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LICHTENFELS: Vor 80 Jahren am Obermain: „Kinder waren Kanonenfutter“

LICHTENFELS

Vor 80 Jahren am Obermain: „Kinder waren Kanonenfutter“

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    Rodach-Brücke bei Marktzeuln, sinnlos vom Volkssturm gesprengt. Repro: Heinz Fischer
    Rodach-Brücke bei Marktzeuln, sinnlos vom Volkssturm gesprengt. Repro: Heinz Fischer

    „Er schrieb noch einmal nach Hause, dass er an der Front sei. Das war sein letztes Lebenszeichen. Im September 1943 fiel mein Onkel nahe Poltowa in der Ostukraine, die auch jetzt so umkämpft ist. Meine Mutter sagte immer, dass der Krieg bereits längst verloren war und diese Bauernkinder nur Kanonenfutter waren.“ So erinnert sich Richard Schramm an die Erzählungen seiner Mutter, die in Zeublitz aufwuchs.

    Vor 80 Jahren

    Vor 80 Jahren ging der Zweite Weltkrieg seinem Ende entgegen. Das ruft Erinnerungen wach. Am Abend des 11. April erreichten die Amerikaner das obere Maintal; sie lagen gegenüber Staffelstein und Lichtenfels. Die Familien in den Orten hatten vor allem mit den alltäglichen Sorgen, wie etwa Lebensmittel-Beschaffung und der Unterbringung der Flüchtlinge, zu kämpfen.

    In vielen Häusern wuchs der Zweifel am NS-Regime. Wo der Mann, der Sohn, der Bruder oder der Enkel als Soldat gefallen oder vermisst waren, kam der Zweifel zuerst auf. In diesem Beitrag gehen wir ein auf das Schicksal der heimischen Soldaten, die ihr oft sehr junges Leben für den Nazi-Wahnsinn lassen mussten und „als Kanonenfutter verheizt“ wurden.

    In den Tod geschickt

    Im Zweiten Weltkrieg starben über 50 Millionen Menschen; darunter mehr als 20 Millionen Soldaten. Auf der deutschen Seite fielen circa fünf Millionen Soldaten. Die Verluste der deutschen Wehrmacht sind deutlich geringer als die der Roten Armee. Die Männer der Jahrgänge 1921 bis 1927 waren besonders betroffen; fast jeder Dritte starb. Die überlebenden Soldaten waren oft körperlich und seelisch versehrt. In den letzten Monaten zwischen Januar und Mai 1945 wurden über 1,1 Millionen

    Menschen in Uniform in den Tod geschickt; zu diesem Zeitpunkt war der Krieg längst verloren. Über drei Millionen Soldaten gerieten in sowjetische Gefangenschaft. Ein Drittel der Gefangenen starb in russischer Gefangenschaft. In Deutschland starben m ehr als die Hälfte der 5,7 Millionen Rotarmisten.

    Im Lichtenfelser Tagblatt

    „In der Schlacht von ...... fiel Ihr Sohn in soldatischer Pflichterfüllung, getreu seinem Fahneneide für das Vaterland“. So oder ähnlich lauten die Gefallenen-Benachrichtigungen der Wehrmacht, millionenfach an die Angehörigen der Soldaten verschickt.

    In den ersten Kriegsmonaten gab es nur wenige Todesmeldungen dieser Art in unserer Region; die Begeisterung über die großen Erfolge an der Front ließ keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Krieges aufkommen. Das änderte sich in den folgenden Jahren. Ab 1941 häuften sich im Lichtenfelser Tagblatt „Heldentod“-Anzeigen von Woche zu Woche.

