Bringt die künstliche Intelligenz (KI) Gefahren mit sich? Seit langem beschäftigt sich die Menschheit mit der KI und ihren möglichen Folgen. Dabei wird manche Angst geäußert. Für manche scheint die künstliche Intelligenz ein Teufelsding zu sein. Zukunftsängste haben uns schon immer begleitet. Die meisten Menschen scheuen das Neue. Das war im 19. Jahrhundert nicht anders. In den Dörfern und Städten am Obermain kamen zum Beispiel beim Bau der Eisenbahn Ängste auf.
Die Jugenderinnerungen des jüdischen Burgkunstadter Bürgers Siegmund Oppenheimer aus dieser Zeit sind glücklicherweise erhalten. Im Büchlein „Wisse, vor wem du stehst …!“ hat der im Jahr 1858 geborene Zeitzeuge seine Erinnerungen niedergeschrieben. In einem Kapitel beschäftigte er sich mit dem Eisenbahnbau und den Ängsten der Burgkunstadter. Durch den Bau der Eisenbahnlinie Burgkunstadt-Kulmbach und deren Eröffnung am 15. Februar 1846 wurde ein wichtiger Schritt zur Industrialisierung getan.

Mit der Inbetriebnahme der sechs Kilometer langen Bahnstrecke von Nürnberg nach Fürth 1835 beginnt Bayerns Eisenbahngeschichte. 1844 wurde die 61 Kilometer lange Strecke von Nürnberg nach Bamberg eröffnet. 1843/44 begann der Bau von Bamberg nach Lichtenfels. Am 15. Februar 1846 fuhr um 6.45 Uhr der erste Personenzug von Lichtenfels nach Bamberg. Die Ludwig-Süd-Nord-Bahn wurde zwischen 1843 und 1854 abschnittsweise gebaut und führte von Lindau über Augsburg, Nürnberg, Bamberg, Lichtenfels und Kulmbach nach Hof. Die Strecke von Lichtenfels, über Burgkunstadt, Kulmbach nach Neuenmarkt-Wirsberg wurde am 15. Oktober 1846 eröffnet.
Anfängliche Ängste der Einwohner gegen die dampfenden Lokomotiven beschreibt Oppenheimer: „Obwohl im Jahre 1846 die Eisenbahnstrecke Hof-Bamberg eröffnet wurde, schien ein großer Teil der Einwohner unseres Städtchens mit Ausnahme der aktiven Kaufleute keinen besonderen Gebrauch davon zu machen. Ein Teil der Bürger hielt sie sogar für Teufelswerk, der älteren Generation schien diese Entwicklung nicht geheuer zu sein. Einwohner, die erst im Laufe der siebziger Jahre starben, hatten nie eine Fahrt mit der Bahn gewagt, manche haben nicht einmal den Bahnhof betreten.“
Ein weiterer Zeitzeuge, Heinrich Schaumberger, widmet in seinem Buch: „Im Hirtenhaus – Eine Oberfränkische Dorfgeschichte“ (Erstausgabe 1876) dem Eisenbahnschrecken ein Kapitel.

Hier hatten die Einwohner in den Dörfern vor den großen Veränderungen beim Bau Angst. Wer sind die zahlreichen Arbeiter, die für lange Zeit unsere Ruhe stören werden? Sind die Sitten und die Ordnung noch gewährleistet? Einige stellten sich die Eisenbahn als Schlitten vor, der Sommer wie Winter über spiegelglatte Eisenschienen saust. Ein Dorfbewohner sagte: „Gott behüt und bewahr uns in Gnaden! Ein Wagen, der plustert, und Rauch, der stößt! Hat man je so was erlebt? Und was solch ein verfluchter Feuerwagen für Holz fressen mag?“
Die beschriebenen Ängste wurden an vielen Orten geteilt. Als 1835 die Bahnstrecke von Nürnberg nach Fürth in Betrieb genommen wurde, rief der Pfarrer von Schwabach: „Die Eisenbahn ist ein Teufelsding“ von der Kanzel. Höllische Angst befiel viele: Der Qualm vergifte Fahrgäste und grasendes Vieh. Der Fahrtwind führe zu Lungenentzündungen.

Einige Ärzte prophezeiten, das rasende Tempo werde Gehirnverwirrung zur Folge haben. Das „rasende Tempo“ des Dampfrosses betrug gerade mal 23 Kilometer pro Stunde. Heute erreicht der ICE auf Schnellfahrstrecken Höchstgeschwindigkeiten zwischen 230 und 300 Stundenkilometer.
Heute belächeln Leserinnen und Leser die Ängste vor über 150 Jahren. Ängste vor Folgen des Fortschritts heute sehen anders aus: Den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren und durch eine Maschine ersetzt zu werden, bleibt bis heute ein zentraler Punkt bei der Skepsis gegenüber neuen Technologien. In der Angstforschung ist die Unwissenheit ein großer Skepsis-Treiber. Bei KI kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Die Angst, dass ein losgetretener Prozess nicht mehr kontrolliert oder gesteuert werden kann.
Übrigens, am Obermain gehört der dampfende Feuerwagen seit 50 Jahren der Vergangenheit an. Die letzte Dampflok rollte am 11. Januar 1975 von Lichtenfels nach Hof.