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Lichtenfels: Eine Jugend im alten Lichtenfels: Von Fußball, Kneipen und den Amis

Lichtenfels

Eine Jugend im alten Lichtenfels: Von Fußball, Kneipen und den Amis

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    Vormarsch der US-Truppen im März/April 1945, hier Soldaten eines Infanterie-Battalions der 12. US-Panzerdivision
    Vormarsch der US-Truppen im März/April 1945, hier Soldaten eines Infanterie-Battalions der 12. US-Panzerdivision Foto: Archiv der 12. US-Pandzerdivision

    Aus seiner Kindheit und Jugend im alten Lichtenfels erzählt Erich Barnickel, geboren 1931. Teil fünf der Serie über seine Lebenserinnerungen, aufgezeichnet von seinem Sohn. Sie beschäftigt sich mit den Jahren nach der Nachkriegszeit, Feiern trotz Ausgangssperre, einem Uetzinger Holzhändler, der heimlich schlachtete und der Jugendband der „Ängerer“:

    Im Jahr 1945, als die „Amis“ in Lichtenfels einmarschierten, waren diese zuerst vornehmlich am Marktplatz zugegen. Die Soldaten kamen aus Richtung Westen über den gerade wenig Wasser führenden Main. Die vormals ansehnliche Mainbrücke war noch kurz vorher gesprengt worden, was natürlich angesichts des Wasserstandes den Vormarsch nicht wirklich aufhalten konnte.

    Panzer auf dem Marktplatz

    Wir wohnten zu dieser Zeit in der Sandstraße. Als Kinder waren wir natürlich neugierig und begaben uns in die Stadtmitte. Es zeigte sich uns folgendes Bild: Zahlreiche US-Soldaten liefen auf dem Marktplatz herum. Es standen auch ein paar Panzer auf dem Platz. Von verschiedenen Seiten her wurden deutsche Kriegsgefangene gebracht. Wie wir später durch MG- und Granatengeräusche merkten, fanden in der Umgebung, insbesondere Richtung Langheim und Isling noch Kämpfe statt.

    Wir Jugendlichen hielten uns im Bereich des Floriansbrunnens auf. Ich trug eine Soldatenkappe, wie es zu dieser Zeit durchaus üblich war. Ein US-Soldat kam deshalb auf mich zu, zog mir die Kappe von Kopf und steckte sie mir unter den Arm. Offenbar wollte er nicht, dass ich unter die Gefangenen geriet. Schließlich wurden wir vom Marktplatz vertrieben, konnten aber noch beobachten, wie sich bereits deutsche Frauen mit schwarzen Soldaten unterhielten.

    Im Jahr 1946 bestand ein grundsätzliches Ausgehverbot für die Bevölkerung in der Dunkelheit. Dennoch wurden häufig die Hinterzimmer von Gastwirtschaften zum „Weiter-Feiern“ genutzt. Der vordere Teil der Wirtschaft war vorschriftsmäßig geschlossen und dunkel. Im Anger gab es damals folgende Gaststätten: Die Eisdiele „Betz“ in der Coburger Straße, die „Kroateninsel“ und den „Student“. Mit den Freunden war ich einmal im „Betz“ bis etwa zwei oder drei Uhr nachts. Bis zur Neubäu hatte ich den weitesten Heimweg. Wenn ich heimwärts eine Kontrolle durch ein beleuchtetes Fahrzeug der Militärpolizei wahrnahm, versteckte ich mich regelmäßig in einem Hauseingang, in einem Garten oder hinter einer Mauer.

    Bei einem der Heimwege hielt mich plötzlich ein Soldat an und wollte Feuer haben. Da ich nicht rauchte, konnte ich leider nicht behilflich sein. So trennte man sich denn auch bald wieder, ohne die Ausgangssperre oder ähnliche Vorschriften weiter anzusprechen. Es bestand die Vermutung, dass beide Personen in der Nacht gleichermaßen „Schiss“ hatten.

    Die „Säum“ und das Bier

    Die Säum waren zwei oder drei Brüder und betrieben in Uetzing einen Holztransport. Nebenbei wurde noch „schwarz“ geschlachtet. Zur Bereitstellung des Schlachtviehs führten Sie einen „versteckten“ Stall, der mit Strohballen vom „offiziellen“ Stall abgetrennt war.

