Schon der Auftakt hatte Signalwirkung. Er schien optimistischer, kraftvoller, beseelter, voller, wohliger. Er sprach von Erlösung. Am Ende sollte vor allem auch Kirchenmusikdirektor Klaus Bormann Lob für ein Dirigat bekommen, unter welchem alles untergebracht war – frohe Botschaft inklusive. Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium in der Martin-Luther-Kirche dürfte vielen noch lange in Erinnerung bleiben.
Es ist eine Tradition. Seit Jahren schon spielen der Lorenz-Bach-Chor und die Vogtlandphilharmonie unter der Leitung von Klaus Bormann an den 6. Januaren in der evangelischen Hauptkirche der Kreisstadt dieses Werk. Und es war immer schön.

Aber was war denn nun anders? Lag es an der Sehnsucht der Menschen, nach zwei coronabedingten Konzertausfällen der vergangenen Jahre wieder Tradition zu erleben. Oder war da noch etwas im Spiel, etwas, das in der Musik bisweilen zur atmosphärischen Dichte geschieht und sich jeder Formulierung entzieht?
Harmonisches Gefüge zwischen Chor und Orchester war wahrnehmbar
Das gewaltige Bach'sche Werk selbst wurde freilich auf die Teile I, III und VI beschränkt, aber es würde, auch das sollte Bormann im Nachgang des Konzerts äußern, ja ohnehin selten in Gänze aufgeführt. Zwar probte der Chor schon seit September, aber eine Probe mitsamt Orchester gab es nur einmal.

Klar, das sind Profimusiker, die üben auch für sich selbst. Doch dass es deswegen zu einem harmonischen Gefüge kommen muss, ist darum ja nicht gesagt. Doch dieses harmonische Gefüge zwischen Chor und Orchester war wahrnehmbar. Zum einen darum, weil der Chor gut aufgelegt war und es wohl nur einmal, gegen Ende des Programms und beim Choral „Ich steh an deiner Krippe hier“, aus der Männerriege heraus einen Misston gab.
Und für sich genommen leisteten die Philharmoniker auch einiges. Sie ließen die Ordnung Bach'scher Musik nicht mathematisch-nüchtern, nicht logisch-kühl, nicht einfach nur akkurat klingen, sondern belebt. Beispielsweise in den melodischen Einsprengseln der Oboen während des Gesangsparts von Anna Gann (Sopran) und Thomas Gropper (Bass), während einer gemeinsam gesungenen Arie im dritten Teil. Das war leicht, das war verspielt, das stand zwar in der Partitur, aber es war doch besonders. So wie auch das Fagottspiel von Takashi Hagiwara oder das versteckte Frage-und-Antwortspiel zwischen Trompeten und Streichern im ersten Chorgesang.
Es gab viele solcher Oders, und sie gehörten auch Tenor Reiner Geißendörfer, der mitunter von der Kanzel aus sang, sowie Altistin Diana Schmid. Im Zusammenwirken des gesamten Ensembles, zu welchem auch Organist Christian Reitenspieß gehörte, sollte sich durch die Musik die frohe Botschaft erheben, und froh heißt frei.
„Das kam vom Herzen heraus ... und das war sehr gut“
Kaum vorstellbar, dass der Schlusssatz des letzten Chorals, in welchem es heißt „Tod, Teufel, Sünd und Hölle sind ganz und gar geschwächt; bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht“, in dieser Kirche jemals frohbotschaftlicher geklungen hat. Oder wie sagte Cellistin Sigrid Störr doch auch zum Dirigat Bormanns: „Das kam aus dem Herzen heraus (…) und das war sehr gut.“ Die stehenden Ovationen blieben nicht aus. Aber es waren weniger Besucher da, als noch bei der letzten Aufführung vor Jahren. Den Abwesenden sei gesagt: Sie haben was verpasst.