Sind die Schwabthaler Quellen, die Döritzquelle und die Tiefenthalquellen durch die Erweiterung des Steinbruchs Deisenstein gefährdet? – Mit diesem Thema haben sich bereits in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mehrere Experten beschäftigt. Zumindest ist eine Beeinträchtigung nicht komplett auszuschließen, lautet der gemeinsame Konsens. Und deswegen will die Stadt Lichtenfels das planreife, aber noch nicht rechtskräftige Wasserschutzgebiet für die Schwabthaler Quellen vorantreiben.
Die Pläne der Firma Steinwerke Kaider, den Steinbruch Deisenstein zu erweitern, sind nicht neu: Bereits 2012/13 gab es erste Bemühungen dieser Art, die allerdings wieder verworfen wurden. Der Grund war ein Wasserschutzgebiet, das damals aufgrund eines Formfehlers aber nicht rechtskräftig wurde.
„Für die Schwabthaler Quellen gibt es seit 1977 ein Wasserschutzgebiet im unmittelbaren Umgriff der Quellen“, erläutert Dietmar Weiß, der Leiter der Stadtwerke Lichtenfels. „Farbversuche haben ergeben, dass das Einzugsgebiet der Schwabthaler Quellen um ein Vielfaches größer sein muss.“ Die Schwabthaler Quellen versorgen seit dem Jahr 1901 die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Lichtenfels mit Trinkwasser. Das wollten die Stadtverantwortlichen unbedingt schützen.
Farbversuche unternommen

„Daher hat die Stadt Lichtenfels bereits 1992 hydrogeologische Gutachten in Auftrag gegeben, um dieses Einzugsgebiet zu ermitteln“, fügt Weiß an. „1994 wurde dann ein Antrag auf Erweiterung des Wasserschutzgebietes Schwabthaler Quellen und Tiefenthalquelle gestellt.“ Dieses Ansinnen aber zog sich in die Länge, um fast ein Jahrzehnt. „2013 musste dann der Antrag aufgrund der Länge des Verfahrens mit aktuellen Zahlen angepasst werden.“ Eben zu der Zeit, als die Betreiberfamilie Neupert mit den Plänen zur Erweiterung des Steinbruchs unweit von Kümmersreuth aufwartete.
Die Freude in der Stadt Lichtenfels dürfte groß gewesen sein, als am 3. November 2014 das gemeinsame Wasserschutzgebiet im Amtsblatt des Landratsamts veröffentlicht wurde.

Doch die Freude währte nur kurz: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kassierte das erweiterte Wasserschutzgebiet am 19. Mai 2020 wieder, aufgrund von Formfehlern und einer Normenkontrollklage. Die Begründung: Bei der Bekanntmachung beziehungsweise Auslegung der Antragsunterlagen für das gemeinsame Wasserschutzgebiet seien die Unterlagen unvollständig gewesen, weshalb ein Formfehler vorlag. Unter anderem passierte ein Makel am Landratsamt, das ein hydrogeologisches Gutachten nicht auslegte. Außerdem fehlte eine Alternativenprüfung. Die Klage hatten drei Landwirte eingereicht – und hatten damit Erfolg: Das Wasserschutzgebiet war wieder null und nichtig.
„Die Stadt Lichtenfels und die Rehabilitationsklinik Lautergrund waren schon 2013 aufgrund der Gefährdungen für die Quellen vehement dagegen“, stellt Dietmar Weiß heraus. „Daran hat sich auch nichts geändert.“ Das Risiko für 16.000 Bürgerinnen und Bürger sowie durchschnittlich 2700 Patienten pro Jahr sei einfach zu groß.
„Sehr wohl im Einzugsgebiet“

