Sirmione, ein Tag im August. Bilderbuchwetter. Touristen spazieren über die Brücke in die Altstadt, machen Selfies vor der Seekulisse, entspannte Stimmung. Friedlich schwappt der Lago. Vor drei Monaten sah es hier anders aus: Menschen, die in den Gassen steckenbleiben. Umzingelte Autos. Videos zeigen das zweistündige Chaos zur Sommersaisoneröffnung, als tausende Besucher in die Altstadt drängten. Nach diesem Tag schaltete Sirmione in den Krisenmodus und im Rathaus diskutierten sie über Maßnahmen, Grenzen, Schranken. Oder Eintrittspreise, wie sie es in Venedig versuchen? Deutsche Zeitungen schlugen Alarm: „Nach Venedig-Hammer: Jetzt droht auch Tagesgebühr am Gardasee.“ Der beliebteste See Italiens, er wird überrannt. Auf Mallorca wehren sich die Bewohner mit Wasserpistolen gegen die Massen an Urlaubern. Kippt jetzt auch am Gardasee die Stimmung? Wie fühlen sich Anwohner und Touristen drei Monate nach dem Chaos? Ein Ortsbesuch in Sirmione.
Die Bürgermeisterin
Samstagnachmittag. Noch ist niemand auf der Brücke stecken geblieben. Luisa Lavelli, blondes Haar, hemdsärmeliger Typ, steht auf dem Vorplatz zur Altstadt. Die Sonne brennt auf den Asphalt und treibt ihr Schweißperlen auf die Stirn, aber sie ist es gewohnt. Die Hitze, die vielen Menschen. Hunderte Touristen laufen an ihr vorbei, niemand kennt sie. Die 200 Bewohner der Altstadt dagegen kennt Lavelli alle persönlich. Seit sechs Jahren ist sie Bürgermeisterin von Sirmione und versucht zu vereinen, was unvereinbar scheint. „Alle sollen sich wohlfühlen, Touristen und Anwohner gleichermaßen“, sagt Lavelli. Und als wolle sie signalisieren, dass sie hier auch wirklich alles im Griff haben, hat sie gleich noch den Sicherheitsbeauftragten der Stadt, mehrere Polizisten und vier Streetworker im Schlepptau.

Die Streetworker sind erst seit zweieinhalb Monaten im Einsatz. Immer am Wochenende und an Feiertagen, um zu schlichten und für Ordnung zu sorgen - damit sich das Chaos vom Mai nicht wiederholt. „Keep calm and enjoy“ steht auf ihren gelben Westen. Ruhig bleiben und genießen, an diesem Nachmittag scheinen sich alle daran zu halten. Mit den Helfern reagierte die Gemeinde auf den Touristenansturm. Auch über Eintrittsgelder nach dem Vorbild Venedigs wurde damals diskutiert. „Aber das Thema ist vom Tisch“, sagt Lavelli.
Wie sie den Tag im Mai erlebte? Lavelli weicht aus, verweist lieber auf die Streetworker und die gute Zusammenarbeit mit der Polizei. „Seit zweieinhalb Monaten sind sie unterwegs und es läuft sehr gut“, sagt die Bürgermeisterin. Aber die Herausforderungen bleiben, denn nach Sirmione wollen sie alle. Das Städtchen im Süden gilt vielen als das Schönste am Lago. Mittelalterliche Burg, blumenbewachsene Häuser, enge Gassen - und überall Touristen. 1,4 Millionen Übernachtungsgäste auf 8000 Einwohner, wie soll das gehen? „Wir arbeiten weiter an Strategien, um mit den vielen Besuchern fertig zu werden“, sagt Lavelli. Die Gemeinde habe einen Experten für Overtourism beauftragt, der soll die Lage analysieren und herausfinden, wie viel Tourismus das Städtchen verträgt.
Lavelli ist in Sirmione aufgewachsen, sie weiß um die Probleme der Einheimischen und wirkt ernsthaft darum bemüht, sie zu lösen. Aber einfach ist es nicht, das weiß sie auch. Was sich in den vergangenen Jahren verändert hat? Die Saison wird länger, die Aufenthalte kürzer und die Touristen vielfältiger, sagt sie. Niederländer, US-Amerikaner, Polen, Franzosen, haben den Gardasee längst für sich entdeckt. Die meisten kommen zwar immer noch aus Deutschland, 400.000 waren es 2023, aber das Verhältnis zum Gardasee verändert sich. Deutsche reisen häufiger im Frühjahr oder Herbst an und bleiben nicht mehr zwei Wochen, sondern für ein langes Wochenende. Dabei sind sie gern gesehen am See, ein bisschen wie alte Bekannte. Sagt Lavelli nicht so direkt, erzählt aber, dass ihre Eltern früher neben einem Deutschen gewohnt und für ihn gearbeitet haben. Auf gute Nachbarschaft, Anekdoten über das deutsch-italienische Verhältnis lassen sich am Gardasee viele erzählen. Aber Lavelli muss weiter, grüßt im Gehen einen Anwohner - und bleibt dann doch kurz bei ihm stehen. Hören, wie es geht.
Die Rezeptionistin
Eine Ferienwohnung nahe der Altstadt. Ksenia, blonde Hochsteckfrisur, robuster Ton, steht an der Rezeption. Jeden Tag empfängt sie Touristen und wünscht sich gleichzeitig, es kämen weniger. „Es sind einfach zu viele, wir leiden unter dem Übertourismus“, schießt sie los. „Vor Corona war es noch schlimmer, da haben sie oft schon auf dem Gehweg gedrängelt, wenn ich morgens in die Arbeit gelaufen bin.“ Damals stand sie an der Rezeption eines Vier-Sterne-Hotels und erlebte das Chaos jeden Tag mit.