    Das Sterbebild von Andreas Gückel aus Altenkunstadt. Er fiel in den letzten Wochen des 2. Weltkrieges am 24. Februar 1945.
    Das Sterbebild von Andreas Gückel aus Altenkunstadt. Er fiel in den letzten Wochen des 2. Weltkrieges am 24. Februar 1945. Foto: Andreas Motschmann

    „In der Schlacht von ...... fiel Ihr Sohn in soldatischer Pflichterfüllung, getreu seinem Fahneneide für das Vaterland.“

    Der krasse Gegensatz zur NS-Propaganda zeigte sich. Im Juni 1941 waren 20 Burgkunstadter Soldaten im Kriegsgeschehen gestorben. In manchen Häusern wurde das Bild des „Führers“ an der Wand ersetzt durch das Bild des gefallenen Sohnes oder Ehemanns.

    Sieben Höfe, drei Kinder verloren

    In Zeublitz bei Altenkunstadt mit seinen über 50 Einwohnern gab es sieben Höfe; drei Familien verloren je ein Kind im Krieg. Richard Schramm führt weiter aus: „Es muss schon furchtbar bedrückend gewesen sein. Paul Kurz, der Nachbarsjunge, fiel mit knapp 20 Jahren, drei Wochen vor meinem Onkel Georg Göring. Er starb zwei Monate nach seinem 20. Geburtstag. Georg war zu diesem Zeitpunkt noch im Heimaturlaub, bevor seine Kompanie in Coburg für Russland neu aufgestellt wurde.

    Meine Mutter erzählte immer wieder von den bedrückenden Erfahrungen in dieser Zeit. Ihr jüngerer Bruder Hans wurde ebenso eingezogen und kam 1944 bis Reims in Frankreich, von wo es nur noch rückwärts ging. Er überlebte.“ Auf einer Gedenktafel in der Zeublitzer Kapelle stehen die beiden Gefallenen. Der Dritte war Hans Bornschlegel mit 24 Jahren.

    Nach 80 Jahren erinnern nur noch die Kriegerdenkmäler an die Gefallenen. Hier das Denkmal in Ebensfeld.
    Nach 80 Jahren erinnern nur noch die Kriegerdenkmäler an die Gefallenen. Hier das Denkmal in Ebensfeld. Foto: Heinz Fischer

    44 von 186

    Fast alle Orte am Obermain waren betroffen: Von den 186 Marktzeulner Soldaten starben 44 im Krieg, fünf wurden als vermisst gemeldet. Auf weiteren Gedenktafeln und Kriegerdenkmälern lesen wir die Namen dieser Kriegsopfer. Über ihr Schicksal erfahren wir heute nichts mehr. Wenn Soldaten in den letzten Wochen des Krieges aus dem jungen Leben gerissen wurden, wurde die Unsinnigkeit des Krieges noch stärker als zu Beginn des Krieges empfunden. So fiel Andreas Gückel aus Altenkunstadt am 24. Februar 1945; ein Trauerbild erinnert. Aus Neuensee fiel Andreas Hofmann am 21. März; drei Wochen später wurde sein Heimatort von den US-Amerikanern eingenommen. Zwei Tage später traf es Gustav Fleischmann. Er war einer von sieben Lettenreuther, die aus diesem Ort 1945 für die unsinnigen letzten Kämpfe ihr Leben wegzugeben gezwungen waren.

    Auf einer Tafel des Kriegerdenkmals in Redwitz lesen wir die Namen von 14 Soldaten, die ab Januar 1945 vermisst gemeldet wurden.

    Kindersoldaten im Volkssturm

    Im September 1944 wurde der Volkssturm gebildet; alle bisher noch nicht kämpfenden waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren sollten den „Heimatboden verteidigen“ und für den „deutschen Endsieg kämpfen“. Alte Männer und Jugendliche wurden in die Kriegsmaschinerie hineingezogen. Sie mussten am Obermain Brücken sprengen und den herannahenden Amerikanern den Weg erschweren.

    Die Rodachbrücke bei Marktzeuln ist ein Beispiel für dieses sinnlose Unterfangen; die amerikanischen Panzer überquerten problemlos den Fluss auf der neben der Brücke liegenden Furt.

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