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LICHTENFELS: „Sleepy Hollow“ Thema beim Vortrag des CHW Lichtenfels

LICHTENFELS

„Sleepy Hollow“ Thema beim Vortrag des CHW Lichtenfels

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    Ein Ursprung des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges war der Tag der  „Boston Tea Party“ wo sich die Amerikaner auf ihre Art gegen Einfuhrzölle wehrten
    Ein Ursprung des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges war der Tag der „Boston Tea Party“ wo sich die Amerikaner auf ihre Art gegen Einfuhrzölle wehrten Foto: red

    Es trägt eine heitere Note, wenn Dinge im Lichtenfelser Veranstaltungskalender stehen, durch Corona aber in den Weiten des Internets passieren. Also im Grunde auch völlig anderswo als in Lichtenfels. In diesem Anderswo trafen sich vor wenigen Tagen Geschichtsinteressierte zu einem Veranstaltung des Geschichtsvereins Colloquium Historicum Wirsbergense (CHW). Das Thema: fränkische Soldaten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

    Wäre Corona nicht, hätte Marcus Mühlnikel wohl in der ehemaligen Synagoge, dem traditionellen Lichtenfelser CHW-Veranstaltungsort, gestanden. Er wäre vom hiesigen CHW-Leiter Ulrich Sünkel begrüßt worden – und dann? Dann wäre Barbara Edelmann vermutlich nicht dabei gewesen. Um 19.03 Uhr, kurz nachdem also Bezirksheimatpfleger Günter Dippold von Bayreuth aus den Abend zu moderieren und Marcus Mühlnikel vorzustellen begann, meldete die Frau übers Internet aus Pittsburgh in den USA ihre Teilnehme. Auch das ist eine Folge von Corona.

    Selbst aus Pittsburgh in den USA war eine Zuhörerin zugeschaltet

    Zu dieser Zeit war Barbara Edelmann ein Teilnehmer von 188. 16 Minuten später waren 210 Geräte zugeschaltet und die Menschen, die dahinter saßen, wussten nun, dass Mühlnikel in Geschichte promovierte, Lehrkraft in Wuhan war und auch Literaturwissenschaft studierte. Ein Hochkaräter. Akademischer Oberrat am Institut für Fränkische Landesgeschichte der Universitäten Bamberg und Bayreuth.

    Doch auch das Publikum war interessant, und was den Vortrag trotz aller Weiten des Internets irgendwie wohlig intim sein ließ, war der Blick in die Wohnzimmer der Teilnehmer, die per Kamera zugeschaltet waren. So war man irgendwie auch in den guten Stuben der anderen, mit Sicht auf interessierte Gesichter vor Bücherwänden.

    Ein unheimlicher „Hesse“ als Wiedergänger

    Das Thema selbst hatte es in sich und war beste Werbung für das CHW. Schon der Einstieg gelang Mühlnikel fesselnd: Er bezog sich auf den 1999 von Tim Burton gedrehten Schauerstreifen „Sleepy Hollow“. Dort reitet ein unheimlicher „Hesse“ (Christopher Walken) das Schwert schwingend als Wiedergänger durch den Film. Ihm wird nachgesagt, im Unabhängigkeitskrieg mit Vorliebe Köpfe abgeschlagen zu haben.

    Mühlnikel zeigte auf, dass und wo überall in der amerikanischen Erinnerungskultur bezüglich des Unabhängigkeitskriegs auch Deutsche ihre Spuren hinterließen. In Bilderbüchern beispielsweise. Allerdings dünne sich das aus, wenn man die beidem Museen aufsucht, die sich in den USA speziell des Themas Unabhängigkeitskrieg annehmen. Das verwundert laut Mühlnikel auch darum, weil an der kriegsentscheidenden Schlacht von Yorktown 1781 auf englischer wie auf amerikanischer beziehungsweise französischer Seite 5000 deutsche Soldaten beteiligt waren. „Offensichtlich passen die deutschen Soldaten nicht ins Gesamtnarrativ von Revolution und Krieg, das in der Geburt der amerikanischen Nation mündet.“

    Wie kamen Soldaten aus Ansbach-Bayreuth in diesen Konflikt?

    Aufschlussreich: Mühlnikel erklärte, dass deutsche Soldaten oft allgemein als „Hessen“ bezeichnet wurden, es also keine Differenzierung gab. Denn es gab tatsächlich erhebliche Truppenstärken aus Hessen. Allerdings waren auch Soldaten aus Ansbach-Bayreuth aktiv. Doch wie gerieten sie in diesen Konflikt?

    Tatsächlich gab es Soldatenhandel, und auch deutsche Fürsten „verliehen“ Truppen in so genannten Subsidienverträgen. An dieser Stelle ging Mühlnikel das Thema auch literaturwissenschaftlich an. Er zeigte auf, wie schon Friedrich Schiller den Soldatenhandel im Drama „Kabale und Liebe“ beleuchtete, verwies aber auch auf einen fränkischen Dichter: Johann Christoph Krauseneck, 1738 in Zell geboren, war Kammersekretär in Bayreuth und schrieb das Stück „Die Werbung für England“ „mit Sicherheit“ bevor sein Markgraf Karl Alexander einen Subsidienvertrag unterschrieb.

    Tagebuchnotizen vermitteln Geschichte aus erster Hand

    Aus unterschiedlichsten Richtungen näherte sich Mühlnikel dem Thema, stöberte Tagebuchnotizen deutscher Soldaten auf, machte ihre Lebenswirklichkeit erfahrbar und auch ihr Staunen über dieses Land jenseits der Heimat, schilderte den Tagesablauf im Kampf oder ihre Erlebnisse bei der Überfahrt über den Atlantik. Geschichte aus erster Hand, niedergeschrieben vor 250 Jahren.

    Dabei gelang Mühlnikel auch ein kleiner literarischer Kunstgriff beim Erzählen. Er stieß bei seinen Recherchen auf den Feldmedicus Johann David Schoepf, der vom Bayreuther Markgrafen nach Amerika entsandt wurde und nicht so zeitig wie möglich heimkehren wollte. Er erbat sich längeren Aufenthalt in Amerika, auch zum Zwecke naturwissenschaftlicher Studien. Jahre, nachdem er dann doch heimgekehrt war, fertigte er den Obduktionsbericht für die Frau des Markgrafen an, der ihn 1777 mit Ansbach-Bayreuther Truppen nach Nordamerika geschickt hatte.

    Momente wie dieser zeichneten den originellen Vortrag aus. Dann folgte das, was beim CHW immer folgt: das Gespräch, der Austausch, die Fragen an den Referenten. Gegen 20.09 Uhr – lange, nachdem der Vortrag beendet war – waren noch 178 Teilnehmer online.

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