Ein gesellschaftliches Ereignis für Lichtenfels war die Eröffnung des Geschenk- und Haushaltswarenhauses Emil Prüfer am 25. Februar 1956. Mit einer Schaufensterfront von 34 Metern Länge und einer 18 Meter langen Passage war das Gebäude in der Judengasse 14 das modernste Geschäftshaus der Kreisstadt. Während die Honoratioren die Aufwertung des bisher stiefmütterlich behandelten Viertels zwischen Judengasse und Badgasse feierten, ging für Rudolf und Elisabeth Prüfer ein Traum in Erfüllung. Elf Jahre zuvor waren sie auf der Flucht vor der Roten Armee aus Schwiebus in der Mark Brandenburg nach Lichtenfels gekommen. Eine Erfolgsgeschichte wie die vieler Geflüchteter aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die mit Energie und Geschäftssinn zum Wirtschaftswunder in Oberfranken beitrugen, wie ihre Tochter Gabriele Zeitler-Prüfer berichtete.
Gerade einmal 18 Tage alt war Gabriele Prüfer, als sie mit ihren Eltern am 1. Februar 1945 in Lichtenfels ankam. Außer einigen Rucksäcken mit Kleidung und Dokumenten hatte die Familie nichts retten können. Eine Unterkunft fand sie in Schloss Schney dank einer Bekanntschaft mit dem Besitzer, Dr. Carl-Ernst Neuber Freiherr von Neuberg.
Große Backvorführungen mit Herden im Böttner-Saal

Bereits im September 1945 gelang es dem Kaufmann Rudolf Prüfer, ein Haushaltswarengeschäft in der Coburger Straße 13 zu eröffnen, da ihnen Kunigunde und Willibald Dröscher die Geschäftsräume zur Verfügung stellten. Von Glas und Porzellan bis zu Blechgießkannen und Herden reichte das Sortiment. Der Firmenname lautete wie in Schwiebus nach dem Firmengründer Emil Prüfer, dem Vater von Rudolf Prüfer.

„Mit den Herden der Firma Hohmann aus Bochum haben wir sogar Backvorführungen im Böttner-Saal gemacht“, erinnerte sich Gabriele Zeitler-Prüfer. Ausgeliefert wurden sie mit dem Bollerwagen. „Und auf dem Jura ließen wir ausschellen, dass es beim Prüfer Gießkannen und vieles mehr gibt.“ Noch Jahrzehnte später wurde sie von Unbekannten darauf angesprochen, dass sie einst ein Goldrand-Service bei ihren Eltern gekauft hätten.
Da die Geschäfte gut liefen, beschlossen die Prüfers, ein größeres Geschäftshaus zu bauen. Von der JRSO, einer Behörde der US-Militärverwaltung in Fürth zur Rückerstattung und Verwertung des von den Nazis geraubten jüdischen Eigentums, kauften sie 1953 das Eckhaus zwischen Badgasse und Judengasse. Es hatte bis 1938 der jüdischen Gemeinde in Lichtenfels gehört. In der Pogromnacht war der jüdische Lehrer, der dort lebte, von den Nazis ins Vernichtungslager verschleppt worden. Seine Frau wurde später tot aus dem Main geborgen.

Trotz der tragischen Vorgeschichte sollte es für die Prüfers ein guter Ort werden. Bevor das für die Geschäftsräume zu kleine Haus abgebrochen werden konnte, musste Rudolf Prüfer für die Flüchtlingsfamilien, die darin lebten, Wohnungen finden. Ein Glücksgriff war die Verpflichtung des jungen Architekten Erich Meyer, dessen erster größerer Auftrag nach dem Studium das Geschäftshaus war, wie Gabriele Zeitler-Prüfer berichtete. Auch dank dieses Auftrags habe er in der Region bald einen Ruf als „Star-Architekt“ genossen und zahlreiche Geschäfts- und Wohnhäuser errichtet. Nach Erzählungen ihrer Eltern und anhand von Zeitungsberichten und Bauplänen hat sie die Baugeschichte des Geschäftshauses rekonstruiert.
Transparente Konstruktion auf 14 Stahlbeton-Säulen

Da ihr Vater helle Räume liebte, entwarf Meyer transparente Geschäftsflächen im Erdgeschoss. Die Stahlbeton-Konstruktion, die von 14 Säulen getragen wird, öffnete er zur Badgasse hin in Form einer 18 Meter langen Passage, der damals längsten in Lichtenfels. Über den Verkaufsräumen im Erdgeschoss wurden Vorführ- und Lagerräume im ersten Stock und Wohnungen im zweiten Stock eingerichtet. Eine besondere Herausforderung war die Fundamentierung, weil der ehemalige Stadtgraben durch das Grundstück führte und erst in drei Meter Tiefe tragfähiger Boden zu finden war. Nach dem Baubeginn am 11. Juli 1955 wurde bereits im November das Richtfest gefeiert und am 25. Februar 1956 die feierliche Eröffnung. Von einem „neuen deutschen Wirtschaftswunder“ sprach Arthur Hofmann aus Kulmbach in der Tischrede. Und die Presse regt angesichts des modernen Baus an, den Gehweg in der Badgasse und die Judengasse zu pflastern, um das Viertel aufzuwerten.
Das kleinste Rosenthal-Studio in Deutschland

„Wir waren das kleinste Rosenthal-Studio Deutschlands“, erinnert sich Gabriele Zeitler-Prüfer. Auch WMF und andere große Marken führte das Fachgeschäft für Geschenkartikel, Haushalts- und Glaswaren. Hatte die Familie den Laden in der Coburger Straße noch mit drei Auszubildenden geführt, so hatten sie im neuen Geschäft bereits vier Mitarbeitende und vier Auszubildende und zuletzt sogar zehn.

Gerne erinnert sich Gabriele Zeitler-Prüfer an den Andrang im Geschäft etwa beim Weihnachtsmarkt. Der fand damals nicht auf dem Marktplatz statt, sondern erstreckte sich von der Badgasse über die Zweigstraße und die Judengasse bis zum Rathaus. Reges Geschäftsleben herrschte damals in der Badgasse, gegenüber waren ein Gemüsegeschäft, ein Bauernhof und ein Trachtenladen. Nebenan ein Milchladen, das Uhrenfachgeschäft Flieger, ein Blumenladen, die Firma Dusold mit Papierwaren und der Schokoladenladen von Betty Fischer.
Bis Ende 1969 führte die Familie Prüfer das Geschäft. Da die Tochter inzwischen den Inhaber des Burgkunstadter Autohauses Zeitler, Rolf Zeitler, geheiratet hatte und somit nicht als Nachfolgerin zur Verfügung stand, beschlossen sie, zu vermieten.
Ein Mieter führte das Glas- und Porzellanwarengeschäft weiter und später folgte ein Schuhgeschäft. 1991 kaufte der Unternehmer Gerd Laatz das Gebäude für sein Thüringisch-Fränkisches Reisebüro und die Z.I.E.L. GmbH.