Die Temperaturen steigen zum Beginn des Frühlings: Es geht nauswärts. Bei schönem Wetter werden viele ihre Wanderstiefel anziehen. Der eine oder andere Leser macht sich zu einem Spaziergang rund um die Kalten Stauden auf. Dort an der Landkreisgrenze zu Kronach, gut eine Viertelstunde nördlich von Kirchlein, erfreut die Wanderer ein herrlicher Blick in alle vier Himmelsrichtungen.
Die mächtige alte Linde lädt vor allem im Sommer zu einer Rast in ihrem Schatten ein. Die Geschichte, die sich hinter diesem markanten Naturdenkmal verbirgt, erinnert an die schreckliche Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Im leider vergriffenen Buch: „Sagen und Legenden des Lichtenfelser Landes“ von E. u. K. Radunz ist sie unter dem Titel „Die Schwedenlinden bei Kirchlein“ zu finden:
Bauern aus Kirchlein wehrten sich gegen die schwedischen Soldaten
Große Angst herrschte rund um Kronach, als im Dreißigjährigen Krieg die Stadt Kronach und die stolze Feste Rosenberg von den Schweden belagert worden war. „Kindlein bet, es kommt der Schwed!“ So hieß es überall in der Umgebung.

Den Schweden war es nicht gelungen, Kronach einzunehmen. Aus Zorn über ihren Misserfolg bedrängten sie die wehrlosen Ortschaften ringsum. Die Kirchleiner hatten Angst vor einem Überfall. Die Bauern trieben ihr Vieh in die Wälder und blieben tagsüber dort bei den Tieren. Nur in der Abenddämmerung wagten sich jeweils einige Männer in das Dorf, um das Lebensnotwendigste für Mensch und Tier zu holen. Da zeigte sich, dass die Furcht der Kirchleiner nicht unbegründet war.
Zwei schwedische Landsknechte hielten eines Nachts die Bauern an und forderten Geld und Wertsachen von ihnen. Dies geschah nicht gewaltlos; die Bauern wehrten sich ihrer Haut und schrien laut um Hilfe. Sofort eilten die Kameraden aus ihrem Waldverstecken dazu.
Da sie in der Überzahl waren, fiel es ihnen leicht, die Feinde zu überwältigen und zu töten. Die Leichname der beiden Schweden verscharrten die Bauern in selbiger Nacht an Ort und Stelle. Zwei Linden pflanzten sie später auf die Gräber und setzten ein Sühnezeichen dazu.
Geschah der Mord um dem Fronleichnamstag 1632?
Höchstwahrscheinlich steht die Tat in einem historischen Zusammenhang des Dreißigjährigen Krieges: Die Kronacher Chronik „Patriotismus Kronach“ berichtet unter dem 10. Juni: „diß also Festo Corporis 1632: uffm Abendt seinst 4 Compagni Finnlender zu Fuß von Grub durch Gumelsdorff herab ins Läger marschieret, und hat diesen Tag des Feinds Reutery Burg- und Altenkunstadt, samt umliegenden Dörfer ausspoliert.“ (ausspoliert = ausgeplündert).
An diesem Fronleichnamstag wurde in Mainroth die Pfarrkirche niedergebrannt. Ebenso wurden der Pfarrhof und etliche Häuser in Altenkunstadt von den Schweden geplündert.
Obwohl Kirchlein nicht namentlich genannt wird, so gehört es zu den umliegenden Dörfern. Aber auch 1633 und 1634 tauchte der Feind vor den Toren Kronachs auf.
Geistert ein Mann ohne Kopf an der kalten Linde herum?
Die Erinnerung an dieses Geschehen ist in Kirchlein bis heute lebendig. Über Generationen bildeten zwei dicht aneinander stehende Linden scheinbar eine gemeinsame Krone, die Kalten Stauden. Um die mündliche Überlieferung weiter aufrechtzuerhalten, wurden 1957 von der Gemeinde nach dem Brand der einen Linde drei junge Lindenbäumchen an der gleichen Stelle gepflanzt.
Großeltern aus Hein und Kirchlein haben ihren Enkelkindern immer wieder diese grausige Geschichte erzählt. Es wird auch davon berichtet, dass sich lichtscheue Gespenstergestalten, ja sogar ein Mann ohne Kopf an den kalten Stauden in der Nacht herumgeistern.
Beliebtes Wanderziel mit herrlichem Rundblick
Die markante Kalte Staude ist ein beliebtes Wanderziel. Von hier aus schweift der Blick in alle vier Himmelsrichtungen. Dabei entdecken die Beobachter im Osten den Spitzberg bei Gärtenroth, den Geißhügel bei Schimmendorf, den Patersberg bei Veitlahm. Weiter südlich den Görauer Anger, den Kordigast und den Alten Staffelberg. Im Westen erkennt man die Ebnether Höhe, den Kümmelberg bei Nagel, den Gubel bei Beikheim und den Heidelberg oberhalb von Schmölz; im Norden den Theisenorter Wald, Kronach mit der Festung Rosenberg und den dahinter liegenden Erhebungen des Frankenwaldes. Danach folgt der Kaltbucher Knock, der Wachtelberg, die Wildenberger Höhe, unser Rundblick endet beim Rainberg.
Im Mittelalter führte wichtige Handelsstraße an Linde vorbei
Nur wenigen Wanderern wird bekannt sein, dass an der unter Naturschutz stehenden mächtigen Linde im Mittelalter eine wichtige Handelsstraße von jenseits des Frankenwaldes über Kronach, Burgkunstadt, Weismain bis über Scheßlitz und Bamberg nach Nürnberg vorüber führte.
Dieser sagenumwobene Ort war und ist ein attraktives Fotomotiv. So gewann vor kurzem Herbert Ramer mit einer Aufnahme von der kalten Staude den Wettbewerb „Bild des Monats“ des Lichtenfelser Fotoclubs.