Drei Tage, 33 Bands und ausverkauft. Der Weltenbrand, das bedeutet das Wort Ragnarök so ungefähr, liegt hinter der Korbstadt. Einmal mehr zog es über 4000 Metal-Fans aus Deutschland und Europa auf das Schützenfestgelände. Doch was sind das für Menschen, die sich so düster kleiden und finster geben? Beim Rundgang über das Festivalgelände erfährt der Reporter Schicksale und erlebt witzige und Begegnungen.

Hunderte von Flaschen stehen auf dem Boden neben den beiden blauen Mülltonnen. Es ist der „Trashpoint Charlie“, wie ein Security-Mitarbeiter diese Anlandestelle für all das Glas nennt, das die Besucher aus Sicherheitsgründen nicht mit auf das Festivalgelände nehmen dürfen. Die Anspielung auf den einstigen Berliner Grenzübergang zeigt den Humor der Wachleute. Den verlieren sie auch dann nicht, wenn sie an ihre Zwölf-Stunden-Schichten denken und neben tonnenschweren Stahlbeton-Blöcken stehen, die mögliche Amokfahrer ausbremsen sollen. Solche Vorkehrungen brauchte es vor Jahren nicht.

Hightech-Bierdosenkühlung
An einem der Wohnmobile steht ein Schild mit der Aufschrift: „Dosen-Schnellkühlung“. Irgendein Spaßvogel hat noch „Gratis“ dazugeschrieben, aber das wurde von den Leuten, die hier fröhlich campen und grillen, durchgestrichen. Auf Nachfrage tritt Roman Scheucher (48) aus Graz in Erscheinung. Ein Elektrotechniker aus dem Prototypenbau, der für seine selbstgebaute Kühlmaschine „sieben Doppelkernprozessoren“ verbaut hat. 70 Dosen pro Stunde könne diese Maschine bei 200 Umdrehungen pro Minute kühlen. Dann spricht er noch von Canbus-Technik und davon, dass diese Maschine nicht in Serie gehen könne.

Links vor der Stadthalle steht ein umgebauter Reisebus. Eine fröhliche Truppe aus Bad Staffelstein hat sich dieses aus dem Linienverkehr ausgemusterte Gefährt zum Festival-Tourbus umgebaut. Aber die jungen Leute mögen gerade nicht darüber reden.
Mama ist Metal-Fan
Dajana Hanto ist da anders. Wie die meisten Festivalbesucher ist sie dunkel gekleidet, tätowiert und steht auf Heavy-Metal, Black Metal und Pagan Metal. Sie kommt aus der Hofer Gegend, ist bald 50 und sitzt im Rollstuhl. Nicht in ihrem, sondern in dem ihres Sohns Tim. Tim ist 21, kann nicht sehen, nicht sitzen, nicht stehen und kaum sprechen. Er leidet unter Periventrikuläre Leukomalazie. Doch er ist fröhlich und genießt das Wummern der Bässe, das von der Stadthalle herüberschallt. Dazu klopft ihm seine Mama immer wieder neckisch auf die Brust, weil der Bub ja „Männerschnupfen“ hat, wie er selber sagt.

Er ist fröhlich und wollte seine Mama, die seit Mittwoch hier ist, mal besuchen. So fuhr ihn Intensivpfleger Nicolas hierher und nun liegt er in einem Bett neben Mama, die im Rollstuhl Platz genommen hat. Die beiden herzen sich unentwegt und es ist ein Bild voller Liebe, zu dem die Bässe wummern. „Die Geräusche findet er toll“, sagt seine Mutter. „Er war schon oft auf Konzerten und steht gerne ganz vorne“, berichtet sie.

Beamtinnen beim Armdrücken
Hinter der Stadthalle, auf dem Gelände, auf dem die meisten Besucher campen, findet ein Armdrücken statt. Auf einem Kinderspieltisch, umgeben von sie anfeuernden Freunden und Festivalbesuchern, ringen Sunny und Franzi um den Sieg beim Armdrücken. Die beiden Frauen sind aus Thüringen, die eine ist schon verbeamtet, die andere wird es bald. Sunny zieht den Kürzeren, hält aber fest, dass sie, wäre es um die Disziplin Biertrinken gegangen, gewonnen hätte. „Dann hätte sie keine Chance gehabt“, erklärt die dreifache Mutter ausgelassen.

Und dann zieht sie Fabian an ihre Seite, ihren 36-jährigen Ehemann. Vor elf Jahren sind sie zusammengekommen – beim Ragnarök. „Und es war genau wie heute der 26. April und ein Samstag“, schiebt Sunny noch nach. Dann geben sich die beiden einen Kuss und zeigen ihre Eheringe. Die haben die beiden Thüringer selbst geschmiedet.

Ragnarök bedeutet Geschichten und man fragt sich, wie viele der über 4000 Besucher solche zu bieten haben. P. hat eine solche auf jeden Fall. Er ist bald 60 Jahre alt, kommt aus Baden-Württemberg und genießt Informantenschutz. Alljährlich sammelt er auf diesem Festivalgelände Pfanddosen. 1500 Euro Gesamtwert sind diesmal zusammengekommen. Er könne das Geld gut gebrauchen, vielleicht wolle er mal in Portugal leben, sagt er.