18:4 – so lautete das Ergebnis einer ersten Demokratie-Erfahrung in der Klasse 2b. Demokratie? 2b? Grundschule? Was am Montag an der Dr.-Roßbach-Grundschule stattfand, war auf seine Weise einmalig. Das aber doch wiederum lediglich als Umsetzung einer für ganz Bayern geltenden Neuerung im Schulgeschehen.
Die Order kommt aus München, vom dortigen Bayerischen Staatsministerium für Kultus und Unterricht und heißt Verfassungsviertelstunde. Und nun?
Nun steht Ferdi im Pausenhof. Zwei Meter lang, aus Holz und offensichtlich ein Chamäleon. Der das zuwege brachte, ist Thomas Reich. Man kennt den Pastoralreferenten am Obermain auch als Skulpteur, als jemanden, der es schafft, aus Baumstämmen Geschichten zu sägen, zu stemmen, zu schleifen.
Ein Ort für Freundschaft
Gemeinsam mit allen Schülern, den jeweiligen Klassleitern und Schulleiterin Pia Löffler stand er im Pausenhof und genoss sichtlich so ein bisschen das allgemeine Staunen darüber, was seine Fantasie und seine Hände vermochten. „Das Chamäleon war schon im Stamm, ich habe es nur noch herausgesägt“, sagte er.
Der Mann variierte ein Zitat von Michelangelo. Was sein Ferdi ist und kann: eine Bank sein, eine „Freundschaftsbank“ sogar. Wer sich von den insgesamt 280 Schülern zwischen den Klassen 1a und 4c künftig während seiner Pausen auf diese Bank setzt, signalisiert etwas: Sprich mich an und spiele mit mir!
Früh mit Demokratie befassen
Die Freundschaftsbank steht im Zusammenhang mit einem Sozialkompetenztraining für Schulkinder. So weit, so noch unberührt von Demokratie. Was dann folgen sollte, war die Begegnung mit Demokratie per Wahlzettel im Rahmen der Verfassungsviertelstunde. Was bürokratisch klingt, gelang „in der Erlebniswelt der Schüler“, so Löffler. Die Schulleiterin gibt zu, zunächst mit der Vorgabe der allwöchentlichen Verfassungsviertelstunde gefremdelt zu haben. Aber was ist eine Verfassungsviertelstunde?
Wer auf die Seite des Bayerischen Kultusministeriums geht, kann es dort im Amtsdeutsch lesen: „Die Verfassungsviertelstunde ergänzt als neues Element der Politischen Bildung das Gesamtkonzept für die Politische Bildung an Bayerns Schulen. Die Schüler (…) setzen sich anhand aktueller und lebensnaher Beispiele mit zentralen Werten des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung auseinander ...“
Jetzt, seit Beginn des Schuljahres 24/25, habe man sich also auseinanderzusetzen. Einmal wöchentlich für 15 Minuten. Was sinnvoll klingt, stellt Lehrkräfte künftig auch vor die Herausforderung, diese Viertelstunde dementsprechend zu gestalten. Wöchentlich. Zurück zur Bank und zur Demokratie in der „Lebenswirklichkeit der Kinder“, wie Löffler es ausdrückte.
Demokratie erfuhren die Kinder nun erstmals mit Klassensprecherwahlen in den drei ersten und drei zweiten Klassen. Doch was Ferdi bevorstehen könnte, darüber sollen die Schüler auch abstimmen. Soll er naturbelassen bleiben oder gar farbig werden? Der Lehrplan sollte es an diesem Tag nicht zulassen, dass alle Klassen zur selben Zeit abstimmen konnten, aber eine Klasse bekam Gelegenheit.
Carolin Hartmann, Lehrerin der 2b, sollte somit nach ihrer Rückkehr vom Pausenhof nicht nur Demokratie-Erklärerin werden, sondern auch zu einer Wahlaufsicht. Jetzt stand die Frage an, ob man eine geheime Wahl oder eine Wahl per Handzeichen haben wolle. Die Kinder entschieden sich für geheime Wahlen und so wurden die Federmäppchen verspielt zu Grenzzäunen, und der Spaß am Ernst der Geheimnistuerei war den Schülern anzumerken.
Dann wurden die Wahlzettel ausgeteilt und bald auch wieder eingesammelt. Was die Schüler lernten, war zweierlei: Wenn ich überstimmt werde, habe ich das hinzunehmen und wenn ich wähle, bin ich wirksam. Das Votum für Ferdis Farbigkeit fiel deutlich aus. Ungültige Stimmen gab es keine.