Als das Thema Steinbrucherweiterung jüngst im Bad Staffelsteiner Stadtrat diskutiert wurde (diese Redaktion berichtete), wurde von Bauamtsleiter Werner Gunreben ein Gutachten des hydrogeologische Instituts GBH GmbH in Fürth angeführt. Es kommt zum Ergebnis, dass die Erweiterung des Steinbruchs wohl nicht im Einzugsbereich der Schwabthaler Quellen liege und diese wahrscheinlich nicht beeinträchtigt würden.
Stadtwerke-Leiter Dietmar Weiß hält dagegen: „Sowohl die damals vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft ausgeführten Farbversuche als auch die hydrogeologischen Gutachten von Dr. Nuss und Professor Dr. Schuler kommen zu dem Schluss, dass die Erweiterung des Steinbruchs sehr wohl im Einzugsgebiet der Schwabthaler Quellen und der Döritzquelle liegt.“ Und diese haben für ihn und die Kreisstadt weiterhin Gültigkeit. „Die Darstellungen der GBH GmbH entsprechen nach unserer Ansicht nicht den tatsächlichen Verhältnissen.“

So setzt die Stadt Lichtenfels weiter auf die Gutachten von Dr. Nuss und Professor Schuler, die besagen, dass eine Gefährdung der Quellen durch die Steinbrucherweiterung Deisenstein nicht auszuschließen sei. Auch Planer Jörg Meier, der das Vorhaben in einer Bürgerversammlung in End vorstellte, konnte das auf Nachfrage vor Ort nicht hundertprozentig ausschließen. Ferner hat auch das Ingenieurbüro für Geotechnik und Umwelt GmbH Gartiser Germann & Piewak im Jahr 2013 Untersuchungen vorgestellt. „Die Ergebnisse decken sich mit den Gutachten von Dr. Nuss zum Einzugsgebiet der Schwabthaler Quellen“, sagt Dietmar Weiß. Und: „Die Alternativenprüfung hat ergeben, dass die Quellen nicht durch andere ortsnahe Wasserversorgungen zu ersetzen sind.“
„Sollte die Entscheidung pro Steinbruch fallen, prüfen die Stadt Lichtenfels und die Rehaklinik eine Klagemöglichkeit.“
Allerdings sind die erwähnten Expertisen nun schon ein Jahrzehnt alt. Für den Leiter der Stadtwerke Lichtenfels eine Marginalie: „Die geologischen Verhältnisse ändern sich in so kurzen Zeiträumen nicht, so dass diese immer noch Gültigkeit haben.“ Darüber hinaus hätten sich die klimatischen Verhältnisse so verschärft, dass es umso wichtiger sei, funktionierende ortsnahe Wasserversorgungen aufrecht zu erhalten und nicht durch private Interessen zu gefährden. Er verweist dazu auf die nationale Wasserstrategie des Bundesumweltministeriums.

Und so hat die Stadt Lichtenfels bereits angekündigt, das planreife Wasserschutzgebiet vorantreiben zu wollen und möglichst rechtskräftig werden zu lassen. „Der neue Antrag für das gemeinsame Wasserschutzgebiet ist derzeit in den abschließenden Arbeiten durch das Ingenieurbüro für Geotechnik und Umwelt GmbH Gartiser Germann & Piewak“, bekräftigt Dietmar Weiß. „Demnächst findet ein Abstimmungsgespräch mit den beteiligten Behörden statt über die Vollständigkeit der einzureichenden Unterlagen, um ,Formfehler‘ zu vermeiden.“ Das soll nicht noch einmal passieren. Dass das Wasserschutzgebiet Planreife besitze, „bedeutet, dass das Landratsamt Lichtenfels im Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für die Erweiterung des Steinbruches Deisenstein die Wasserschutzgebietsgrenzen und das Einzugsgebiet der Quellen beachten muss, als wäre ein rechtskräftiges Wasserschutzgebiet vorhanden“, erläutert Dietmar Weiß. Und das, obwohl es laut Aussagen von Planer Jörg Meier noch nie Beeinträchtigungen des Wassers gegeben habe, die sich auf den Gesteinsabbau zurückführen ließen. Weiß hält dagegen: „Gelegentliche Eintrübungen des Quellwassers nach Niederschlägen können durch Sprengungen auftreten.“ Beweisen konnte man das bisher aber nicht. „Klar ist jedoch, dass durch den Abbau schützende Bodenschichten entfernt werden.“ Beim Versickern des Regenwassers durch das Erdreich werde das Wasser gefiltert. „Wenn diese schützenden Bodenschichten nicht mehr da sind, kann auch nichts mehr gefiltert werden.“
Außerdem sei laut Weiß nicht auszuschließen, dass durch Sprengungen Wasserwege im Untergrund verändert werden, die den Zulauf zu den Quellen beeinträchtigen.
„Darüber hinaus besteht immer die Gefahr von Ölunfällen auf dem Steinbruchgebiet oder an der Abbaukante.“ Dass es noch keine (nachweisbaren) Beeinträchtigungen gegeben habe, spiele sowieso keine Rolle: „Da allein die Besorgnis nicht ausgeräumt werden kann, dass die Quellen gefährdet sind, ist die Erweiterung nach dem Wasserhaushaltsgesetz abzulehnen“, bekräftigt Weiß. Besorgnisgrundsatz nennt das der Fachmann.
Das Landratsamt entscheidet

