Schuldspruch gegen einen 77-jährigen Rentner aus dem Landkreis. Zwei Jahre und sechs Monate Haft ergingen am Mittwoch auf dem Amtsgericht gegen den Mann, weil für das Gericht feststand, dass er sich des sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig gemacht hatte.
Zwei Verhandlungstage sollte das Verfahren in Anspruch nehmen, das gegen einen Kirchenorganisten aus dem Landkreises Lichtenfels stattfand. Was ihm zur Last gelegt wurde, war, dass er zur Corona-Zeit zwischen September 2020 und Ende 2021 die Proben für einen musikalischen Gottesdienst auch dazu nutzte, sich einem zu diesem Zeitpunkt zwölfjährigen Mädchen mehrmals sexuell übergriffig zu nähern.
Wovon in der Anklage vor allem die Rede war: der Versuch eines Zungenkusses und das Greifen unter den BH des Mädchens. Der Angeklagte selbst sollte zu den Vorhaltungen wenig sagen und seinem Rechtsanwalt Friedhelm Brückmann das Wort überlassen.
Der sollte im Laufe des Prozesses auf Umstände hinweisen, die ihn selbst zu irritieren schienen. Diese sollte er vor allem in seinem am zweiten Prozesstag gehaltenen Plädoyer ausführen und von „keinem objektiven Beweismittel“ sprechen. Woran er vor allem auch Anstoß nahm, war, dass das Opfer sich damals nicht an die Polizei oder Eltern wandte. Auch habe es schulisch keine Noteneinbrüche gegeben und überhaupt habe das Kind aus seiner Sicht während der Vernehmung von den Vorfällen auf eine Weise berichtet, „als ob es vom letzten Schullandheimbesuch erzählt hat“.
Gerade diese Aussage sollte auch die für den Weißen Ring tätige und als Nebenklägerin auftretende Rechtsanwältin Kristina von Imhoff aufbringen. Schon vorher wandte sie sich mit einem „Schämt euch!“ in Richtung des Angeklagten, dem sie vorwarf, die eigenen Enkeltochter an einem Verhandlungstag als Entlastungszeugin instrumentalisiert zu haben. Doch auch dessen Sohn warf sie vor, sich in ungebührlicher Form für seinen Vater eingesetzt und mit Verleumdungsklagen gedroht zu haben,und auch bei der Opferfamilie vorstellig geworden zu sein, um auf diese einzuwirken und so „an die Wand zu drücken“.
Belastende Aussage
Abgesehen von den Aussagen des Kindes sollten auch das, was eine Lehrerin am ersten Verhandlungstag zu Protokoll gab, den Rentner belasten. Sie gab an, einst und geraume Zeit nach den Vorfällen von der sich ihr anvertrauenden Schülerin um ein Gespräch gebeten worden zu sein. Zuerst, so die Vertrauenslehrerin, sei es dabei um Mathematik gegangen, dann aber sei alles andere „so richtig aus ihr rausgesprudelt“. Immer wieder sollte in dem Verfahren und besonders am zweiten Prozesstag genau diese Zurückhaltung Bewertung erfahren.
Für die Staatsanwaltschaft stützte das zeitverzögerte Vorgehen des Mädchens die Anklage, eben weil es nicht von „Belastungseifer“ sprach. Auch eine Polizeibeamtin, welche sich mit dem Kind befasste und es zu befragen hatte, schilderte es für glaubwürdig. Doch was am zweiten Verhandlungstag zwischen Verteidigung und Anklage erneut unterschiedliche Bewertung erfuhr, war eine wenige Sekunden dauernde Videosequenz, die von dem Mädchen aufgenommen wurde und zeigte, wie die Hand des Rentners an ihren Oberschenkel ging. Sie tat es kurz und in welcher Absicht, das sollte Erörterung erfahren. Aus Sicht der Verteidigung habe diese Geste einen eher hinweisenden Charakter besessen, aus Sicht von Imhoffs einen ungebührlichen.
„Ein Mädchen möchte seinen ersten Kuss nicht von einem alten Mann haben – und erst recht keinen Zungenkuss“, sollte sie hernach während ihres Plädoyers in Richtung des 77-Jährigen aussprechen und ihm und der Verteidigung Vorhaltungen dazu machen, das Verfahren unnötig in die Länge gezogen zu haben. In ihrer Sicht schloss sie sich Staatsanwältin Bianca Franke an, die ihr Plädoyer mit dem Satz „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ eröffnete.
Worauf die Anklägerin damit anspielte, waren die aus ihrer Sicht unerhörten Bemühungen des angeklagten Vaters und vor allem seines Sohnes, „die Opferfamilie nochmal zu Opfern“ zu machen und sowohl auf den Arbeitsstellen mancher Zeugen und in der Schule des Mädchens vorstellig zu werden. Was sie als Urteil forderte, waren zwei Jahre und sechs Monate Haft, wobei somit der Rahmen für eine Bewährung nicht mehr gegeben war. Dann zog sich das Schöffengericht zur Beratung zurück.
Keine Bewährung
Als es den Saal 14 wieder betrat, sollte das Urteil auf zwei Jahre und sechs Monate Haft lauten. Und somit ohne Bewährung. Überdies, das ist dem Adhäsionsverfahren der Nebenklage geschuldet, ist dem Rentner aufgegeben, 6000 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen. In der Urteilsbegründung sollte Erwähnung finden, dass der einstigen Organist den Schutzraum der Kirche für sein Tun ausgenutzt habe. Mehr noch aber sollte hervorgehoben werden, dass die Darstellungen des Geschehens durch die Aussagen des Opfers vor Gericht oder durch Schilderungen in Chatverläufen keine Widersprüche aufzeigten.
Auch sollte Huber betonen, dass der Angeklagte nicht davor zurückgescheut habe, das Opfer vor Gericht zu diskreditieren. Ruhig, aber gleichwohl konsterniert wirkend, nahm der Rentner das Urteil entgegen.
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