Es ist 14.18 Uhr, als ein Porsche den Ford Capri auf dem Gelände der St. Joseph-Werkstätte rasant überholt. Er tut es in Miniatur und auf der Carrera-Bahn des Carrera-Cafès. Der Tag der offenen Tür war ein ereignisreicher.

Der Eichenweg 5 und 10 sind die Adressen, an welchen es in Lichtenfels Werkstätten der St. Joseph gGmbH gibt. „Main Werk Städtla“ ist ein Schriftzug, der sich in den Gängen und Räumen der Werkstätten für Menschen mit Behinderung häufig findet. Vor wenigen Tagen sollten die dortigen Räume von der Öffentlichkeit in Augenschein genommen werden. Worauf man dabei immer wieder stieß: Ansichten, Einsichten und Fröhlichkeiten.

240 Menschen mit Behinderung sind hier in Arbeitsprozesse eingebunden. Sie falten, kleben, bedienen leichte Arbeitsvorgänge an Maschinen, stemmen aus, zeichnen vor oder kümmern sich um die Botanik. Und ja, es gebe bei den Menschen draußen und in den ach so sozialen Medien immer wieder auch Gerede darüber, dass es Firmen gibt, die sich hier quasi billiger Arbeitskräfte bedienen würden.

Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer, wie einer der über 40 Mitarbeiter abseits des Geschehens tiefgründig darlegt. Denn wer arbeitet, in dem steigt dadurch auch das Gefühl auf, gebraucht zu werden, selbstwirksam zu sein und etwas zu können. Doch wie es um die Wirtschaft und ihre Konjunktur bestellt ist, das merke man genau hier. Denn geht es Firmen schlecht, bleiben auch hier Aufträge aus.
Weil Arbeit wichtig
Aber heute ist nicht der Tag für dunkle Wolken, heute spielt eine Band, heute gibt es Bratwürste und in den verschiedenen Räumen zeigen behinderte Menschen, wie ihre Arbeitsplätze aussehen. Und dann erfährt man hier noch etwas: Nach 20 Jahren Werkstatt-Zugehörigkeit, die ja ohnehin freiwillig ist, hat jeder Anspruch auf eine EU-Rente.

Nicole Metze steht im Laden. Er ist der Straßenseite, also dem Eichenweg zugewandt. Hier ist an diesem Tag zumeist der Ort, an dem Menschen das Gelände betreten oder es wieder verlassen. „Unser Auftrag ist ja, die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen“, erklärt Metze. Sie tut es quasi in Doppelfunktion, zuständig für den Geschäftsbereich Pädagogik und mit Prokura.
„Einmal pro Jahr findet das für die Öffentlichkeit statt“, so die Dame in einem der seltenen Momente, in denen sie heute nicht in Beschlag genommen ist.

Denn die Anzahl der Menschen, die hier durch die hellen, freundlichen Gänge gehen, ist enorm. Doch es gibt nicht nur helle Gänge, es gibt auch helle und freundliche Werkstätten. Doch in ihnen sind nicht selten auch Orte, die zum Rückzug taugen – dann, wenn, die Seele eines behinderten Mitarbeiters von der sie umgebenden Eindrücken Abstand braucht. Oder ins Bett will.
Gute Gemeinschaft
Irgendwo, zumeist in Fensternähe, sind auch Plätze für die Mitarbeiter, die ein Auge auf die Gruppe haben, die anleitend tätig sind und zudem auch noch an ihren Computern den Warenverkehr, die Bestellungen und die Lagervorräte erfassen müssen. Und jetzt ist er wieder da, dieser Duft nach Steaks und Bratwürsten, nach Geselligkeit und Feierlaune. An einem Arbeitsplatz sitzt ein gut gelaunter Mann, wohl so um die 40. Er klebt, blickt sich um, er klebt erneut und prüft gewissenhaft sein Tun. Vor allem aber lächelt er.

Es ist ihm wohl hier, er hat Kollegen und zu ihnen ergeben sich Pläusche. Gemeinschaft lässt sich auch auf der Arbeit erfahren. Er wird sich auch eine Bratwurst holen, sagt er. Und überhaupt möchte er jetzt doch mal schauen, was draußen so los ist – dort, wo bald die Band spielt und Kinder in der Hüpfburg springen. Verwandtschaftsbesuche – die bleiben auch hier nicht aus. Sagt man das so, muss Andrea Dennhardt lachen.
Sie ist die Verwandtschaft und sie besucht ihre Tochter Sindy, die heute in dem Carrera-Cafè Dienst tut. Der Cappuccino hier schmeckt gut, und es empfiehlt sich, seinen Schaum zu löffeln. Doch das Cafè ist den 240 Mitarbeitern vorbehalten, die in ihren Pausenzeiten hierherkommen. Ihre Schichten dauern von 8.10 Uhr bis 15.40 Uhr, dazwischen liegen drei schöne, lange Pausen.
Die Carrera-Bahn ist der Augenschmaus hier. Gut 38 Meter ist sie lang, mit einer Anhöhe, mit Zuschauerrängen und so kurven- wie geradenreich. Vor allem aber hat sie auch einen Horst Gerdes, der in den Pausenzeiten die Aufsicht führt und sich einmal wöchentlich dafür Zeit nimmt, das Highlight des Cafès zu warten und zu pflegen. Dann werden die Achsen gerichtet, findet die Bahnreinigung statt, es wird gelötet und geölt.
Viel Schauwert
13 Fahrzeuge sind hier rasend mit Schauwert unterwegs – inklusive Safety Car. Doch was zog Andrea Dennhardt an diesen Ort und auf das Gelände am Eichenweg? Ihre Antwort streift auch das, was die Atmosphäre des Ortes auszuzeichnen scheint: „Ich habe vorhin zu meiner Tochter gesagt, dass ich heute mal einen Tag mit den Menschen verbringen kann, die noch Respekt, aber auch Freude ausstrahlen, und die dankbar sind. Und die das auch zeigen.“