Dass die Stadt Bad Staffelstein ihr gemeindliches Einvernehmen erteilt hat, ist noch keine Genehmigung für die Erweiterung des Steinbruchs: Die Entscheidung obliegt dem Landratsamt, das alle Betroffenen und Beteiligten im Rahmen der Entscheidungsfindung um eine Stellungnahme gebeten hat. „Die Stadt Lichtenfels hat eine ablehnende Stellungnahme abgegeben“, stellt Dietmar Weiß heraus. „Soweit uns bekannt ist, sind auch weitere ablehnende Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange erfolgt. Die Stellungnahme beziehungsweise knappe Zustimmung der Stadt Bad Staffelstein ist da nur eine Stimme.“ Es liege nun am Landratsamt, unter allen Stellungnahmen abzuwägen und eine begründete Entscheidung zu treffen. Eines ist für den Diplom-Ingenieur schon heute klar: „Sollte die Entscheidung pro Steinbruch fallen, prüfen die Stadt Lichtenfels und die Rehabilitationsklinik eine Klagemöglichkeit.“
Weniger Beeinträchtigungen für das Trinkwasser? Bad Staffelsteins Bürgermeister Mario Schönwald führte in der Stadtratssitzung an, dass derzeit viele Einträge durch die landwirtschaftliche Nutzung ins Wasser gelangten, beispielsweise durch Gülle sowie Spritz- und Düngemittel. Diese würden wegfallen, wenn der Steinbruch erweitert werden würde. „Die Darstellung von Bürgermeister Schönwald ist nicht richtig“, erwidert Dietmar Weiß. „Jeder Landwirt ist im Rahmen des allgemeinen Grundwasserschutzes verpflichtet, mit Gülle sowie Spritz- und Düngemittel sorgsam und pflichtbewusst umzugehen.“ Außerdem würden sowohl die Stadtwerke als auch die Rehaklinik Lautergrund Ausgleichsleistungen an die Landwirte leisten, die Bewirtschaftungsflächen im planreifen Wasserschutzgebiet haben. „Diese Ausgleichszahlungen werden trotz allem geleistet, obwohl das gemeinsame Wasserschutzgebiet 2020 für nichtig erklärt wurde.“ Der Grund: „Wir möchten Sorge tragen, dass die Einträge dadurch minimiert werden, und die Landwirte machen da auch mit.“
Gefährdete Arbeitsplätze? Die Steinwerke Kaider der Firma Neupert, die den Steinbruch unweit von Kümmersreuth betreibt, gibt es seit vielen Jahrzehnten. Derzeit zählt das alteingesessene Unternehmen nach eigenen Angaben rund 50 Arbeitsplätze. Eine Sorge um deren Gefährdung sei unbegründet, so der Leiter der Stadtwerke: „Die Familie Neupert hat bei der Bürgerversammlung in End versichert, dass die Beschäftigten weiterhin Arbeit haben werden, auch wenn die Erweiterung nicht genehmigt wird.“ Bei der Rehabilitationsklinik Lautergrund stünden 130 Arbeitsplätze auf dem Spiel, sollte diese schließen müssen, wenn keine Kurpatienten mehr nach Schwabthal kommen. „Außerdem ist da noch die Gastronomie in Schwabthal, End und Frauendorf“, fährt Dietmar Weiß fort. Die profitiert natürlich unmittelbar von den Kurgästen und deren Besuchern.