichtenfelser SPD im Pub „Stadtknecht“ angesichts des historischen Verlusts ihrer Partei. „Dass das Ergebnis nicht sehr gut würde, hatte ich erwartet, aber nicht, dass es so schlecht würde“, sagt Direktkandidat Ali-Cemil Sat. Mit 8,8 Prozent der Erststimmen (2021: 14,2 Prozent) und 10,3 Prozent der Zweitstimmen (19,8 Prozent) im Landkreis Lichtenfels hat die Partei deutlich Stimmen verloren.
„Die Bürger waren verständlicherweise enttäuscht von der Politik der Ampelregierung und das konnten wir vor Ort nicht ausgleichen“, räumt Sat ein. Es herrsche eine Stimmung der Unsicherheit und es sei nicht gelungen, den Menschen ihre Ängste mit den Vorschlägen etwa zur Rente oder zu Verbesserungen für Arbeitnehmer zu nehmen. Die Diskussion über Migration habe alles überlagert. Dennoch sei es gelungen, gute Gespräche zu führen, darauf gelte es aufzubauen, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Über 3000 Kilometer habe er im Wahlkampf zurückgelegt, habe an Infoständen mit Bürgern diskutiert und an Haustüren geklingelt. Erschwert wurde der kurze Wahlkampf für Sat durch seine Prüfungen an der Uni, die er parallel absolvierte.
Die von Friedrich Merz geführte Union sei für ihn „kein Wunsch-Koalitionspartner“, gerade nach den Ausfällen des Kanzlerkandidaten, aber die SPD habe schon öfter die Verantwortung für Deutschland über die Parteiinteressen gestellt, sagt er zur Frage nach einem Koalitionspartner.
„Populismus und Lügen“
„Sehr bedauerlich“, kommentierte Direktkandidat Thomas Ochs das Ergebnis der Grünen. Mit 5,5 Prozent der Erststimmen (6,6 Prozent) und 6,5 Prozent der Zweitstimmen (8,3 Prozent) hat die Partei 2,7 Prozent weniger im Landkreis erzielt. Obwohl es bundesweit gelungen sei, die Stammwähler zu halten, sei es in Oberfranken schwieriger angesichts der Dominanz der CSU und des Erstarkens der AfD, die mit populistischen Parolen den Wahlkampf bestimmt hätten. „Das Grünen-Bashing war unerträglich und irgendwann setzt es sich in den Köpfen fest“, bedauert Ochs. Nicht nur die AfD habe mit Lügen und Unwahrheiten Stimmung gemacht, auch etwa Martin Schöffel beim Bauerntag mit der falschen Behauptung, die Landwirtwschaft sei CO2-neutral.

„Hinzu kommt dass die Themen Migration und Wirtschaft den Wahlkampf bestimmten und die Frage, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen, praktisch keine Rolle gespielt hat“, kritisiert er. Da sei die sehenswerte Bilanz von Robert Habeck als Wirtschaftsminister in den Hintergrund gedrängt worden. Außer den Grünen nahestehenden Wählern sei es schwer gewesen, andere Gesellschaftsgruppen zu erreichen. Und in Diskussionen sei deutlich geworden, dass es kaum gelinge, Menschen zu überzeugen, die AfD-Parolen verinnerlicht hätten.

Eine Regierungsbeteiligung mit der CDU/CSU unter Friedrich Merz werde schwierig: „Ich hoffe, die Union rafft sich dazu auf, Merz durch einen weitsichtigen und staatsmännischen Politiker zu ersetzen, mit dem man vernünftige Politik machen kann.“
AfD zweitstärkste Partei
Mit 21,7 Prozent der Erststimmen (10,6) und 23,6 Prozent der Zweitstimmen (11,5) im Landkreis Lichtenfels hat die AfD ihr Wahlergebnis verdoppelt. „Wir sind auch im Wahlkreis zweitstärkste Partei“, betont Direktkandidat Sebastian Görtler. „Damit kann man zufrieden sein.“ Da knallten im Büro des Landtagsabgeordneten Florian Köhler die Sektkorken, Görtler blieb allerdings beim Bier.

Die AfD habe mit ihrem Programm eine Antwort auf die Sorgen der Menschen gefunden, die „durch die fehlgeleitete Politik der vergangenen Jahre enttäuscht sind“, meint er. Die Sorge um die Sicherheit angesichts der Migration und die Frage, wieviel Geld am Ende des Monats übrig bleibe, hätten die Menschen umgetrieben. Gerade angesichts der Teuerung und höherer Kosten etwa durch die CO2-Abgabe. Das werde eine Koalition von Union und SPD noch verstärken. Dennoch werde die AfD auch Gesetzen der Union zustimmen, wenn sie inhaltlich richtig seien. Rund 2400 Kilometer habe er im Februar für den Wahlkampf zurückgelegt. Dabei habe die Partei vor allem auf Stammtisch-Diskussionen statt Haustür-Wahlkampf gesetzt.