Vor allem die Bewohner der Altstadt ächzen unter den vielen Besuchern, sagt sie. Um fünf Uhr rumpelt die Müllabfuhr durch die Gassen und beseitigt, was tausende Touristen am Vortag hinterlassen haben. „Jeden Morgen dieser Lärm, das muss man sich mal vorstellen“, sagt Ksenia. Sie wohnt außerhalb der Altstadt, die Glascontainer hört sie trotzdem manchmal klirren. Und dann die Gärtner, die ständig mähen, schneiden und wässern. 37 Grad im Schatten, aber Grün soll es trotzdem sein. Der Lärm, der Müll, nicht die einzigen Probleme, sagt Ksenia und zählt auf. Überfüllte Gassen, steigende Preise, horrende Immobilienpreise, Mangel an Mietwohnungen, der viele Verkehr, das macht allen hier zu schaffen.
Den Ansturm im Mai hat Ksenia nur über Social Media mitbekommen, wirklich überrascht war sie nicht. Wenn es nach ihr ginge, dürften einfach nicht mehr so viele in die Altstadt. Obergrenze für Touristen. Wobei, einfach ist es nicht, sagt sie selbst. „Dann schimpfen die Restaurantbetreiber und Ladenbesitzer, die am Tourismus hängen und das Maximale herausquetschen wollen.“ Wie also umgehen mit dem Dilemma? Ksenia zuckt mit den Schultern. „Wir müssen das wohl tolerieren, die politische Verantwortung würde ich auch nicht tragen wollen.“

Seit acht Jahren lebt sie in Sirmione. Wäre da nicht die Arbeit, würde sie wegziehen, nach Mantua, sagt sie. Obwohl, landschaftlich ist es ja schon schön. Auf ihrem Handy hat sie dutzende Fotos vom See. Aber darin baden? „Zwei Mal war ich drin, aber mir ist das zu warm und zu voll, da fahr’ ich lieber ans Meer.“ Nach Ligurien oder weiter weg, nach Kroatien oder Spanien. Hauptsache weg vom Gardasee.
Die Camper
Thomas, 50, aus Augsburg-Bärenkeller, ist bereit für das Wasser und fühlt sich schon an Land, unterm Vordach seines Wohnwagens, wie ein Kapitän. „Hier kann man gut Gas geben auf dem Wasser, ein bisschen Benzin verheizen, seinen Zweitakter noch so richtig ausfahren aufm See“, sagt er und lächelt. Ein Mann, sein Revier, sein Gummiboot. Neben seinem Wohnwagen liegt es bereit, prall aufgepumpt. Weiterer Standortvorteil: „Der Aperol Spritz für sechs Euro, das ist doch günstig.“ Seit zehn Jahren fährt Thomas hierher. Dass er sich den See mit Tausenden teilen muss? Stört ihn nicht.