    Für den Holztransport wurden die Baumstämme mit zwei Pferdefuhrwerken vom Wald zu einem Sägewerk, etwa dem „Welsch“ in Lichtenfels transportiert. Oft waren auf den Fuhrwerken jeweils noch ein jüngerer „Bremser“ dabei. Auch der „alte Säum“ (der Vater der Brüder), gennannt Christof, war zuweilen mit unterwegs. Einer der Brüder hatte aufgrund eines Unfalls ein Holzbein. Dies wurde beispielsweise dazu benutzt, beim Anstieg der Straße von Mistelfeld in Richtung Burgberg ein Zurückrollen des Fuhrwerks zu verhindern – also quasi als ständig verfügbarer Holzkeil. Auch als Bremse kam das künstliche Glied gelegentlich zum Einsatz: Es musste nur zwischen die Speichen geschoben werden.

    Die „Säum“ waren ziemlich stark gewachsene Personen mit kräftiger Statur, die sehr „draufgängerisch“ ihrer Arbeit nachgingen und auch keine besondere Achtsamkeit auf ihre Gesundheit oder die Arbeitssicherheit legten. Nach der Abgabe des Holzes erfolgte regelmäßig ein Besuch in einer Gastwirtschaft. War dann zu späterer Stunde ein weiterer Bierkonsum nicht mehr möglich, legten sich die „Säum“ einfach auf ihr Fuhrwerk und der „Gaul“ fand seinen Heimweg selbständig bis in den Uetzinger Stall.

    Auch der „alte Säum“ tat Vieles, um unterwegs an Bier zu kommen. So ließ er sich beispielsweise bei einer unsinnigen Wette beim „Hirschlein“ in Seubelsdorf den halben Bart für ein paar Liter Bier abrasieren.

    Einmal wurde ein Transportauftrag für einen Holzhändler offensichtlich zu dessen Zufriedenheit erledigt. Den beiden „Säum“ und den beiden „Bremsern“ wurden deshalb die Gelegenheit eröffnet, eine „kleine Brotzeit“ beim „Student“ zu sich zu nehmen. Diese bestand aus einem 25-Liter-Fass Bier, einer Fünf-Liter-Dose Bratheringe und zwei Laib Brot. Der Holzhändler war über die Mengenverhältnisse doch etwas überrascht, als es ans Zahlen der Rechnung beim Wirt ging.

    Einige Mitglieder des FC Lichtenfels fuhren einmal mit dem Lastauto vom „Balla“ (Sohn des Betreibers eines Kiesbaggerei) nach Uetzing und kehrten dort in der Gastwirtschaft bei der Kirche ein, um auf Kosten eines Unterstützers des Fußballvereins (dem Quinger) zu essen. Zur damaligen Zeit waren die Gasthäuser am Sonntagvormittag und auch noch über das Mittagessen hinaus gut besucht. Natürlich waren auch die „Säum“ anwesend. Nach einigen Bieren entwickelte sich am Nachmittag eine Schlägerei in der Gastwirtschaft. Dabei hielt einer der Säum mich für den Sohn des Holzhändlers und beschützte mich.

    Im Gegenzug legten wir als Jugendliche zu Zeiten knappen Verdienstes einmal „zusammen“ um uns eine Maß Bier gönnen zu können. Kaum stand diese auf dem Tisch in der Gastwirtschaft, erschien einer der „Säum“ mit den Worten „gett her meina Bumm, lost mich a amol drink.“ Lieder war dann vom Bier nichts mehr übrig.

    Flucht aus Michelau

    In den Jahren 1946/1947 fing ich an beim FC Lichtenfels und später beim ESV Fußball zu spielen. An einem Wochenende spielte der ESV gegen Michelau – dummerweise in Michelau (im Bereich der heutigen „Sahara“). Bereits in der ersten Halbzeit schoss ich ein Tor. Am Main am Damm entlang saß eine ganze Reihe von Frauen, meist Mütter oder sonstige Verwandtschaft von Michelauer Spielern. Nachdem ich später noch ein zweites Tor geschossen hatte, konnte ich nicht mehr das ganze Spielfeld nutzen: Seitens der Frauen wurde ich mit Stöcken und Regenschirmen bedroht „geh´ johr nimmer do her“. Nach dem endgültigen Sieg des ESV über Michelau wurde die Bedrohungslage so schlimm, dass die gesamte Lichtenfelser Mannschaft nur noch ihre Kleidung schnappen konnte, um den Damm entlang bis zum Oberwallenstadter Wehr zu flüchten.

