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LICHTENFELS: Schallplattenbörse: Klingende Schätze mit Geschichten

LICHTENFELS

Schallplattenbörse: Klingende Schätze mit Geschichten

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    Man brauchte eine Weile, um sich Überblick über die Stile und Angebote zu verschaffen. Nach Herzenslust stöbern war Gebot des Tages.
    Man brauchte eine Weile, um sich Überblick über die Stile und Angebote zu verschaffen. Nach Herzenslust stöbern war Gebot des Tages. Foto: Markus Häggberg

    Schallplattenbörsen sind Orte der Begegnung. Die Lichtenfelser allemal, oder wo sonst trifft man eine katholische Schwester und einen Präsident des Fastnacht-Verbands Franken. Szenen, Gespräche und Hintergründe zu einer Veranstaltung für Spezialisten, Originale, Enthusiasten und Suchende.

    „Musik ist mehr als nur eine Datei ...“, das steht wie eine Überschrift auf dem orangefarbenen Flyer, der stapelweise am Eingang zur AC Halle liegt. Dieser Satz ist eine Grundhaltung und die gehört Stefan Meiner. Der Thüringer ist Ausrichter der Platten- und CD-Börse und seine Leidenschaft gilt der Musik, die noch griffig ist, die man als Vinyl oder CD erwerben kann, die nicht einfach abgekoppelt von allem aus Lautsprechern kommt, sondern Dokument ist. Zeitdokument sogar, für Bands und ihre Geschichten, für das Design von Alben, für Zeitgeist in Noten.

    Sondereditionen auf Podesten

    Es ist Samstag, und er ist hier. Morgen wird er mit seinem Sortiment in Würzburg sein. Es sei leicht gewesen, eine Halle für die Ausrichtung zu finden. Immerhin ist ja derzeit nix in Hallen los. So stehen die Longplayer-Platten und Souvenirs, die CDs, die Sondereditionen und was sonst noch alles erhöht auf Podesten. Diese hat der AC gestellt. Es sind eigentlich die aufklappbaren Tribünen, die sonst bei Ringkämpfen zum Einsatz kommen.

    Ein halbes Jahr lang war Meiner coronabedingt mit seinen Schätzen auf keinen Börsen, jetzt ist es wieder möglich. Und der Mann genießt das, genießt die Fachsimpeleien mit anderen Händlern. Musik ist eben Leidenschaft, und die Musik spielt heute hier. Auch wenn sie nicht zu hören ist. Stattdessen hört man das Gemurmel der Besucher, hört man das Kramen flinker Finger in den Fächern, in welchen die LPs und CDs sortiert stehen.

    Bei den einen klingt es wie nach einem dumpfen Lufthauch, bei den anderen klackt es. Es dürfte an die Zigtausende gehen, was in Kisten aufgestellt und nach Genre geordnet hier steht. Soul, Jazz, Folk, Funk, Heavy Metal, Hardrock, Flower Power, Liedermacher, Schlager und auch Klassik. Wer suchet, der findet. Doch gibt es sie, die eine, die einzige, die, die so etwas wie die Blaue Mauritius unter den Schallplatten ist?

    Entspannung ist Trumpf

    Johann Mitterbauer weiß genau, wovon die Rede ist. Aber er ist diesbezüglich entspannt. Er wirkt überhaupt sehr entspannt, sitzt auf einem Stuhl einen Meter von der Halle entfernt im Draußen und raucht. „Ich bin der Hans“, sagt er, und dabei will sein Regensburger Dialekt nicht zu der Vorstellung passen, dass er aus Jena kommt.

    Man brauchte eine Weile, um sich Überblick über die Stile und Angebote zu verschaffen. Nach Herzenslust stöbern war Gebot des Tages.
    Man brauchte eine Weile, um sich Überblick über die Stile und Angebote zu verschaffen. Nach Herzenslust stöbern war Gebot des Tages. Foto: Markus Häggberg

    Dort aber hat er einen anerkannten Laden für Platten und CDS. Der Mann ist eine Institution. Die Sache mit der einen, einzigartigen Platte, die kann er beantworten. Da gibt es beispielsweise eine Beatles-LP, die ein unverkäufliches Musterexemplar war, nur zur Testierung diente und 1964 bei dem Label Amiga in der DDR gepresst wurde. Es ist die Seltenheit, die hier zählt. Und es gibt laut Mitterbauer zwei Menschen auf der Welt, die sie besitzen. Einer davon ist er selbst.