Drei Camper und eine Kiesstraße weiter haben drei jungen Frauen ihren Campingtisch zum Wettkampf aufgeklappt. Rommé-Karten in der Hand. Auf dem Tisch eine Tupperschüssel frische Melone und drei Gläser Spritz. Miria, 26, aus München: „Wir haben uns für Sirmione entschieden, weil es zum einen schnell erreichbar ist.“ Und dann fällt dieser Begriff, wie gepflückt aus der Limoncello-Werbung: „... und Italien, das ist eben Dolce Vita“, sagt sie, grinst und zuckt mit den Schultern. „Süßes Leben“ am Rummelplatz See und kein Gedanke an Overtourism.
Manche genießen sogar, dass sich der gesamte Landstrich zu einem Erlebnispark aufgeplustert hat. Natalia aus Tuttlingen zum Beispiel: „Ach, eigentlich wollte ich ja nie wieder hierher an den See“, sagt sie. Noch vor 16 Jahren war hier nichts geboten, wenigstens für ihre Bedürfnisse: „Nur Würstl am Grill und sonst nichts los.“ Jetzt sitzt sie unterm Wohnwagenvordach und hat sich ein Negligé über den Bikini geschwungen, während ihr Mann Viktor mittelstark blubbernden Sekt in bauchige Trinkkelche gießt. „Oh, hier hat sich viel getan“, sagt Natalia und prostet zu, „der See hat sich gut entwickelt.“ Die Campingplatzlage? Gut. Der Preis? Stimmt. Das ganze Land? Freundlich. Die vielen Touristen? Nur nette Nachbarn.
Der Campingplatzbetreiber
Zikaden zirpen in den Büschen, die Sonne grillt und der Asphalt strahlt, und so ein ernstzunehmender Urlaub in Italien beginnt ja erst ab 33 Grad Celsius ... oder? „Na ja“, raunzt ein älterer Herr, der auf einem Holzbänkchen thront. „Ich bevorzuge den Winter.“ Dann blinzelt er über die Kante seiner Sonnenbrille und lacht. Diese Bank sei sein Lieblingsplatz, sagt Riccardo Soardi und klopft mit seinem Gehstock auf den Fliesenboden seiner Veranda, an ihm müssen hier alle vorbei. Und das schon seit mehr als 50 Jahren. Dies ist die Pforte, das Eingangshäuschen zum Campingplatz, den seine Familie seit drei Generationen betreibt. Was der Rummel für ihn bedeutet, fasst Soardi lässig zusammen: „Sehr viel Betrieb von April bis Oktober, sechs monatelang gute Jobs für viele hier.“

Die Motoren brummten schon in den 1950er- und 1960er-Jahren über den Brenner und damit das Geschäft, Caterina Valente sang „Komm ein bisschen mit nach Italien“ und die Deutschen nahmen das wörtlich. Damals war das Alte, Schöne und Wahre an der Stadt ja auch noch nicht überrannt. Die romanische Steinkirche im Zentrum, die Ricardo bis heute liebt, die Strände, an denen damals noch immer ein paar Meter Platz blieb zwischen den Handtüchern. Maria Callas, Operndiva, residierte mit Ehemann und Manager Giovanni Menighini in einer Altstadtvilla – und die Deutschen ließen in den Gassen rundum ihr Wirtschaftswundergeld liegen.
Heute? Schlagen Menschen von überall ihre Zelte auf – und vor allem: immer mehr, mehr, mehr. Riccardo erinnert sich noch an die Bilder vom Mai. Und dass sie jetzt in Venedig Eintrittsgeld verlangen, das hat er auch mitbekommen. Keine schlechte Idee aus seiner Sicht, aber vielleicht finden sich noch klügere Lösungen für seine Stadt: „Vielleicht muss man den Zugang wirklich beschränken. Oder die Masse besser übers Jahr verteilen.“ Und alle weitere Fragen? Beantwortet seine Tochter.
Die Tochter des Campingplatzbetreibers
Wenn Anna ihr Zuhause zeigen will, dann schwingt sie sich auf ein Golfcart und klopft auf die Sitzbank: „Fahren Sie mit“. Nummernschilder, Wohnwagen, VW-Busse, Klapptische mit Decke und Blümchen fliegen vorbei. Nachbarschaft auf Zeit. 1948 war hier aber nur eine Farm, die Annas Großvater frisch gekauft hatte, mit Tieren, Wiese und viel Luft dazwischen. Aber dann hat die Familie eine Hauptstraße durch ihre 30.000 Quadratmeter geteert. Viele kleine Seitengassen gekiest, sich selbst eine kleine Villa auf dem Grund und drumherum Bungalows für Touristen gebaut. „Wir waren der erste Campingplatz für Caravans in ganz Sirmione“, sagt Anna. Sie ist hier in der Stadt geboren und lebt seitdem auf dem Campingplatzgelände. In den Sommern, wenn sie dicke Reisemobile zum Stellplatz dirigiert, und in den stillen Wintern, wenn sogar die Zikaden schweigen.

