Die Weiße Frau als Stichwort ergibt bei Google 200.000 Treffer. Ihre Erzählungen gehören zu den weit verbreiteten Sagen in Deutschland. Die Weiße Frau zählt zu den armen Seelen, die häufig um Mitternacht oder zur Zeit des Gebetläutens erscheinen und bitten, aus dem Fegefeuer erlöst zu werden. Solche Gestalten spuken auch im Lichtenfelser Untergrund.
Podica von Schaumberg sei an gebrochenem Herzen gestorben, weil ihr Bräutigam aus einer Fehde bei Scheßlitz nicht zurückkehrte, lautet eine Lichtgenfelser Sage. In den unterirdischen Gängen unter den Häusern von Lichtenfels geistere sie seitdem umher. Vermutlich ist sie die historische Gräfin Chuniza oder Chumza, die Frau von Graf Poppo von Andechs-Plassenburg. Als Hochzeitsgeschenk hatte sie die Veste Lichtenfels von ihrem Vater erhalten. In dem Schenkungsvertrag wird erstmals der Name Lichtenfels urkundlich bezeugt. Als die Ehe in die Brüche ging, überschrieb die fromme Gräfin den Besitz an das Bistum Bamberg und trat in ein Kloster ein.
Leben Seelen Verstorbener weiter?
Seit 1994 führt ein Team die Besucher durch die Lichtenfelser Unterwelt und erzählt von der Weißen Frau, von Fluchtgängen aus dem Mittelalter, Bierkellern, Eisschächten und von Lichtenfelsern, die dort vor Fliegerbomben Zuflucht suchten. Hinter jeder Kurve taucht eine Überraschung auf. Ob sich Podica grün und schwarz ärgert, weil sie seit 30 Jahren in ihrer Ruhe gestört wird? Einige Besucher meinen, sie hätten einen Lufthauch gespürt, und fantasievolle Kinderaugen haben Podica um die Ecke schweben sehen. Acht Grad Celsius hat es im Labyrinth unter dem Knopsberg. Die unterirdischen Gänge sind zwei verbundene Kelleranlagen – eine am Stadtgraben und eine an der Langheimer Straße.
Die Todesbotin der Hohenzollern?
Auch von einem Marksteinversetzer, der sein Unwesen am Goldberg trieb, oder dem „feurichen Männla“ berichten die Erzählungen aus dem Lichtenfelser Umland. Diese Gestalten kehrten als unerlöste Seelen wieder auf die Erde zurück, um die Irdischen um Hilfe zu bitten. Wer am Allerseelentag geboren wurde, könne diese Geister sehen, hieß es. Sonntagskinder könnten die Weiße Frau von ihrem umtriebigen Leben erlösen. Wie stark solche Vorstellungen bis heute im Volksglauben am Obermain lebendig sind, zeigen Redensarten wie: „Jetzt hat die arm' Seel endlich ihr Ruh!“ Oder „In der Allerseelennacht zeigen Geister ihre Macht.“ An Allerseelen durfte kein Messer auf dem Rücken liegen, damit sich keine herumgehende arme Seele daran schneide. Tür und Tor mussten langsam geschlossen werden – es könnte ja sein, dass eine arme Seele eingequetscht wird.
Eine Erscheinung der Ahnfrau der Hohenzollern als Weiße Frau im Bayreuther Schloss ist schon aus dem Jahr 1486 überliefert. Eine bekannte Sage von der Weißen Frau auf der Plassenburg bei Kulmbach ist eng mit dem Kloster Himmelkron verbunden. Die Geschichtsforschung hat diese Geschichte widerlegt. Bis heute trifft man die Gestalt in unzähligen Sagen und Legenden verschiedenster Adelsfamilien und Schlossbesitzer an. Sie soll vor allem vom 15. bis zum 18. Jahrhundert deutschlandweit gesichtet worden sein. Im Schloss Friedenstein in Gotha, im Berliner Stadtschloss oder im Düsseldorfer Schloss soll eine Weiße Frau ihr Unwesen treiben. Gefährlich ist sie wohl nicht. Ihr Erscheinen verursachte häufig Schrecken, da familiäre Katastrophen, insbesondere die Todesfälle von Familienmitgliedern, angekündigt werden. Die Todesbotin der Hohenzollern wird sie genannt. Der Weißen Frau wird nachgesagt, sie könne Kriege ankündigen. In unserer Region sind weitere Burgen und Schlösser als Sagenstätte der Weißen Frau bekannt: Dörfles, Heilgersdorf, Obersiemau und die Mantelburg auf Lauenstein.
Unterwelt bald wieder geöffnet
Seit längerer Zeit sind keine Führungen im Lichtenfelser Untergrund möglich; die Weiße Frau hat ihre Ruhe. Der Leiter des Amtes für Wirtschaft, Tourismus & Kultur, Steffen Hofmann, teilte auf Anfrage mit, dass sich die Wiedereröffnung der Gänge verzögert. Voraussichtlich werden ab Januar wieder Führungen angeboten.