Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS: Rund 4000 Besucher beim Festival „Ragnarök“ – ein Blick hinter die Kulissen

LICHTENFELS

Rund 4000 Besucher beim Festival „Ragnarök“ – ein Blick hinter die Kulissen

    • |
    • |
    Symbolisch unzweifelhaft war die Band „Sagenbringer“. Ihr Bühnen-Wikingerschiff ist ein Bekenntnis.
    Symbolisch unzweifelhaft war die Band „Sagenbringer“. Ihr Bühnen-Wikingerschiff ist ein Bekenntnis. Foto: Markus Häggberg

    „Das Ende der Zeit ist nahe – kalt und dunkel. Bist du bereit für das, was dich erwartet?“ Mit diesen Worten begrüßte ein Sprecher mit düsterer Stimme in englischer Sprache all jene, die sich den Video-Trailer auf der Webseite des Ragnarök-Festivals ansahen. Das Ende der Zeit dauerte nur drei Tage, vom 4. bis zum 6. April, in und rund um die Stadthalle in Lichtenfels.

    Autoreifen werfen zwischen den Zelten – an kreativem Zeitvertreib mangelte es nicht.
    Autoreifen werfen zwischen den Zelten – an kreativem Zeitvertreib mangelte es nicht. Foto: Markus Häggberg

    Der Weltenbrand („Ragnarök“) wurde entfacht – zumindest musikalisch. Zum 15. Mal in der Korbstadt, davor schon einmal in Hollfeld und einmal in der Ostbayernhalle von Rieden/Kreuth. Es ist ein alljährlich wiederkehrendes Musikereignis – zwischen Phänomen und Kuriositäten.

    Initiator ist ein Franke

    Zweimal in seiner 20-jährigen Geschichte fiel das Festival, das alljährlich bis über 4000 nationale und internationale Besucher anzieht, flach. Corona, Corona. Vater des Festivals ist der 38-jährige Unternehmer Ivo Raab – ein Franke. Auch er ist zumeist vor Ort, dann im oberen Stock der Stadthalle, wo er eine Art Veranstaltungsleitzentrale eingerichtet hat. Doch was ist „Ragnarök“ und was gibt es musikalisch zu erzählen? Tauchgang zu einer Konzertwelt voller Internationalität und Klassifizierungen.

    Laut wird es so oder so

    19 – das ist die Zahl zu den unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen. Als da wären: Folk Metal, Irish Folk Metal, Epic Folk Metal, Black Folk Metal, Black Metal, Post Black Metal, Dark Folk Elektronic Rock, Black Death Metal, Pagan Metal, Gothic Metal, Post Rock, Extreme Metal und weitere.

    Hardrocker mit Schirm und Handy – ein poetischer Moment.
    Hardrocker mit Schirm und Handy – ein poetischer Moment. Foto: Markus Häggberg

    All diese Richtungen beschwören bewusst romantisierend eine nordische Welt zwischen Wikingern, Met, Fasching, Zeltlager und Heavy Metal, und wer sich hierher auf das Festival verirrt, der ist sich dieser Romantisierung zumeist sehr gut bewusst.

    Die häufigsten Bands, die an drei Tagen gut durchgetaktet in der Stadthalle auftreten, spielen Black Metal, die zweithäufigsten Post Black Metal. Laut wird es so oder so. Doch woher kommen die Bands mit so klangvollen Namen wie „Ellereve“, „Heretoir“, „Sagenbringer,“ „Waldgeflüster“ oder „Theotoxin“ her? Zweimal Irland, dreizehnmal Deutschland, dreimal Großbritannien, einmal USA, zweimal Österreich, zweimal Schweden, einmal Schweiz, zweimal Norwegen, einmal Dänemark, einmal Niederlande, zweimal Russland, zweimal Finnland. Und sonst so?

    Viele freundliche Metaller genossen die drei Festival-Tage.   Fotos: Markus Häggberg
    Viele freundliche Metaller genossen die drei Festival-Tage. Fotos: Markus Häggberg Foto: Markus Häggberg

    Tatsächlich gibt es auch heimatliche Gewächse, die es auf die drei Tage lang aufgebaute Bühne geschafft haben. So zum Beispiel die Coburger Band „Varg“ oder das Projekt „Kanonenfieber“. Letzteres ist ein Bamberger Projekt und der Künstler, der dahinter steckt, will gesichtslos bleiben, verbirgt bei Auftritten sein Antlitz hinter Tuch und neuerdings unter einer Pickelhaube. Hintergrund: Der Erste Weltkrieg und eine CD, die musikalisch aufgreift, was er aus Briefen von Frontsoldaten entnahm.

    Womit man auch wieder bei Ivo Raab wäre, dem Mann, der das Festival aus der Taufe hob und weiterentwickelte. Es ist Samstagmorgen und optisch nicht ganz unbeeindruckt von den Strapazen, sitzt der 38-Jährige im ersten Stockwerk der Stadthalle zwischen Laptops, Funkgeräten oder Süßigkeiten. Er weiß, wie jener gesichtslose Künstler wirklich aussieht, ist quasi ein Eingeweihter.

