„Super, weniger Geld (…) wieder kein Führerschein“, sollten die ersten Worte sein, die ein 19-jähriger aus dem Landkreis Lichtenfels nach Verlassen des Amtsgerichts zu seinen auf ihn wartenden Kumpels sprach. Worauf sich seine Sätze bezogen, war die Geldstrafe, die ihm wenige Minuten zuvor von Richter Matthias Huber wegen des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungsfeindlichen Organisation nebst Körperverletzung auferlegt worden ist.
Das Johannisfeuer des 23. Juni 2024 wird manchen Unterzettlitzern noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Auch darum, weil sie sich die damaligen Vorgänge in dem von Richter Matthias Huber geleiteten Verfahren erneut ins Gedächtnis zu rufen hatten. Denn gegen 1.30 Uhr soll der 19-Jährige in Gesellschaft mit Kumpels auf diesem Fest aufgetaucht sein, einer anderen Person den Hitlergruß gezeigt und diese mit Faustschlägen verletzt haben. Überdies habe er dieser Person noch eine Frage gestellt: „Bist du ein Faschist?“ So jedenfalls schilderte Staatsanwältin Daniela Jensch den Vorfall. Dann hatte der Angeklagte das Wort.
Des Diebstahls beschuldigt
Der junge Mann, eher klein und von schmächtiger Statur, wies die Vorwürfe von sich. Vielmehr, so schilderte er, sei es so gewesen, dass von einem dort anwesenden Mann um 1:30 Uhr gegen ihn eine unrechtmäßige Beschuldigung ausgesprochen worden sei, nämlich die, wonach er auf dem Fest Bierkrüge geklaut habe. So kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und jenem Mann. Doch was Jensch vor allem interessierte, formulierte sie so: „Haben Sie den Hitlergruß gezeigt?“ Die Antwort des 19-Jährigen: „Es war hundertprozentig nicht so.“ Das sah ein 42-jährige Unterzettlitzer anders. Er war der Mann, der den Angeklagten einst des Bierkrugdiebstahls bezichtigte und er ging im Zeugenstand sogar noch weiter. Bis zum 1. Mai 2024 und dem Maibaumfest des Ortes, bei dem der Angeklagte schon einmal pöbelnd aufgefallen sei. So sehr, dass Gäste sogar das Fest verlassen hätten. Zum eigentlich angeklagten Vorfall versicherte der Zeuge, dass er von dem angeklagten Teenager erst als Faschist bezeichnet und ihm hernach noch der Hitlergruß entboten wurde. An dieser Stelle sei in ihm der Entschluss gefallen, die Sache zur Anzeige zu bringen, denn „das ist jetzt eine Hausnummer zu hoch“. Die Gruppe, zu welcher der Angeklagte zählte, bezeichnete der Zeuge als „Rucksack-Trinker“, also von jener Sorte, die ihre Getränke zu Feierlichkeiten schon mitbringt. Von dem Angeklagten jedenfalls habe er in jener Nacht um die Augen „Blutungen hingeschlagen“ bekommen und mit der Faust auch einen Treffer auf die Nase erhalten. Diese Aussage sollte im Wesentlichen von einem weiteren Zeugen gestützt werden. Und er wandte sich dabei an den Angeklagten selbst: „Du hast gesagt, wir schmeißen euch nur raus, weil wir Faschisten sind.“ So etwas wie einen Entlastungszeugen gab es nicht. Genauer gesagt: Er wirkte nicht entlastend genug. Der junge Mann, eben aus jener Gruppe, gab sogar an, gar nicht zu wissen, was ein Faschist sei.
Beschuldigungen zurückgewiesen
Ein Zeuge später, auch zu der Gruppe gehörig, konfrontierte die Staatsanwältin nebst Richter mit einer gänzlich neuen Variante des Hergangs. Der gleichfalls 19-jährige Mann gab vor, selbst Opfer von Schlägen geworden zu sein, nur aber diesmal seitens des 42-Jährigen bzw. einer seiner Kollegen. Mehr noch: „Die haben auf jeden Fall angefangen zu schlagen.“ Hubers Reaktion: „Das ist ja eine ganz neue Geschichte – die habe ich noch gar nicht gehört.“ Nachdem alle Zeugen vernommen worden sind, war das Bundeszentralregister gefragt. In drei Fällen sollte es Auskunft zu dem Angeklagten geben und von Sachbeschädigungen sowie unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sprechen. Was blieb, war nun noch die Sicht eines Jugendgerichtshelfers auf den Angeklagten. Der sah in ihm eine zwar zur Reflexion begabte Person, aber auch einen Menschen, der zu Reiferückständen neige. Aus dieser Sicht heraus befürwortete der Jugendgerichtshelfer eine Geldstrafe. Für Staatsanwältin Jensch, die den Angeklagte überführt nannte und sich vor allem auch vom Stattfinden des Hitlergrußes überzeugt zeigte, habe die Höhe der Strafe bei 1500 Euro zu liegen gehabt. Nach diesen Worten des Plädoyers sollte der Angeklagte seinen Kopf mit den Händen stützen und ins Leere blicken. Das Urteil fiel wenig später und lautete auf 1000 Euro Geldauflage wegen Beleidigung, Körperverletzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungfeindlicher Organisationen.
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