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chtenfels/Coburg
Im Falle des wegen besonders schwerer Vergewaltigung angeklagten Lichtenfelsers (Obermain-Tagblatt, 30. September, Seite 3) bot am Freitag der dritte Prozesstag am Landgericht weiterer Erhellungen zum Tathergang. Im Blickpunkt dabei: die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei.
Gefasst wirkend, saß der 59-jährige Angeklagte neben seinem Verteidiger Peter Christ. Das schien zu dem zu passen, was er laut einer Vernehmungsbeamtin am Tattag, dem 18. März dieses Jahres, selbst geäußert haben soll: „Er sagte, dass er großen Mist gebaut habe, dass alles seine Schuld sei und er ins Gefängnis kommen werde.“
Rückblende
Während der Verhandlung sollte es seitens des Angeklagten und seines Verteidigers keine Bestrebung geben, für ein anderes Bild zu sorgen. Rückblende: Am 18. März fuhr der Handwerker mit seinem aus dem westlichen Landkreis stammenden und wenige Jahre jüngeren Opfer durch den halben Landkreis und verging sich an drei Tatorten an der Frau: nahe der Karolinenhöhe, bei Spiesberg und unweit einer im westlichen Landkreis gelegenen Kompostieranlage.
Zeitweilig gefesselt
Nach polizeilichen Erkenntnissen pflegte der Angeklagte vor der Tat eine über längere Zeit hinweg eine Affäre mit der Frau, der er schon während der Autofahrt ein Küchenmesser mit 19 Zentimeter Klingenlänge an den Hals hielt. Wie eine bei der Spurensuche tätige Beamtin vor dem Schöffengericht aussagen sollte, fanden die Lokaltermine der Polizei im Beisein des Opfers statt. Was den Tatverdacht erhärten dürfte, war, dass an einem Tatort jene Kabelbinder gefunden wurden, von denen das Opfer berichtet hatte. Mit ihnen, so die Frau einst zu Protokoll gebend, sei sie zeitweilig gefesselt worden. Doch wie in dem unter Vorsitz von Richter Klaus Halves stehenden Verfahren außerdem zu erfahren war, sei es am Tatort sogar zu einem Fluchtversuch der Frau gekommen. Allerdings habe der Täter sie bald zu Fuß eingeholt und an den Haaren zum Auto zurückgezogen.
Auch das Auto, mit dem der Täter letztlich vor der Polizei floh und Unfälle verursachte, wurde untersucht. Die dabei festgestellten Spuren sollten zur Tatschilderung passen, insbesondere taten das aber Schnittverletzungen, dase das Opfer zur Abwehr an zwei Fingern der linken Hand erlitt.
Auch Richter Halves sollte sich während der Verhandlung Handschuhe anziehen, um die sichergestellten Asservate in Augenschein nehmen. Darunter Panzertape, Kabelbinder und besagtes Messer. Der Frage, ob der Angeklagte diese Gegenstände eigens für die Tat zu Hause bei sich eingepackt hatte oder ob sich diese schon vorher im Wagen befanden, sollte nicht weiter auf den Grund gegangen werden.
Merkwürdige Drohung
Etwas im Dunkel bleiben sollte eine Begebenheit, die sich zeitlich nahe der Tat zudem zutrug. Tatsächlich sollte der Täter nicht nur mit seinem Opfer, sondern auch mit seiner damaligen aktuellen Freundin Zeit auf einem Wanderparkplatz verbracht haben. Dorthin sei die Freundin beordert worden, mit der Bitte, auch ein paar Bierflaschen mitzubringen. Dann sollte seitens der Freundin der Satz „Wenn du etwas sagst, zünde ich dir die Bude an“ gefallen sein. Ein Satz, den sie an das Opfer adressierte, der aber nach Sicht einer im Zeugenstand aussagenden Vernehmungsbeamtin womöglich gar nicht in Bezug zur Tat selbst stand. Immerhin, das sollte zur Sprache kommen, verfügten beide Frauen über eine gegenseitige Abneigung.
Naiven Eindruck gemacht
Was eine im Zeugenstand aussagende Polizeibeamtin aber auch mitteilte, war eine persönliche Einschätzung zum Opfer. „Sie hat auf mich einen recht naiven Eindruck gemacht“, so die Frau, sich darauf beziehend, dass die vergewaltigte Frau einige Vorgeschichten mit dem Angeklagten hatte. Zwei Jahre war man ein Paar, doch nach der seitens der Frau angestrebten Trennung habe der 59-Jährige sehr geklammert und der Frau immer wieder auch an verschiedenen Orten aufgelauert, sie abgepasst oder geplante Begegnungen wie zufällig aussehen lassen.
„Ich habe mir erklären lassen, wie das vor sich gegangen ist. Er habe immer Zufallsbegegnungen instruiert und so Sachen wie 'Wir gehören doch zusammen' gesagt. Er stand wohl auch zufällig mal am Bahnhof (…), ist aber ganz schnell abgehauen. Er wusste, dass die Frau mit der Bahn verreist und (…) wieder heimkommen wird.“
Die Einschätzung dieses Verhaltens, so die Polizeibeamtin, habe sie bei der Vernehmung vom Opfer selbst bekommen: „Sie hatte das auch als Stalking betitelt.“ Doch die vergewaltigte Frau wurde von der Beamtin auch als reflektiert und sortiert beschrieben, frei von „Belastungseifer“.
„Sie habe gedacht, dass ist ein völlig anderer Mensch neben ihr.“
Zum Verhalten des Angeklagten während der Tat, hatte die Frau, die zwei Jahre mit ihm zusammen war, der Polizistin auch etwas anvertraut: „Sie habe gedacht, dass ist ein völlig anderer Mensch neben ihr.“ Als „irre und psychopathisch“ habe das Opfer den Täter geschildert, gerade so, „als wenn sie diesen Menschen nie gekannt hat“.
Am vierten Prozesstag in der kommenden Woche wird sich ein Psychiater zum Wesen des Angeklagten äußern.