    Ihr Wert: irgendwo zwischen vierstellig und fünfstellig. Angekauft hat er sie sehr günstig, sehr. Bei dieser Erinnerung stellt sich ein leises Lächeln auf seinem markanten Gesicht ein. Er erzählt von den Strapazen des Ausladens in die AC Halle. Sein Stand ist immerhin knapp zwölf Meter lang, und da hatte er zu tun. „Um 7 Uhr habe ich mit dem Ausladen angefangen, um 10 Uhr war ich fertig.“ In seinem Laden betreibt er nicht nur den An- und Verkauf von Platten und CDs, sondern auch eine Schallplattenwaschmaschine. Auch das gibt es. Nein, so sagt er, ums Verkaufen alleine gehe es ihm nicht.

    Corona setzt klare Regeln

    Es sei jetzt einfach mal wieder schön, mit anderen Händlern und Sammlern in Kontakt zu kommen, sich wieder auszutauschen. Corona hatte das unterbunden. Womit man beim Thema wäre. Hier spielt zwar die Musik, aber eben auch Regeln eine Rolle. Die Laufrichtung der Besucher ist vorgegeben, mehr als 50 von ihnen dürfen sich nicht an den Ständen der 15 Händler aufhalten, Maskenpflicht versteht sich von selbst und Desinfektionsmittel stehen auch auf einem Tisch.

    Das ist das Pragmatische, aber Schönes gibt es hier auch. So landet man beispielsweise beim Stand von Markus Sauter aus Heilbronn. Ein „Semi-Profi“, wie er über sich sagt. Aber dafür hat der Mann einen Blick für das Aufbereiten der Ware, für das Drapieren. Der Stand ist ein Hingucker, denn ausrangierte Schallplatten dienen hier gleichsam als Anzeigetafeln für jeweilige Musikstile. „Mein Stand wird oft fotografiert, zum Beispiel bei Festivals als Opener für Internetseiten – das war bestimmt schon drei-, viermal der Fall“, so der überlegt wirkende Mann.

    Bei allem Stöbern wurden die Hygiene-Vorschriften nciht vergessen.
    Bei allem Stöbern wurden die Hygiene-Vorschriften nciht vergessen. Foto: Markus Häggberg

    Er macht auch Trends aus. Es seien die 80er, die nun verstärkt nachgefragt würden. Vor allem Synthiepop-LP seien im Wert gestiegen. Auch bei Sauter sei es „der erste Markt seit März, und es geht nicht so um Verkaufen als ums Rauskommen und Zusammensein“ mit anderen Händlern und Musiksammlern. Wie das Marco Anderlik sieht, ist nicht klar. Dass man ihn hier trifft, ist verwunderlich genug, denn eigentlich ist der Präsident des Fastnacht-Verbands Franken nicht aus der Branche.

    Traumschiffmelodien von Schwester Christiane

    Das Schicksal teilt er sich mit der Frau, die neben ihm einen kleinen Stand hat und eine katholische Schwester ist, die allerdings keinem Orden angehört. Schwester Christiane sucht den Nachlass ihrer Eltern an den Mann zu bringen. Sie hat es mit den Schlagern und Traumschiffmelodien nicht leicht gegen Rammstein, Rolling Stones und Pink Floyd. Und auch Anderlik ist mit seinem Sortiment nicht erfolgreich. Doch der Mann lacht und die Wiener Klassik, die Couplets und Operetten sind ja auch nicht sein eigenes Sortiment, sondern ebenfalls zu einem Nachlass gehörig.

    Im Einsatz für eine Witwe

    „Eine Witwe hat' s mir aufgetragen (…) und ich nutze die Zeit und habe hier einen schönen Vormittag“, spricht er und bleibt vergnügt. Einer, der richtig fündig wurde und ein Original zu sein scheint, kam extra aus Saalfeld angereist. Ingo Rechenbach heißt der Mann, und er klingt sachverständig für DDR-Schlager und Schlager überhaupt. Dann packt er aus: Aus dem Archiv von Dieter-Thomas Heck besitzt er Scheiben, die diesem einstmals zur Bemusterung von den Plattenfirmen zugingen. Und bezüglich Ralph Siegel weiß er davon zu erzählen, dass sich dieser von jedem seiner deutschen Hits internationale Versionen zukommen ließ. Nach so was sucht der Mann, der zu sich erzählt, eine Radiosendung auf SRB gehabt zu haben und mit Roberto Blanco persönlich bekannt zu sein. Musik erzählt Geschichten. Auf Börsen mehr denn nur als Datei.

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