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Höchststrafe: 299-facher Missbrauch: 20 Jahre Haft für Arzt in Frankreich

Höchststrafe

299-facher Missbrauch: 20 Jahre Haft für Arzt in Frankreich

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    Das Gericht konnte sich in dem Prozess auf Tagebücher stützen, in denen der Angeklagte sein Tun akribisch festgehalten hatte.
    Das Gericht konnte sich in dem Prozess auf Tagebücher stützen, in denen der Angeklagte sein Tun akribisch festgehalten hatte. Foto: Thomas Padilla, AP/dpa (Archivbild)

    Ein Gericht im westfranzösischen Vannes hat einen Chirurgen wegen des Missbrauchs von 299 meist minderjährigen Patienten zu 20 Jahren Haft verurteilt. In dem wohl größten Prozess um Kindesmissbrauch in Frankreich hatte der pensionierte Klinikarzt Joël Le Scouarnec (74) gestanden, zwischen 1989 und 2014 insgesamt 158 Patienten und 141 Patientinnen im Durchschnittsalter von elf Jahren missbraucht zu haben. Zu den Taten kam es im Operationssaal, während der Narkose und auch auf den Patientenzimmern.

    Staatsanwaltschaft: Arzt in Vannes habe Opfer wie leblose Objekte behandelt

    Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Jahre Haft und damit die höchstmögliche Strafe für den Angeklagten gefordert. Dieser habe seine Opfer wie leblose Objekte behandelt, keinerlei Empathie gezeigt und zudem seine Rolle als Arzt ausgenutzt. Er habe sich oft an noch unter Narkose stehenden Patienten oder Kindern vergangen, die sein Tun nicht als Missbrauch einsortieren konnten. Der Chirurg soll seine Handlungen oft als medizinische Untersuchung kaschiert haben, hieß es in der Anklageschrift.

    Der Chirurg hat alle angeklagten 299 Fälle vor Gericht gestanden.
    Der Chirurg hat alle angeklagten 299 Fälle vor Gericht gestanden. Foto: Benoit Peyrucq, AFP/dpa

    Der Staatsanwalt sagte, die Zahl der Opfer des Chirurgen sei noch höher. Um den Prozess nicht zu verzögern, seien zunächst 299 Fälle angeklagt worden. Wahrscheinlich werde es wegen anderer Opfer ein weiteres Strafverfahren geben.

    Warum stoppten Behörden den Arzt nicht früher?

    Das Gerichtsverfahren erschüttert Frankreich. Es steht auch die Frage im Raum, weshalb die Gesundheitsbehörden den bereits 2005 wegen Kinderpornografie auf Bewährung verurteilten Arzt nicht früher stoppen konnten. Der Verteidiger sprach in diesem Zusammenhang von «einem großen Versagen unserer Gesundheitssysteme». Hinweise auf ein Fehlverhalten seien bagatellisiert worden und man habe den Arzt lieber auf seinem Posten behalten.

    Auch Opfer des Chirurgen prangerten das Versagen der Behörden an. «Wie hat Doktor Scouarnec 30 Jahre lang praktizieren können, wie hat man ihn seinen Gang gehen lassen können, wieso hat das niemand gewusst», sagte eine 36-Jährige vor Gericht. Frankreichs Ärztekammer räumte in dem Prozess eigenes Versagen ein.

    Das Gerichtsverfahren sorgte in Frankreich für Erschütterung, auch weil die Gesundheitsbehörden den angeklagten Arzt nicht früher stoppten. (Archivbild)
    Das Gerichtsverfahren sorgte in Frankreich für Erschütterung, auch weil die Gesundheitsbehörden den angeklagten Arzt nicht früher stoppten. (Archivbild) Foto: Thomas Padilla, AP/dpa

    Wegen vier Missbrauchsfällen war der Arzt 2020 bereits zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen 2017 die Anzeige einer Nachbarin, deren sechsjährige Tochter der Arzt im Garten missbrauchte.

    Bei Durchsuchungen stießen die Fahnder auf rund 300.000 Fotos von Kindesmissbrauch sowie Tagebücher, in denen der Arzt seinen jahrzehntelangen Missbrauch detailreich festgehalten hatte. Mit diesen Angaben machten die Fahnder sich auf die Suche nach den oft unwissenden Opfern, die der Chirurg während seiner Arbeit in ländlichen Kliniken in Westfrankreich traf.

    Missbrauchstaten in Frankreich: Opfer sprachen über Traumatisierung

    Vor Gericht sprachen zahlreiche Opfer über die Traumatisierung und die psychologischen Schäden durch den Missbrauch. Auch Kinder, die den Missbrauch als solchen nicht bemerkten, reagierten unbewusst auf die erlittene Gewalt.

    Demonstranten halten vor dem Gerichtsgebäude Schilder mit den Namen der Opfer.
    Demonstranten halten vor dem Gerichtsgebäude Schilder mit den Namen der Opfer. Foto: Damien Meyer, AFP/dpa

    Gutachter stellten bei den Opfern posttraumatische Syndrome, Blockaden und körperliche Beschwerden infolge psychologischer Belastungen fest. Teils traten diese auch erst ein, nachdem die Ermittler die Opfer aufsuchten und ihnen offenbarten, dass sie in ihrer Kindheit Missbrauchsopfer geworden waren.

    Zu Prozessauftakt hatte der unscheinbar wirkende Rentner ein umfassendes Geständnis abgelegt. «Ich habe abscheuliche Taten begangen», sagte er. «Ich muss die Verantwortung für meine Taten tragen und die Konsequenzen für die Opfer, die sie ihr Leben lang haben werden.» Unerwartet hatte der Arzt vor Gericht später auch eingeräumt, sich ebenfalls an seiner zur Tatzeit zweijährigen Enkeltochter vergangen zu haben. (dpa)

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