Der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel haben dazu geführt, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien forciert wird. Wer sich den aktuellen Regionalplan des Planungsverbands Oberfranken-West anschaut, entdeckt allerdings relativ wenig Vorranggebiete für Windkraft im Landkreis Lichtenfels. Dass sich das wohl ändern wird, zeichnete sich auf der Sitzung des Planungsverbands am Donnerstag im Bamberger Landratsamt ab.
Denn am 1. Februar 2023 tritt das Windflächenbedarfsgesetz in Kraft. Es schreibt vor, dass bis 2032 in ganz Deutschland zwei Prozent der Fläche für Windkraftanlagen ausgewiesen werden, erläuterte Rainer Veit, leitender Ministerialrat im bayerischen Wirtschaftsministerium. Die Länder erhalten vorgegeben, wie viele Flächen sie beitragen müssen. In Bayern sollen es 1,8 Prozent sein, davon 1,1 Prozent bis 2027. Bis 31. Mai 2024 müssen die regionalen Teilflächenziele fortgeschrieben sein.
„Wir haben einen guten Regionalplan. Wir sollten uns den nicht zerschießen lassen, indem wir die Vorgaben nicht einhalten.“
Johann Kalb, Vorsitzender des Planungsverbands
Die Bundesregierung macht ordentlich Druck, dass sich die Länder an diese zeitlichen Vorgaben halten. Tun sie es nicht, so betonte Veit, werde die 10H-Regel komplett gestrichen, dazu jetzt noch festgeschriebene Ausschlussflächen und die Konzentrationswirkung in Flächennutzungsplänen. Und zwar in den Regionen, die die Fristen nicht eingehalten haben. Davor warnte der Bamberger Landrat und Vorsitzende des Planungsverbands, Johann Kalb: „Wir haben einen guten Regionalplan. Wir sollten uns den nicht zerschießen lassen, indem wir die Vorgaben nicht einhalten.“
Wie die 1,8 Prozent aufs Land verteilt werden, ist laut Ministerialrat Veit noch offen. Er zeigte sich skeptisch, dass alle Regionen diese Menge beisteuern können. Dafür bedürfe es einer Potenzialanalyse. Oberfranken-West hat bereits 0,7 Prozent Fläche für Windkraft vorgesehen. Der Ebensfelder Bürgermeister Bernhard Storath findet, die Region sei auf einem guten Weg. Wenn jetzt die Staatsregierung überlegt, eine Spreizung anzuwenden, also den einzelnen Regionen unterschiedlich große Prozentzahlen aufzuerlegen, dann könne es passieren, dass Oberbayern wieder „draußen“ ist, merkte er allerdings kritisch an.

Kalb wiederum meinte, jeder solle das beitragen, was er könne: „Bei uns ist mehr Wind, im Süden haben sie mehr Grundwasser.“ Auf jeden Fall hielt er es für richtig, als Ziel 1,8 Prozent anzupeilen, also „gleich den großen Aufschlag“, anstatt sich mit Zwischenzielen zu beschäftigen oder auf die Vorgabe aus München zu warten. Deshalb habe der Planungsverband die Kommunen gebeten, mögliche Flächen zu melden. Der Verband werde aber auch selbst aktiv und nehme eine Potenzialanalyse vor. Bis Mitte Januar solle den Kommunen das Ergebnis dieser Analyse vorliegen.
Sicherstellen, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt
Für die Bewertung der so ermittelten Potenzialflächen veranschlagt Regionsbeauftragter Harald Fleischmann etwa ein Jahr. Das heißt, Anfang 2024 beginnt das Anhörungsverfahren, und bis 2025 soll dann ein verbindlicher überarbeiteter Regionalplan vorliegen. Damit will der Planungsverband weit unter dem festgesetzten Zeitplan der Bundesregierung bleiben. Mit gutem Grund: Die Kommunen sind natürlich daran interessiert, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. „Wer noch keine Pläne für Vorranggebiete hat, der sollte das tunlichst ändern, bevor Investoren darauf aufmerksam werden“, riet denn auch Fleischmann.
In die gleiche Kerbe hieb Kalb, der auf Nachfrage Storaths riet, Rahmenvereinbarungen mit Grundstücksbesitzern abzuschließen. „Die Eigentümer können schließlich verkaufen, an wen sie wollen.“ Die Kommunen sollten sich möglichst schnell Gedanken machen und im Zweifelsfall Flächen für sich sichern.
Aber welche sollen das sein? Schließlich sind alle, die in Frage kommen, doch schon im aktuellen Regionalplan verzeichnet? Da muss man zum einen präzisieren: Der Regionalplan enthält vor allem Vorranggebiete für Windkraft. Wie Ministerialrat Veit erläuterte, können für die 1,8 Prozent aber auch Baugebiete in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen sowie Vorbehaltsgebiete angerechnet werden. Bedingung sei allerdings, dass die Masten der Windräder auch auf der Grenze des ausgewiesenen Gebiets stehen, die Rotoren also auch in den Bereich daneben schwingen dürfen. Bei neu ausgewiesenen Flächen dürfe es außerdem keine Höhenbeschränkung mehr geben.
Die 10H-Regel wird aufgeweicht: Was seit Mittwoch gilt
Künftig seien Windenergieanlagen auch in Landschaftsschutzgebieten erlaubt. Zudem hat Bayern Änderungen zum Geltungsbereich der 10H-Regel beschlossen, die seit Mittwoch in Kraft sind: Jetzt muss nur noch ein Abstand von 1000 Metern zu Wohnbebauung eingehalten werden. Windkraftanlagen sind außerdem im Umfeld von Industrie- und Gewerbegebieten möglich, entlang bestimmter Verkehrsflächen, im Wald oder auf Militärflächen. Regionsbeauftragter Fleischmann ergänzte, dass es auch Änderungen im Naturschutzgesetz gegeben hat. So gelte etwa ein Schwarzstorch-Vorkommen nicht mehr als Ausschlusskriterium. Damit könnten viele Flächen, die bisher nicht zur Debatte standen, jetzt in Frage kommen.
Eine zentrale Rolle spielt die Windhöffigkeit, damit sich eine Anlage rentiert. Dabei werde von einem Wert von fünf Metern pro Sekunde ausgegangen. Zwar werden sich die durchschnittlich gemessenen Windstärken seit der Erstellung des aktuellen Regionalplans nicht groß geändert haben. Aber die Windräder sind höher geworden. Damit tragen sie dem Rechnung, dass die Windgeschwindigkeit mit der Höhe über dem Boden zunimmt. Deshalb könnten jetzt Flächen in Frage kommen, die bisher ausgeschlossen waren. Der Lichtenfelser Bürgermeister Andreas Hügerich fragte dazu nach, ob es möglich wäre, den Kommunen ein Vorkaufsrecht einzuräumen, wenn die Bayerischen Staatsforsten Flächen an Anlagenbetreiber veräußern wollen. Verbandsvorsitzender Kalb entgegnete, dass die Staatsforsten verpflichtet sind, Verkaufsflächen auszuschreiben. Hier sei ein Vorstoß auf politischer Ebene notwendig. Er werde das Anliegen an die Regierung herantragen.
Bayerischer Windatlas: Unter www.energieatlas.bayern.de kann man sehen, wie sich die Menge der nutzbaren Gebiete mit der Höhe ändert.