Aber Anna, im Gegensatz zu ihrem Vater, bevorzugt die heißen Monate am Platz: „Das alles ist meine Familie, mein Job, mein Leben, mein ...“ und dann fasst sie sich mit der Hand ans Herz. Klingt ein bisschen nach Pathos mit Sonnencreme? Aber nein, sie hat aus Leidenschaft viele Sprachen studiert, auch Deutsch, um die Camper zu begrüßen. Und 2007 ließen ihre Eltern für die Tochter eine Kapelle errichten, für ihre Hochzeit. Auf dem Campingplatz. Ein Steingewölbe mit Marien-Wandgemälde, davor Marmorsitzbänkchen zur Andacht. Woran Anna fest glaubt: Dass es möglich ist, eine Balance zu finden, zwischen dem Wohlgefühl der Einheimischen und dem der Gäste. Und den Touristenstrom ein bisschen zu lenken, hält sie für keine schlechte Idee – wie auch immer das gelingen könnte. „Wäre besser“, sagt sie. „Für uns Menschen von Sirmione, aber auch für die Menschen, die zu uns kommen.“
Klein sei der Platz ihrer Familie und mit 400 Gästen schon proppenvoll. Aber Trubel hin oder her, dieser Ort bedeutet für Anna immer noch: Heimat. „Ricardo ist hier der Chef“, sagt Anna, ihr Mutter Emy grüßt an der Pforte und ihr Sohn Achille, wer weiß – Anna würde sich freuen, falls er eines Tages selbst als Chef über den Campingplatz im Golfcart fährt.
Der Streetworker
„Attenzione!“, ruf Alfredo. Seine Warnung hallt durch das Burgtor von Sirmione, „Attenzione!“, immer wieder. Alfredo, 51, aus Rom nutzt seine Stimme, um die Masse von Touristen zu lenken, aber dann auch sein Lächeln und seine Arme. Gerade winkt der Streetworker wie ein Dirigent und teilt das Meer aus Flipflops, Sommerkleidern, Strohhüten, denn ein Auto will sich durchs Tor in die Altstadt zwängen. Dicker, froschgrüner Luxussportwagen, die Fußgänger staunen, fotografieren und applaudieren – aber halten Abstand. Alfredos gelbe Warnweste wirkt, die Touristen folgen seinem Ruf: „Es geht uns darum, die Menschen vor Gefahr zu schützen“, sagt er. Zum Beispiel?

Letztens mussten sie zwei Schweizer aus dem Burggraben ziehen, die gerade dabei waren, auf einem Krokodil zu reiten. Jetzt hat das Tier wieder seine Ruhe. Es dümpelt auf dem Wasser, ein Reptil aus Plastik als schwimmendes Kunstwerk, Panzerfarbe Pink. Wie viel so ein Ritt kostet? „150 Euro“, diese Strafgebühr mussten die Männer zahlen.
Warum Alfredo sich den Wahnsinn antut? „Weil es für mich eine Berufung ist, für Ordnung zu sorgen“, sagt der bärtige Römer, zupft an seinem Abenteurer-Hut, der ein bisschen an Crocodile Dundee erinnert. Dann reicht er einen Zettel, bedruckt mit Symbolen und Männchen. „Hier stehen alle Regeln drauf.“ An die Burgmauer pinkeln, auf dem Boden herumlungern, volltrunken durch die Altstadt torkeln, laut Musik hören, herumschreien, mit Rad oder Roller die Gassen befahren, alles verboten. Aber: „Alles schon passiert“, sagt Alfredo.

