Ein Treppenaufgang führt ins Nichts. Dahinter sind nur Geröll und die Grundmauer eines Gebäudes zu erkennen. Zwischen den Treppenspalten wuchert Unkraut. Beinahe symbolisch zeigen sich die Überreste eines früheren Wohnhauses in Geroda für das, was vom früheren jüdischen Leben im Altlandkreis Bad Brückenau erhalten geblieben ist.
Die Zeit hat viele Spuren und Erinnerungen mit sich genommen. Seit den frühen 80er Jahren allerdings widmen sich Michael und Cornelia Mence aus Hammelburg der Rekonstruierung und Erforschung des jüdischen Lebens im Landkreis. Und das mit Erfolg. In ihren Büchern „Lost Traces“ und „Nachbarn der Vergangenheit“ haben sie ihre Ergebnisse zusammengetragen. Im Rahmen der jüdischen Kulturtage zeigten sie vor Ort, wie, wo und wann Menschen jüdischen Glaubens gelebt haben.
Von Hammelburg aus ging es mit dem Bus über Westheim und Garitz nach Platz. Vor den Grundmauern eines ehemaligen jüdischen Wohnhauses begann die Spurensuche in Geroda. Das Haus von Moses Strauß, der über 33 Jahre lang Vorsteher der jüdischen Gemeinde war, fiel erst vor wenigen Wochen dem Abrisshammer zum Opfer.
Heute erinnert noch die komplett erhaltene Synagoge an das jüdische Leben in Geroda. Dass diese die Reichspogromnacht überstanden hat, ist dem Einsatz des evangelischen Pfarrers zu verdanken, der sich gegen das Vorhaben der Nationalsozialisten stellte. Das Interieur allerdings hat auch er nicht retten können. Dieses wurde vor den Toren der Synagoge verbrannt.
Ungewöhnlich an dem Standort der Synagoge ist die Nähe zum evangelischen Gotteshaus, das nur wenige Meter daneben steht. Dies sei ein Zeichen für das gute Zusammenleben der beiden Religionen in Geroda zu früheren Zeiten, meint Cornelia Mence.
Von Geroda aus geht es weiter nach Bad Brückenau. Cornelia Mence informiert über die Anzahl der Familien in der Stadt zu verschiedenen Zeiten der letzten Jahrhunderte. Zur Zeit des Stadtbrandes 1876 lebten 18 Familien in der Kurstadt. Im 20. Jahrhundert waren fünf Prozent der Bevölkerung jüdischen Glaubens. Die „Entdeckungsreise“ in Bad Brückenau beginnt auf dem jüdischen Friedhof der Stadt, der an den christlichen Waldfriedhof grenzt und 1923 angelegt wurde. Heute erinnern noch die jüdischen Schriftzeichen auf den Grabsteinen an den Glauben der dort Begrabenen.
Durch die Ludwigstraße führt die Spurensuche an ehemaligen Wohnhäusern jüdischer Bewohner vorbei. Der Jahrhundertwechsel brachte viele Juden aus den Dörfern nach Bad Brückenau, weiß Mence. So lebten beispielsweise im heutigen Juweliergeschäft am Beginn der Ludwigstraße an der Ecke zum Sinntor die jüdischen Brüder Abraham und Nathan Grünbaum. Das frühere Tabakwarengeschäft Tucher diente den Schwestern Spier in den 30er Jahren als Stoffladen. Vor dem Hauseingang nimmt sich Cornelia Mence die Zeit, ein Gedicht über die beiden Schwestern des Brückenauer Autors Josef Krug vorzutragen.
Über die Judengasse geht der Weg weiter in die Unterhainstraße. Hier befanden sich im Haus mit der Nummer 24 die frühere Judenschule und der Beetsaal der jüdischen Gemeinde. Nebenan, im Alten Schlachthofweg 22, war die Metze-Bäckerei Stern. Von der ehemaligen Synagoge ist wenig erhalten geblieben. Nur eine Schrifttafel erinnert an das Gotteshaus, in dem heute ein Fitnessstudio eingezogen ist. Ein kleiner Rundturm am hinteren Teil des Gebäudes lässt sich noch auf einem alten Foto der Synagoge nachvollziehen.
Das Ende der Tour durch den Altlandkreis markiert der Besuch am „Judenbildstock“ im Wald zwischen Wernarz und Dreistelz. Heute führt eine geschotterte Straße an der steinernen Säule vorbei, die – umgeben von den Bäumen – vom Wegrand aus kaum zu erkennen ist. Der „Judenbildstock“ erlangte Berühmtheit durch den Mord an dem jüdischen Viehhändler Josef Frank aus Schondra am 31. Mai 1853. Mit der jüdischen Geschichte an sich hat der Bildstock nichts gemein. Zur Zeit des Mordes allerdings führte eine Handelsroute direkt an ihm vorbei. Seinen Namen erhielt er schließlich wegen des Raubmordes an Josef Frank.