22 Jahre lang stand Roberto Bauer (70) ehrenamtlich als Kreisvorsitzender des Handelsverbands Bayern (HBE) im Dienste des Einzelhandels. Jüngst waren Neuwahlen: Er gab seinen Posten in jüngere Hände. In einer in Bayreuth verfassten Pressemitteilung des HBE wurde das gewürdigt. Es kam auch zu einer kleinen Feierstunde, bei der dem Mann die Goldene Ehrennadel überreicht wurde.
Seit 35 Jahren führt er den Modeladen in bester Lage
Doch wer ist der Mann, dem die ehrenden Worte bescheinigten, „großes Fachwissen“ zu besitzen und „für wertvolle Impulse“ gesorgt zu haben? So viel weiß man über ihn eigentlich nicht, außer dass er schon seit 35 Jahren einen Modeladen in bester Lage führt, mit 16 Jahren eine Boutique leitete, vor vielen Jahren das Stadttorfest ins Leben rief und sich für klassische Musik in der Korbstadt stark macht. Ein kleiner Besuch mit kleinen Impressionen und einem größeren Interview.
Roberto Bauer macht sich so seine Gedanken. Er weiß um den Interview-Termin und hat sich vorbereitet. Er glaubte, es ginge ums Ganze, ums Große und Ganze und vielleicht auch ein bisschen um die Stadt Lichtenfels. Seine Stadt Lichtenfels und das, obwohl er coburgisch ist. Aber hier ist er ein Kind der Striwa (einstmaliges Lichtenfelser Modehaus) gewesen, und hierher fährt er täglich ein und täglich heim.
Gedanken in vornehmer Schrift notiert und sortiert
Er bietet wahlweise einen Espresso oder Cappuccino an. Wie so oft zwischen April und Oktober trägt er keine Socken in den Schuhen. Man setzt sich an einen Tisch. Und es zeigt sich, dass der Mann sich zwei Zettel parat gelegt hat, mit handschriftlichen Notiz. Gemachte Gedanken eben, die einer Gliederung unterliegen und zu denen es Unterstreichungen gibt. Es sieht nach Sortierung und Bündigkeit aus.
Und wer weiß, vielleicht wäre auch die Schrift selbst für einen Graphologen interessant, denn sie wirkt vornehm und mit leichter Rückenlage. Es gibt da die Kategorie „Früher“ und die Kategorie „Heute“.

Worum sich die Gedanken Bauers drehen, ist das Wesenhafte einer Stadt, das was sie zu unterschiedlichen Zeiten sein sollte. Einst stand sie für Handel und Produktionsstätte, für Dienstleistung, Gastronomie, Wohnen und Büros. Heute habe sie Aufenthaltsqualität und Freizeitangebote zu bieten, sie stehe freilich für Gastronomie und Wohnen und Arbeit. Aber sie habe auch sinnlich zu sein.
„Die Menschen wollen wieder das Markterlebnis, wollen sehen, riechen, fühlen und hingehen, wo was los ist.“
„Die Menschen wollen wieder das Markterlebnis, wollen sehen, riechen, fühlen und hingehen, wo was los ist“. Eine Stadt habe Identität zu finden, organisch zu sein und nicht am Reißbrett zu entstehen. Vor allem aber, da ist sich Bauer sicher, werden Städte künftig in Konkurrenz zueinander treten. Ausblicke, Rückblicke und Einblicke eines 70-Jährigen, der sich zum stationären Handel bekennt und Bücher von Zukunftsforschern liest.
Obermain-Tagblatt: Lebensmotto?
Robert Bauer: Ich beschäftige mich mit der Zukunft, denn die Zukunft ist die Zeit, in der wir leben werden.
Auf welche Leistungen als Kreisvorsitzender sind Sie besonders stolz?
Bauer: Auf welche Leistungen ich stolz sein darf, das sollen andere bewerten. Ich komme vom Sport (Fußball), und da ist ja Teamgeist ein Thema.
Was sind Ihre liebsten Erinnerungen an 22 Jahre Ehrenamt?
Bauer: Wenn sich Menschen wider Erwarten zugänglicher und freundlicher gezeigt haben als angenommen. Und als wir gegenüber der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) im Rathaus Standpunkte zum geplanten LIF Center aufzeigten, die nicht widerlegt werden konnten. Meine Sicht war es ja, dass gewisse Geschäfte eher auf ein Areal unweit der Innenstadt gehörten.
Was gehörte eigentlich zu Ihren Aufgaben?
Bauer: Bei Problemen (rechtliche Geschichten, Mietangelegenheiten etc.) Ansprechpartner für Händler des Kreises zu sein. Für manche Belange hatte ich flankierend auch eine Justiziarin. Es galt auch, den Einzelhandel gegenüber Verbänden und Politik zu vertreten.
Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht eigentlich das Ehrenamt?
Bauer: Ganz wichtig, weil man (im Regelfall), wenn man sich einbringt, vom Fach kommt. Andere sind nur Lobbyisten. Ich weiß, wovon ich rede. Ehrenamt ist gesellschaftlicher Kitt.
Wie groß war all die Jahre Ihr zeitlicher Aufwand dafür?
Bauer: Mit Fahrtzeiten wohl ein Tag in der Woche.
Erinnern Sie sich noch an eine Lokalnachricht vom Tag Ihres Ehrenamtsantritts?
Bauer: Die Eröffnung der WEKA.
Wo war all die Jahre der Ort für Ihre besten Ideen?
Bauer: Richtig gute Ideen bekomme ich im Auto. Und im Gespräch - dann macht' s Bumm.
Wie ist Roberto Bauer eigentlich privat? Jemals in zerrissenen Hosen den Müll rausgebracht?
Bauer: Klar.
Lieblingslied?
Bauer: Nights in white Satin (Moody Blues, 1967).
Wie lange möchten Sie eigentlich noch arbeiten?
Bauer: So lange es mir Spaß macht.
Welche Signale nehmen Sie aus dem stationären Handel für die Zeit nach Corona wahr?
Bauer: Der Online-Handel ist ein Wettbewerber – nicht mehr und nicht weniger.
Keine Resignation?
Bauer: Natürlich auch. Aber auch eine Offenheit für die Sicht, dass man gegenüber dem Internet wirklich echte eigene Stärken hat. Die liegen in der eigenen Individualität, die aber muss man als Laden herausarbeiten.
Corona befeuert gerade den Online-Handel. Wie groß ist das Ausmaß?
Bauer: Es ist ein vorübergehendes Phänomen. Alles hat seine Zeit. Und auch die jetzige wird vorübergehen.
Was haben Sie Ihrem Nachfolger als Kreisvorsitzendem (Christian Werner) mit auf den Weg gegeben?
Bauer: Er soll sich nicht verstellen und seinen Gedanken freien Lauf lassen. Und den Mut haben, sie zu präsentieren. Ich stehe ihm immer zur Verfügung.
Sind Sie eigentlich auf Roberto oder auf Robert getauft?
Bauer: Ich heiße tatsächlich Roberto.
Handelsverband Der Handelsverband Bayern ist die unternehmenspolitische Interessenvertretung des bayerischen Einzelhandels. Mit 60 000 Betrieben, 335 000 Beschäftigten und über 40 000 Ausbildungsplätzen ist der Einzelhandel nach Industrie und Handwerk der drittgrößte Wirtschaftszweig in Bayern.