Am häufigsten bitten die Streetworker Besucher, sich etwas überzuziehen. „Viele gehen baden und laufen im Bikini durch die Stadt. Die Anwohner möchten das nicht, das hat was mit Anstand zu tun …“ Kaum hat er den Satz beendet, schlendert ein junger Mann oben ohne vorbei zur Schranke. Alfredos Kollege deutet ihm, sich etwas überzuziehen, mit einem Zwinkern, schon streift sich der Mann ein Shirt über.
„Zuallererst versuchen wir es mit Freundlichkeit“, sagt Alfredo, und die meisten Besucher reagieren auch mit Respekt auf seine Hinweise. Gut, letztens mussten sie ein paar Angetrunkenen in die Arme fallen. Sie wollten sich prügeln vor der Burgkulisse. Alfredos Kollegin Claudia, 56, aus Brescia, erinnert sich an ein Hochsaison-Wochenende, an dem gleich drei Kinder im Gewimmel der Gassen verloren gingen. „Eines hat mich an der Hose gezupft, und ‚Mama‘ gewimmert.“ Aber am Ende fanden sie alle wieder zurück zu ihren Familien. Dank der Streetworker.
Die Tagesausflügler
Die Helfer sind erst seit zwei Monaten im Einsatz, die Autos wurden schon vor Jahren aus der Altstadt verbannt. Wer hineinfahren will – Anwohner, Lieferanten, Hotelgäste – braucht eine Sondergenehmigung. Voll ist es trotzdem, auch außerhalb des Zentrums, auf dieser einen Straße, die sich drei Kilometer über die Landzunge zieht. „Irre, was hier los ist“, ruft eine Deutsche aus dem Camper heraus. „Gestern wollten wir nach Lazise. Für die 16 Kilometer haben wir eineinhalb Stunden gebraucht.“ Warum sie sich das antut? Aber da biegt sie schon ab, weiter vorn wird gerade ein Parkplatz frei, für 28 Euro am Tag.

„Zum Glück sind wir mit dem Radl hergefahren“, sagt Erika. „Hier einen Parkplatz finden, absolute Hölle.“ Ihr Schwester Irene nickt. „Wir sind nur für einen Tag da, unser Campingplatz ist in Lazise, da ist es ruhiger.“ Sie waren schon oft am Gardasee, auch in Sirmione. Und die vielen Touristen stören sie gar nicht? Hinter ihr ziehen sonnenbebrillte Gesichter vorbei, eine Dame mit Hut begutachtet Olivenholzlöffel im Souvenirladen, ein Kind trägt eine Überdosis Eis im Becher vor sich her. Das spachteln sie den Besuchern hier an jeder Ecke in die Waffel. Köstlich und gar nicht so teuer, findet Irenes Mann. Am Eispreis bemisst sich ja der wahre Urlaubsgenuss. Drei Euro für die Kugel, kann man sich schon mal gönnen.
Dass es so zugeht in der Altstadt, hat sie dann doch überrascht. „Für einen Tagesausflug ist es trotzdem nett“, sagt Erika. Aus Rain am Lech ist ihre Familie angereist. Warum nicht mal woanders hin? So überlaufen ist es auch wieder nicht. „Acht Leute und wir haben sofort einen Platz in der Pizzeria bekommen, ist doch super“, sagt Erika. „Wir kommen gerade vom Jamaica Beach, ein Traum. Um die halbe Bucht sind wir gewatet, ohne Badeschuhe, abenteuerlich.“
Die Strandhocker
Jamaica Beach, schon der Name klingt paradiesisch. Ein bisschen Karibik in Bella Italia, mehr geht nicht. Türkisblaues Wasser, wolkenloser Himmel, perfekte Kulisse. So perfekt, dass sie hier sogar den sinnlichsten aller Sommerfilme gedreht haben. Aber so einsam und romantisch wie die beiden Liebhaber in „Call me by your name“ sitzt an diesem Nachmittag niemand am Strand. Ein Motorboot röhrt, ein Pärchen hievt einen Kinderwagen übers Wasser, auf jedem Fels brutzelt ein Körper und an der Strandbar läuft leise Elektromusik. „Einen Aperol, bitte!“ Ein junger Mann mit rotem Rücken steht am Tresen. „Bring mir auch einen mit“, ruft seine Freundin von der Liege rüber.

Abseits vom Jamaica-Rummel sitzen zwei Frauen unterm Olivenbaum. Vor ihnen der See, um sie herum Handtücher. „Schon viel los hier“, sagt Christine. Tanja nickt. „Aber davon lassen wir uns nicht abschrecken.“ Vier Tage Kurzurlaub, wie jedes Jahr. Das gönnen sich die Freundinnen aus Tirschenreuth. Zweimal Limone, zweimal Sirmione, aber zum ersten Mal zur Hauptsaison im August.
Ihr Hotel liegt direkt in der Altstadt. „Ein bisschen wie in Venedig“, sagt Christine. „Ich würde nie mit dem Auto reinfahren.“ Den Frust der Anwohner kann sie verstehen. „Mir wäre das auch zu viel, da würde ich mich auch für eine begrenzte Besucherzahl einsetzen“, sagt sie. Aber deshalb nicht mehr an herfahren? Auch keine Option, dafür ist es einfach zu schön. Gerade am Südufer, mediterrane Landschaft, fast wie am Meer, nur näher.
Abendstimmung am See. Sanft schwappt das Wasser ans Ufer und die Touristen ziehen sich langsam zurück. Für heute.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden