Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS: Upcycling mit der Lichtenfelserin Kerstin Rank

LICHTENFELS

Upcycling mit der Lichtenfelserin Kerstin Rank

    • |
    • |
    Kerstin Rank hat einen Sinn für Nachhaltigkeit. In ihrer neuesten Idee lässt sich bequem Platz nehmen.
    Kerstin Rank hat einen Sinn für Nachhaltigkeit. In ihrer neuesten Idee lässt sich bequem Platz nehmen. Foto: Markuks Häggberg

    Kerstin Rank kann gut erzählen. Spricht und erinnert sie sich, so tut sie es geschickt, weil angemessen gestikulierend. Sie sitzt in einem Untergeschoss der Adresse Wendenstraße 40 im Lichtenfelser Ortsteil Oberwallenstadt, und wer zu ihr will, den bemerkt sie durch ein Fenster nach oben blickend schon längst.

    Die Adresse hier bedeutet unter anderem auch einen Lagerraum, der vor Jahrzehnten einem Lebensmittelgroßhandel diente. Seit einigen Jahren aber beherbergt er auch ganze Legionen an Flugzeugsitzen. Mit Flugzeugen fing überhaupt alles an.

    Aus Flugzeug-Rettungswesten werden Taschen

    Rückblende: Es ist 2009, eine junge Frau sitzt im Flieger und will eigentlich nur in den Urlaub. Sie sieht aus dem Fenster und bestaunt die Wolken. Aber es wird nicht lange dauern, bis sie eine Eingebung hat: Was passiert eigentlich mit all den Rettungswesten, wenn sie mal aussortiert werden? Eine Frage mit Folgen und Folgen mit Konsequenzen. Rank machte sich selbstständig, schneiderte Westen unter anderem zu Taschen um und sicherte sich die Bezugsquellen. „Bag to Life“ sollte die Firma bald englisch heißen, was wortspielerisch mit „Tasche fürs Leben“ und „Zurück ins Leben“ jongliert.

    Um was es Rank also geht, ist die Wiederverwertung von Dagewesenem, die Zweitverwertung von Produkten, das, was man Nachhaltigkeit nennt und in diesem besonderen Fall auch Upcycling. Alles lief gut, doch irgendwann kam Corona.

    „Das Grundkonzept für Möbel ist: Aviation meets Bauhaus.“

    Kerstin Rank, Unternehmerin

    Corona bedeutete weniger Urlaubsflüge, weniger Dienstflüge, weniger Flüge überhaupt. Das hatte Auswirkungen auf Bag to Life, auf die Bezugsquellen der Westen und den Absatz. Wie so viele Menschen zog es auch Kerstin Rank ins Homeoffice. Sie stellte die Produktion teilweise auf Corona-Masken um, doch während die Nachfrage zunächst gut war, flachte sie bald ab. Am 4. Dezember 2021 drückte Rank es in der BR-Sendung „Zwischen Spessart und Karwendel“ so aus: „Die Umsätze waren von heute auf morgen weg, und man wusste nicht, was kommt. Da geht einem schon die Pumpe … Und auch jetzt in der Zeit Januar bis April/Mai war in diesem Jahr auch keine schöne Zeit für die Unternehmen.“

    Doch als es Sommer wird, startet die Unternehmerin mit einer neuen Idee durch, und die hat wieder mit dem Fliegen zu tun. Aber auch mit der Bereitschaft der Menschen, es sich wegen Corona und Homeoffice daheim „hübsch zu machen“. Was wäre, wenn man aus Flugzeuginterieur Möbel machte, und was wäre, wenn man aus Flugzeugsitzbezügen Sesselsitzbezüge hinbekäme? Immerhin kauft ihr Geschäftspartner Aviationscout alte Flugzeugsitze und rezertifiziert diese. Wie Rank das sagt, formuliert sie dazu einen Slogan: „Das Grundkonzept für Möbel ist: Aviation meets Bauhaus.“

    Wo sich Architektur, Kunst, Design und Handwerk vermählten

    Wenn Rank von Kunstgeschichte redet, dann gestikuliert sie nicht nur, dann lächelt sie auch. „Kunstgeschichte und Design sind ein Faible von mir“, erklärt sie und erzählt davon, dass schon in der Schule Kunst ihr Leistungskurs war. Dann bringt sie einen Begriff ins Spiel, der weltberühmt ist und von dem man glaubt, genügend zu wissen, ohne es zu tun: Bauhaus.

    Zumeist fallen einem zu dieser von Walter Gropius 1919 gegründeten Kunstschule einheitliche moderne Wohnsiedlungen ein. Auch Rank weiß davon und kennt die Hintergründe. „Es war modern und schlicht zugleich, um ein Wohnen auf gewissem Niveau bezahlbar zu machen“, erklärt die Unternehmerin. Doch sie weiß es noch weit besser, war im Bauhaus-Museum in Dessau und staunte darüber, auf „wie viele Design-Ikonen“ sie dort stieß. Architektur, Kunst, Design und Handwerk vermählten sich und brachten auf Funktionalität ausgerichtete schlichte Formen hervor, die sowohl avantgardistisch wie auch richtungsweisend waren.

    „Ich will Transformation schaffen, damit aus alten Dingen Neues wird. So funktioniert Upcycling.“

    Kerstin Rank, Unternehmerin

    Solch eine Schlichtheit bringen auch die Overhead Bins mit, also jene über Flugzeugsitzen befindlichen langgezogenen Schränkchen, in welchen Leichtgepäck verstaut wird. Es sind „auf Funktion und schlichte Schönheit reduzierte Möbel“, wie Rank es formuliert.

    Corona hin, Corona her: Kerstin Rank sieht sich immer nach neuen Chancen um.
    Corona hin, Corona her: Kerstin Rank sieht sich immer nach neuen Chancen um. Foto: Markus Häggberg

    Sie will diesen Möbeln neues Leben einhauchen, denn ganz unproblematisch ist dieses Flugzeuginterieur nicht. Es besteht aus Verbundmaterial, welches beim Recyclingprozess nur schwer voneinander zu trennen wäre. Jetzt aber sieht Rank in den Overhead Bins nicht nur Potenzial für Stauraum für 10 000 Meter über dem Boden, sondern nach entsprechender Einfassung und Lackierung auch für Schrankmöbel für daheim. „Ich will Transformation schaffen, damit aus alten Dingen Neues wird. So funktioniert Upcycling.“ Was die in Lichtenfels tätige Unternehmerin an den Overhead Bins schätzt, ist eine gewisse „schon gegebene Reduziertheit“, eine Nähe zu Bauhaus also.

    Ein „Butterfly-Sessel“ aus Flugzeugsitzbezügen

    Im Mai 2021 kam noch eine Idee zu Kerstin Rank. Der Frau fiel ein, dass sich aus Flugzeugsitzbezügen vielleicht sogar Ledersessel fertigen ließen. Es sollte nicht nur ein Ledersessel sein, sondern ein Klassiker. Seine Form: Butterfly, also die Schmetterlingsform. Auch dieses Möbel war richtungsweisend und gilt als Design-Ikone, die, wenngleich nicht direkt aus der Bauhaus-Ära stammend, doch optische Bezüge zu ihr vorweist. Das Original dieses Sessels brachte es sogar bis ins Museum of Modern Art (MOMA) in New York.

    Rückblickend räumt Rank ein, dass Corona hart war, aber auch, dass Corona die Chance auf Neubesinnungen bietet. Zwei Tage lang hielt sich der Bayerische Rundfunk zwischen Mai und November zu Dreharbeiten bei ihr und ihrem nun zu B2L umfirmierten Unternehmen auf. Eine Redakteurin, ein Kameramann und ein Tontechniker erkundeten das, was erzählt und geschnitten werden sollte: eine findige Geschichte trotz Corona. Zu finden in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks und in der Reihe „Zwischen Spessart und Karwendel“, dem wöchentlichen Aushängeschild des BR zu Geschichte, Brauchtum und Kultur.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden