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Lohr: Anfangs Nestbeschmutzer: Warum Lohr an FSC-Zertifizierung der Waldwirtschaft festhält

Lohr

Anfangs Nestbeschmutzer: Warum Lohr an FSC-Zertifizierung der Waldwirtschaft festhält

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    Stolze Truppe: Bürgermeister Mario Paul und Stadtwaldchef Michael Neuner nahmen zusammen mit Stadträten und Mitarbeitenden der städtischen Forstverwaltung aus den Händen von FSC-Geschäftsführer Elmar Seizinger die Urkunde für 25 Jahre FSC-Zertifizierung entgegen.
    Stolze Truppe: Bürgermeister Mario Paul und Stadtwaldchef Michael Neuner nahmen zusammen mit Stadträten und Mitarbeitenden der städtischen Forstverwaltung aus den Händen von FSC-Geschäftsführer Elmar Seizinger die Urkunde für 25 Jahre FSC-Zertifizierung entgegen. Foto: Johannes Ungemach

    Vor 25 Jahren war die Stadt Lohr bayernweiter, skeptisch beäugter Vorreiter bei der anspruchsvollen Zertifizierung in Sachen Waldwirtschaft.  Über die Jahre beschlossen bundesweit etliche weitere Waldbesitzer, nach den vergleichsweise strengen Standards des FSC-Gütesiegels zu handeln. Heute jedoch bröckelt einem gesellschaftlichen Trend folgend auch im Forst die Bereitschaft, für nachhaltiges Handeln Mehraufwand zu betreiben. Weswegen sich Lohr diesem Trend widersetzen will, wurde jetzt bei einer kleinen Feierstunde zur „Silberhochzeit“ von Stadtwald und FSC deutlich.

    Und Geschichte wiederholt sich doch: Als in der Lohrer Stadtpolitik vor 25 Jahren die Diskussion darüber geführt wurde, ob man den mit gut 4100 Hektar drittgrößten Stadtforst in Bayern nach den strengen Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC) ausrichten soll, gab es reichlich Gegenwind. Der gleiche Gegenwind, der auch heute bei Themen wie Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz häufig wieder weht.

    Initiatoren: Rückert und Selinger

    Bernhard Rückert, der mittlerweile pensionierte ehemalige Stadtforstleiter, war vor 25 Jahren zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Siegbert Selinger Triebfeder der Lohrer FSC-Initiative. Bei einer kleinen Feierstunde auf dem Beilstein erinnerte er sich am Dienstagabend an einen „schwierigen Kampf“ und „viel Streit“, den es damals im Stadtrat und in der Forstpartie gegeben habe.

    Vertreter des Staatlichen Forstamtes ebenso wie des Waldbesitzerverbandes hätten bei Auftritten im Gremium eindringlich davon abgeraten, sich den strengen Kriterien des FSC-Zertifikats zu unterwerfen, erinnerte sich Rückert. Es sei mehr oder weniger die Rede davon gewesen, dass man damit den Wald vernichten würde.

    FSC schreibt unter anderem den Verzicht auf Pestizide vor, schränkt aber auch das Einbringen fremdländischer Baumarten oder das Befahren der Waldbestände mit Forstmaschinen ein. Ein weiteres Kriterium ist, dass ein Zwanzigstel der Waldfläche aus der Nutzung genommen werden muss.

    Große Widerstände

    Anfangs sei die klare Mehrheit der Lohrer Stadträte gegen die Zertifizierung gewesen, schilderte Rückert. Doch je mehr Einflussnahme es von außen gegeben habe, „desto mehr waren dafür“. Am Ende habe der Stadtrat in einer sehr knappen Kampfabstimmung für die Zertifizierung votiert.  

    In dem seither vergangenen Vierteljahrhundert hat sich der Lohrer Stadtwald zu einem bundesweit anerkannten Musterbetrieb nachhaltiger Waldwirtschaft entwickelt. Man habe dabei bewiesen, so Bürgermeister Mario Paul, dass sich in der Waldwirtschaft Ökonomie, Ökologie und soziale Aspekte unter einen Hut bringen lassen. Er könne nicht verstehen, dass dies heute immer noch angezweifelt werde.

    „Es ist eine Musterehe“, sagte Paul über die Verbindung von Lohr und FSC. Die Stadtpolitik stehe fest hinter dem Siegel und der damit verbundenen Art der Waldbewirtschaftung. Lohr werde den von Rückert schon Anfang der 1990er-Jahre eingeschlagenen und vor 25 Jahren mit dem FSC-Siegel manifestierten Kurs beibehalten, „weil wir überzeugt sind, dass er richtig ist“, sagte Paul.

    In Forstkreisen kritisch beäugt

    Elmar Seizinger, Mitglied der Geschäftsführung von FSC-Deutschland, sprach davon, dass sich die Stadt bei ihrer Waldbewirtschaftung zu einer Zeit für strenge Standards entschieden habe, als Pestizideinsatz, Kahlschläge und schematischer Holzeinschlag noch weit verbreitet gewesen seien. FSC und Waldbesitzer, die sich dem Siegel anschlossen, hätten damals als „Nestbeschmutzer“ gegolten. 

    Leider, so Seizinger, sei es auch heute noch etwas Besonderes, Wälder nach den anspruchsvollen FSC-Kriterien zu bewirtschaften. Waldbesitzer, die sich einst für das Siegel entschieden hätten, legten es teilweise wieder ab, um bei der Forstwirtschaft weniger Rücksicht auf Standards nehmen zu müssen. Es herrschten schwierige Zeiten, für das FSC-Siegel ebenso wie für den Nachhaltigkeitsgedanken, so Seizinger. Umso mehr freue er sich über die feste Überzeugung, mit der man im Lohrer an FSC festhalte.

    Einhalten der FSC-Standards aufwendig

    Michael Neuner, der seit 2021 die städtische Forstverwaltung leitet, hob neben der damaligen Hartnäckigkeit seines Vorgängers Rückert und Selingers vor allem die Leistung des städtischen Forstteams hervor: „Ohne gutes Personal, das zufrieden ist, können wir diese Waldwirtschaft nicht aufrecht halten.“

    Das Einhalten der FSC-Standards bedeute Aufwand, der Geld koste, sagte Neuner auf Nachfrage. Der etwas höhere Preis für FSC-zertifiziertes Holz gleiche diesen Aufwand aus. Man mache mit dem Siegel keinen Gewinn, habe aber all die positiven Aspekte, die aus der schonenden und sorgsamen Waldwirtschaft resultierten, so Neuner.

    Die Nachfrage nach FSC-zertifiziertem Holz sei schwankend. Das Siegel habe teilweise im Ausland, etwa im englischsprachigen Raum, einen höheren Stellenwert als in Deutschland. Jedoch habe die Stadt durchaus Kunden, die Wert auf das Siegel legten und bereit seien, mehr Geld für das Holz zu bezahlen. Als Beispiele nennt Neuner Hersteller von Holzwolle und Spielzeugen. Auch Holz, das im Baumarkt lande, trage häufig das FSC-Siegel. 

    Neuner sprach davon, dass das FSC-Siegel gerade in Zeiten umso bedeutungsvoller sei, in denen die Themen Natur und Nachhaltigkeit auf allen politischen Ebenen in den Hintergrund gerieten. Dabei seien diese Themen aktueller denn je, denn, so Neuner, „wir haben nur die eine Natur“. Vor diesem Hintergrund könne Lohr darauf stolz sein, dass der Stadtwald erst in diesem Jahr die turnusmäßige Überprüfung durch FSC ohne Auflagen bestanden habe und das Siegel nun wieder weitere fünf Jahre tragen könne.

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