    Bei einem anderen Spiel wurde ich wegen eines Foulspiels von einem Schiedsrichter verwarnt. Sein redliches Bemühen, sich der hochdeutschen Sprache zu bedienen, endete mit dem Satz „Sie dürfen das Baa nier von hinten nei g´hab“.

    Die „Ängerer“

    Durch Schulfreunde stieß ich Ende der 1940-er Jahre in einem Alter von beinahe 18 Jahren zu einer Gruppe von Jugendlichen, die nach dem Lichtenfelser Stadtteil „Anger“ die „Ängerer“ genannt wurden. Meine Großeltern stammten aus diesem Ortsteil und betrieben dort vormals eine Kiesbaggerei. Mein Vater war dort auch noch unter dem Spitznamen „Zandi“ (von seiner Ausdrucksweise für „Zandimeter) bekannt. Deshalb wurde ich auch gleich herzlich in der Gruppe aufgenommen.

    Die „Ängerer“ bestanden aus ungefähr zwölf bis 15 Personen – je nach Lust und Laune der Einzelnen für die „Termine“. Zu ihnen gehörten die „Schadten-Bumm“ (Wastl und Karl), der „Welschen-Edmund“ der „Luthers-Otto“ (ein bekannter Fußballer), der“ Miro“ (aus Jugoslawien), der „Krausen-Heini“ und der „Balla“ (aus der Kiesbaggerei am Main).

    Eine negative Eigenschaft der Gruppe war ein regelmäßiger Konsum von Alkohol, was bei mir von Hause aus noch keine Gewohnheit war. Die Regel bei den Gasthausbesuchen, waren „Zechen“ (Rechnungssummen) für so um die neun „Seidla Bier“.

    Zur Aufnahme in die Gruppe wurden allerdings „Mooßen“ getrunken. Hierbei wurde hinterhältigerweise dem Bier noch Schnaps zugesetzt. Es blieb deshalb nicht aus, dass sich alsbald ein „Rausch“ einstellte. Meine Freunde setzten mich auf einen Stuhl an die frische Luft, was den Rausch eher noch förderte. Daher wurde ich in einen Handwagen verfrachtet und nach Hause in die „Neubäu“ gezogen.

    Ein Original der Gruppe war der „Schnick“, dessen Markenzeichen eine Zahnlücke war. Durch diese war es ihm möglich, einen Schluck Bier oder Kautabak bis zu sieben Meter weit gezielt zu „schießen“. Für die „Ängerer“ immer wieder eine große Belustigung, etwa bei Schützenfestbesuchen.

    Während einer Kirchweih in Reundorf lernte die Gruppe zwei Mädchen in der Gaststätte „Müller“ kennen. Wie es zu hohen kirchlichen Festen üblich war, hatte die Familie eine Schlachtschüssel bei sich im Haus zubereitet. Das Haus der Mädchen befand sich neben der Gaststätte. Durch ein offenes Fenster im Obergeschoss des Nachbarhauses und ein Brett, das zum Tanzboden der Gaststätte gelegt wurde, konnten die „Ängerer“ ihren neuen Bekannten auch etwas zum Essen anbieten. Die Mädchen lobten: „Die Wöscht schmecken fast wie unsra“.

    Ständchen auf der Brücke

    Eines Tages sang die „lustige Gesellschaft“ des Nachts auf der „Hanitschen-Brücke“ auf dem Heimweg ein „Ständchen“. Ein Anwohner (Ferdinand Kraus) fühlte sich durch den Gesang offenbar nicht gestört, sondern spendierte sogar Geld für einen weiteren Kasten Bier.

    Ein „Mitläufer“ der Ängerer war ein Sohn der Familie Dierauf. Diese hatten einen Garten, in dem Beeren angebaut wurden. Daraus stellten die Dieraufs selbst Stachelbeerwein und Johannisbeerwein her. So nahmen wir nach einem Schützenfestbesuch einen 25-Liter Ballon mit Fruchtwein vom „Dierauf“ zum Aussichtsturm mit. Da wir uns aber hinsichtlich des Durstes und der Aufnahmefähigkeit an Alkohol verschätzt hatten, mussten wir die Hälfte des Beerenweines gegen morgens wieder mit größter Mühe in die Stadt zurücktragen.

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