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LICHTENFELS: Lichtenfels: Storch, Storch, Bester, bring mir 'ne Schwester

LICHTENFELS

Lichtenfels: Storch, Storch, Bester, bring mir 'ne Schwester

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    Storchentreffen auf der Altenkunstadter Kirche.
    Storchentreffen auf der Altenkunstadter Kirche. Foto: Andreas Motschmann

    Die Vorstellung, dass die kleinen Kinder der Storch bringt oder dass sie die Hebamme oder ein Verwandter aus einem nahen Teich oder Brunnen holt, ist über unser ganzes oberfränkisches Gebiet verteilt. Vor Generationen war die Hausgeburt das übliche, und Störche gab es am Obermain viele.

    Heute kommen fast alle Kinder in die Klinik auf die Welt. Im vergangenen Jahr wurden im Lichtenfelser Klinikum 412 Kinder geboren. Störche gibt es nicht mehr so viele. Laut Auskunft der engagierten LBV-Kreisgruppe Lichtenfels wurden 2024 im Landkreis 35 Storchenjunge und 34 Altvögel gezählt.

    Selbstverständlichkeit

    Beim Anblick der vielen Klapperstörche auf den Mainwiesen war es früher für kleine Kinder eine Selbstverständlichkeit, an den Storch als Kinderbringer zu glauben. Kam der Nachwuchs etwas überraschend und man musste dies erläutern, dann verwies man auf den Storch, der die Mutter so quasi, als hätte sie es gar nicht gewollt, ins Bein gebissen hat. Bilder in alten Kinderbüchern und Postkarten unterstreichen die Vorstellung vom Storch als Kinderbringer.

    Kinderlied

    Das bekannte Kinderlied verweist darauf:

    „Storch, Storch, Bester, bring mir eine Schwester.

    Storch, Storch, Guter, bring mir einen Bruder.“

    Das sangen die Kinder zum Reigen oder Tanz am Dorfplatz oder beim Gänsehüten.

    Dreimal in die Hände klatschen

    Die Kinder schlichen mit Vorsicht um den Kindleinsweiher, um ja nicht die vielen kleinen Kinder zu wecken, die angeblich auf Abruf darin schlummerten.

    Bildpostkarte um 1900 - Storch mit Säugling.
    Bildpostkarte um 1900 - Storch mit Säugling. Foto: Repro: Wikipedi

    Wünschte man sich ein Geschwisterlein, sollte man am Weiher dreimal in die Hände klatschen und leise seinen Wunsch dort vortragen. Es soll Eltern gegeben haben, die ihre bereits vorhandenen Sprösslinge dem Weiher ihren Wunsch erst vortragen ließen, wenn der Nachwuchs schon unterwegs war, da man doch wollte, dass er „gewünscht“ wurde.

    Im Hintergrund der Vorstellung, Kinder ließen sich aus dem Weiher abrufen, steht der Volksglaube, alles Leben komme aus dem Wasser. Hier kommt der Storch als Kindleinsbringer hinzu. Der Storch fischt den gewünschten Nachwuchs aus dem Weiher. Auf einem mittelalterlichen Holzschnitt ist zu sehen, dass der Storch Frösche aus dem Teich fischt, die eine Ähnlichkeit mit kleinen Kindern haben.

    Zucker auf das Fensterbrett legen

    Der Autor dieses Beitrags wünschte sich als jüngster von drei Brüdern verständlicherweise eine kleine Schwester. So legte er über Monate jeden Abend einen Zuckerwürfel auf das Fensterbrett des Küchenfensters. Nach Monaten bekam er eine Schwester. Sein kindlicher Glaube wurde belohnt.

    Ursula denkt an Tante Reta, die Hebamme in Mistelfeld und den Nachbardörfern war. Beim Besuch hat die Tante immer von dem großen Regenfass erzählt, aus dem sie die Babys geholt hat. Ursula hat das lange geglaubt. Den Brauch vom Zucker-auf-das-Fensterbrett-Legen kennt sie ebenso: „Als ich meine zweite Tochter bekam, wollte die Freundin meiner ältesten Tochter auch ein Baby haben; so hat sie heimlich ein Paket Würfelzucker auf das Fensterbrett gelegt. Das Fenster ging zur Hauptstraße raus und das Gelächter der Vorbeikommenden war groß. Doch es hat gewirkt, sie bekam bald eine Schwester. Heutzutage wissen die Kinder schon frühzeitig Bescheid und lachen die Oma aus, wenn sie etwas vom Storch erzählt.“

    Liane aus Prügel bei Altenkunstadt erzählt: „Ich denke mal, dass meine Mama schon schwanger war, als ich den Zucker hinauslegte, da nicht lange darauf mein Bruder geboren wurde. Ich hatte mir ja eine Schwester gewünscht. Und da ich nur losen Zucker aufs Fensterbrett gelegt habe, dachte ich, es hat nicht geklappt und ich bekam nur einen Bruder. Bei einem Würfelzucker wäre es bestimmt eine Schwester gewesen.“

    Warum war Stammhalter wichtig?

    Ein Stammhalter war über Generation wichtig, speziell für den Vater. Der erstgeborene männliche Nachkomme eines Ehepaares sollte den Namen und somit die Familientradition fortführen. Das war für Adelsfamilien, Familienbetriebe und Bauernhöfe in gleicher Weise von Bedeutung.

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    Mittelalterlicher Holzschnitt: Der Storch fischt Frösche aus dem Teich, die eine starke Ähnlichkeit mit kleinen Kindern haben.
    Mittelalterlicher Holzschnitt: Der Storch fischt Frösche aus dem Teich, die eine starke Ähnlichkeit mit kleinen Kindern haben. Foto: Repro aus Buch: Deutsche Volkskunde von Richard Beitl

    o wundert es nicht, dass sich so mancher Vater vor Generationen vor der Zeugung seine Gedanken machte. Wer die Absicht hegte, einen Buben zu zeugen, musste in der Vollmondnacht dreimal gegen den Uhrzeigersinn ums Haus laufen.

    Wenn auch im 21. Jahrhundert kein Kind Zuckerstückchen auf das Fensterbrett legt und keine Sprüche dazu kennt: Die Bilder vom Storch als Kinderbringer sehen wir heute noch auf Glückwunschkarten zur Geburt. Das ist weltweit verbreitet, so zum Beispiel auch in Südamerika, wo der Autor dieser Zeilen seit längerem lebt.

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