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Lohr: Flexibilität oder Arbeitszeit-Stretching? Wie 5 Lohrer Wirte über die geplante Änderung bei den Arbeitszeitvorgaben denken

Lohr

Flexibilität oder Arbeitszeit-Stretching? Wie 5 Lohrer Wirte über die geplante Änderung bei den Arbeitszeitvorgaben denken

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    Sven Gottschalk vom Gasthaus Schönbrunnen setzt auf Zeitkonten, um Überstunden aufzufangen.
    Sven Gottschalk vom Gasthaus Schönbrunnen setzt auf Zeitkonten, um Überstunden aufzufangen. Foto: Annette Helfmann

    Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schlägt Alarm. Die Bundesregierung plant eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes nach europäischem Recht. Ibo Ocak von der NGG Unterfranken formuliert es in einer Pressemitteilung deutlich. Statt eines geregelten Acht-Stunden-Tages könnten „Arbeitgeber ihre Beschäftigten dann sogar zu 73,5-Stunden-Wochen verdonnern – nämlich zu sechs Tagen à zwölf Stunden und 15 Minuten im Job. Das wäre fast das doppelte Wochen-Pensum von heute – und damit Arbeitszeit-Stretching pur“, kritisiert Ocak.

    Laut Pressemitteilung fielen im Landkreis rund 1,8 Millionen Überstunden bei Beschäftigten in der Gastronomie und Hotellerie im vergangenen Jahr an. Nach Aussagen der NGG davon rund 941.000 Überstunden zum Nulltarif, sprich, ohne Bezahlung. Das gehe aus dem „Arbeitszeit-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht habe, heißt es in der Pressemitteilung.

    „Gesetzesänderung bringt nichts“

    Servicepersonal und Küchenmitarbeitende arbeiten in Früh- und Spätschichten, an Wochenenden und Feiertagen. Und der Tourismus, das Wetter und die Biergartensaison haben ebenfalls Einfluss auf die Arbeitszeit und sorgen für Stoßzeiten. Die Redaktion hat in der Gastronomie nachgefragt und sich dafür Lohr mit seinen Gaststätten ausgesucht.

    Wie handhaben die örtlichen Gastronomen das Thema Stoßzeiten und Überstunden und würde eine Änderung der Arbeitszeitenregelung nach europäischem Recht Erleichterung bringen? „Eine Gesetzesänderung bringt nichts“, sagt Sulejman Mezdi, Wirt der Osteria Rose. Das Hauptproblem seien nicht die anfallenden Überstunden, sondern, dass kaum Personal zu finden sei, das in der Gastronomie mit ihren Stoßzeiten arbeiten wolle. Als er in der Gastronomie anfing, sei „Kellner und Kellnerin ein richtiger Beruf gewesen. Heute nicht mehr“, macht Mezdi als Hauptproblem aus.

    Suljman Mezdi übernimmt in der Osteria Rose in Lohr Überstunden im Service selbst.
    Suljman Mezdi übernimmt in der Osteria Rose in Lohr Überstunden im Service selbst. Foto: Annette Helfmann

    Dazu käme, dass kaum mehr jemand bereit sei, an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten. Seine Lösung bei anfallenden Überstunden: „Das machen der Chef und die Chefin selbst.“ Auch weil sonst die Ausgaben zu hoch seien.

    Hilfe in Stoßzeiten

    Im Weinhaus Mehling räumt Matthias Mehling ein, dass durch die aktuelle Regelung „Flexibilität nur in gewissen Grenzen gegeben ist“ und das vorhandene Personal durch die Regularien eingeschränkt werde. Das europäische Recht könnte in Stoßzeiten eine Hilfe sein, meint er. Auch er sieht das Hauptproblem darin, dass es grundsätzlich schwierig sei, Personal für einen Job zu gewinnen, der Stoß- und Saisonzeiten beinhalte.

    Im Brauerei-Gasthaus Schönbrunnen arbeitet Inhaber Sven Gottschalk mit Zeitkonten für seine Beschäftigten. Diese digitale Zeiterfassung erleichtere das flexible Arbeiten, ist seine Erfahrung. Er setzt bei seinem Personalstamm auf Kontinuität. „Ich halte mein Personal auch im Winter, damit ich es im Sommer habe“, fasst er zusammen und ergänzt: „Es ist ein Miteinander.“ Im Sommer, bei schönem Wetter, falle gegenüber den Wintermonaten, 40 Prozent mehr Arbeit an. Überstunden blieben da nicht aus. In ungünstigen Fällen, bei Erkrankung eines Kollegen, könnte es vorkommen, dass ein Servicemitarbeiter vom Vorabend auch für die Schicht am nächsten Tag gebraucht würde. Das europäische Recht brächte für den Arbeitgeber in einem solchen Fall mehr Sicherheit, wägt er Pro und Contra ab.

    Zeitkonten erleichtern den Alltag

    Auch im Keiler Brauhaus arbeitet Wirt Sebastian Merz mit Zeitkonten. Das sei im praktischen Alltag eine Erleichterung, ist auch er überzeugt. Er kommt mit der bisherigen Arbeitszeitregelung zurecht und sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung.

    Der Wirt des Keiler Brauhauses, Sebastian Merz, regelt die Arbeitszeiten über Zeitkonten.
    Der Wirt des Keiler Brauhauses, Sebastian Merz, regelt die Arbeitszeiten über Zeitkonten. Foto: Annette Helfmann

    Kilian Wirthmann, Inhaber der Küferstube sieht in der europäischen Regelung eine Chance. „Dann wäre das Starre weg und es gäbe mehr Flexibilität“, meint er. Er fasst es in klare Worte: „Man kann die Gäste ja nicht heimschicken“, damit beim Personal keine Überstunden anfallen. Er würde eine Wochenarbeitszeitregelung gegenüber den festgelegten Arbeitszeiten pro Tag bevorzugen. „Man könnte besser jonglieren“, meint er.

    Kilian Wirthmann, Inhaber der Küferstube Lohr, würde eine Wochenzeitregelung bevorzugen.
    Kilian Wirthmann, Inhaber der Küferstube Lohr, würde eine Wochenzeitregelung bevorzugen. Foto: Annette Helfmann

    Auf dem Rückweg aus der Lohrer Innenstadt fällt ein Schild beim Eiscafé Corvara auf. Dort ist der Verkauf seit Corona durch Selbstbedienung und Bezahlung am Kassenautomaten geregelt. Damit wurde damals den Hygieneauflagen entsprochen, berichtet ein Mitarbeiter. Nur die Ausgabe des Eises erfolgt noch durch das Personal. Wird das vielleicht überall die Zukunft sein, wenn immer weniger Menschen bereit sind, an Sonn- und Feiertagen, Wochenenden und zu saisonalen Stoßzeiten im Gastronomieservice und der Küche zu arbeiten? 

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