    Und er macht einen absolut nicht ernst gemeinten Witz über ihn: „Er ist echt hässlich.“ Humor und „Ragnarök“ sind sehr oft Geschwister. Auf 110 Euro belief sich der Ticket-Preis für drei Tage und ist damit 15 Euro höher als im Vorjahr. Es ist halt alles teurer geworden, aber Raab hält fest, dass vergleichbare Festivals im Schnitt um 40 bis 50 Euro teurer lägen. Amtsmüde ist Raab nach bald 20 Jahren „Ragnraök“ nicht. „Nee, es macht ja Spaß.“

    Der Erfurter Andreas Nichelmann ist Security-Experte. Was er dem „Ragnarök“-Festival zugute hält, ist die Friedfertigkeit der Besucherinnen und Besucher.
    Der Erfurter Andreas Nichelmann ist Security-Experte. Was er dem „Ragnarök“-Festival zugute hält, ist die Friedfertigkeit der Besucherinnen und Besucher. Foto: Markus Häggberg

    Drei Park- bzw. Zeltplätze gibt es und sie liegen vor, hinter und jenseits des Mühlbachs neben der Stadthalle. Einer, der für die Sicherheit Dienst schob, war Torben Huyer. „Die sind friedlich hier, wie so eine kleine Familie“, erklärt der Security-Mitarbeiter am Samstagmorgen. Er ist erstmalig bei Ragnarök „und bis jetzt positiv überrascht“. Bei der Frage nach der Anzahl der Security-Mitarbeiter hält er sich bedeckt und verweist auf seinen Chef Andreas Nichelmann.

    Auf zu dem, auf zur Stadthalle. Dort sitzt der Mann aus Erfurt und als dieser seine Visitenkarte überreicht, stellt man etwas fest: Sicherheitsmanagement ist jetzt auch ein Zertifikatsstudiengang. In Heidelberg hat Nichelmann diesen bewältigt und außerdem arbeitet er für den Sicherheitsausschuss des DFB.

    Zu der Frage, wie viel Personal man hier benötigt, äußert er sich glaskugelhaft diplomatisch mit „ausreichend“ oder „so viel man braucht“. Dass das Festival in Bezug auf Handgreiflichkeiten größtenteils friedlich war, bestätigt er. So wie die Polizeiinspektion Lichtenfels. Ein dortiger Mitarbeiter drückte es so aus: „Nix dramatisches (…) und an sich friedlich für die Menge der Personen.“ Allerdings war auf dem Gelände die Rede von einer Häufung von Diebstählen.

    „Sehr muckelig“

    Sergej Gillitzer ist Bausparer und betont, wirklich alle Versicherungen abgeschlossen zu haben. Sich und seinen Körper sieht der Festival-Besucher als Kunstausdrucksform und sagt: „Wer mir nicht ins Gesicht sehen kann, ist nicht menschlich – ich spiegele die Gesellschaft in der Körperkunst wider.“
    Sergej Gillitzer ist Bausparer und betont, wirklich alle Versicherungen abgeschlossen zu haben. Sich und seinen Körper sieht der Festival-Besucher als Kunstausdrucksform und sagt: „Wer mir nicht ins Gesicht sehen kann, ist nicht menschlich – ich spiegele die Gesellschaft in der Körperkunst wider.“ Foto: Markus Häggberg

    „I kim aus Cham“, sagt Sergej Gillitzer und schaut freundlich in die Kamera. Der Mann spricht mit gespaltener Zunge. Wortwörtlich. Er hat sie sich spalten und blau tätowieren lassen. Dass er sich dabei auch das Gesicht und die Beine und das Sonstwo tätowieren ließ, ist nicht zu übersehen. Die Ohren hat er sich auch einritzen lassen.

    Aber: „Ich war bis vor vier Jahren pudelnackt“, sagt er zu sich. Er sagt noch mehr: „Ich habe alle Versicherungen, ich bin Bausparer, mit 30 bau ich mein Haus.“ Nur warum ist er so geritzt, tätowiert und gespalten? „Wer mir nicht ins Gesicht sehen kann, ist nicht menschlich – ich spiegele die Gesellschaft in der Körperkunst wider“, gibt er zur Antwort. Er ist erstmalig hier und was ihm an „Ragnarök“ gefällt: „Sehr muckelig, sehr freundlich, sehr schön.“

    Es ist Samstag kurz vor 13 Uhr und der Karlsruher Armin ist beim Zähneputzen. Die Atmosphäre nebst "kurzen Wege" zwischen Zeltplatz und Bühne findet er "wiederkommenswert".
    Es ist Samstag kurz vor 13 Uhr und der Karlsruher Armin ist beim Zähneputzen. Die Atmosphäre nebst "kurzen Wege" zwischen Zeltplatz und Bühne findet er "wiederkommenswert". Foto: Markus Häggberg
    Das Zelt steht noch nicht, aber es tröpfelt und irgendwo muss man ja unterkommen.
    Das Zelt steht noch nicht, aber es tröpfelt und irgendwo muss man ja unterkommen. Foto: Markus Häggberg
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden