Muss die Stadt Lohr den Verkauf der letzten großen Freifläche im Industriegebiet Süd mit großen Werbebannern und Internetvideos anpreisen? Oder handelt man sich mit einer solchen Kampagne nur zusätzlichen Ärger ein, weil man am Ende vielleicht noch mehr Interessenten als ohnehin schon eine Absage erteilen muss? Diese Fragen aus den Reihen der Stadträte machten in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur deutlich, dass die neuen städtischen Kommunikationswege im Einzelfall auch kritisch gesehen werden.
Es war Anja Güll, Leiterin des jungen „Teams Kommunikation“ im Rathaus, die den Räten die neuen Kommunikationswege vorstellte. Sie sprach davon, dass es für eine moderne Kommune „nicht Kür, sondern Pflicht“ sei, auf verschiedensten Kanälen aktiv zu kommunizieren.
In Zeiten sich wandelnder Mediennutzung gehe es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. Vor allem Jüngere seien über klassische Medien nur schwer anzusprechen. Deswegen, so Güll, müsse auch eine Stadt wie Lohr soziale Medien und Internetplattformen bespielen, um darüber zu „informieren, was in Stadt und Rathaus passiert“, so Güll.
Güll: Modern und attraktiv
Das Erklären städtischen Handelns sei nur ein Aspekt. Es gehe auch darum, dass sich Bürger ernstgenommen fühlen. Und schließlich werde eine auf allen Kanälen präsente Kommune als modern und attraktiv wahrgenommen, nicht zuletzt als Arbeitgeber, zeigte sich Güll überzeugt.
Daher probiere man seit rund einem Jahr verschiedenste Kommunikationswege aus. Als ein Beispiel führte Güll sogenannte Reels vor, also Kurzvideos auf Internetplattformen wie etwa Instagram. In derlei Bewegtbild hat die Stadt beispielsweise schon die laufende Altstadtsanierung, das kostenfreie Parken für E-Autos oder den Lohrer grünen Markt beleuchtet. Als Paradebeispiel nannte Güll die Werbekampagne für neue Rettungsschwimmer für das Freibad.
„Wir tüfteln teilweise tagelang an Ideen für Videos“, gab Güll Einblick. Das Erstellen eines Videos dauere inklusive „Drehbuch“, Videodreh und -schnitt meist um die drei Stunden. Erledigt werde die Arbeit von einem kleinen Team. Außer der Arbeitszeit fielen keine Kosten an, da man die Videos auch nicht bewerbe.
Güll sprach von einer wachsenden Beachtung der Videos. Parallel dazu gebe es auch weiterhin Pressemitteilungen oder die städtische Internetseite, über die man informiere – und eben auch, ganz analog, Werbebanner wie das zum Verkauf des Lohrer „Filetstücks“ im Industriegebiet.
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Genau dazu ab gab es dann allerdings Kritik: Brigitte Kuhn (CSU) bekannte, dass ihr die „Riesen-Plakate sauer aufgestoßen“ seien. Alle Unternehmen in Lohr wüssten, dass die Fläche zum Verkauf stehe und es gebe bereits Interessenten. Kuhn folgerte: „Die Plakate kosten Geld und bringen nichts. Sie sind für die Katz'.“
Bürgermeister Mario Paul sah das anders. Es gehe darum, bei diesem Prozess auch die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und Transparenz zu schaffen, etwa hinsichtlich der Vergabekriterien. In die gleiche Richtung argumentierte Güll. Sie räumte allerdings ein, dass sich wegen der Werbebanner wohl kein zusätzliches Unternehmen für die Flächen bewerben werde.
Ulla Menzel (CSU) sorgte sich, dass die auf verschiedenen Kanälen gespielte Werbekampagne dazu führen könnte, dass es weitere Interessenten gibt. Was wohl los sei, wenn heimische Unternehmen, „die mit den Hufen scharren“, durch zusätzliche Bewerber womöglich von auswärts „rausgekegelt“ würden, fragte sich Menzel.
Paul erklärte dazu, dass es Sache des Stadtrats sei, am Ende eine Verkaufsentscheidung zu treffen. Zu der müsse man dann auch bei Kritik stehen. Der Verkauf der Fläche werde die Stadt „für mehrere Jahrzehnte prägen“, weswegen ein Wettbewerb dazugehöre, so Paul.
Paul: Kein privater Kanal
Die im Rathaus auch für Wirtschaftsförderung zuständige Güll sprach davon, dass es das Ziel sei, den für die Stadt besten Käufer zu finden: „Wettbewerb steigert die Leistung.“ Daher sei es nur zu begrüßen, wenn man eine möglichst große Auswahl an Bewerbern habe.
Michael Kleinfeller (CSU) trieb schließlich ein ganz anderer Punkt um. Er sprach – womöglich nicht zuletzt mit Blick auf den näherrückenden Kommunalwahlkampf – davon, dass in den städtischen Videoclips nicht immer nur die gleichen Akteure zu sehen sein dürften. Bislang war es häufiger Bürgermeister Mario Paul, der in den Videos auftauchte. „Es sollten auch andere die Möglichkeit haben, sich zu präsentieren. Das gehört zur Fairness dazu“, forderte Kleinfeller.
Paul sagte dazu, er habe ein entsprechendes Angebot gemacht. Im Stadtrat sei dies jedoch auf Bedenken gestoßen. Auf jeden Fall seien die neuen städtischen Videoclips nicht sein „privater Kanal“, sagte Paul.
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