Nie und nimmer werde ein Windpark in einer Schwachwindregion, wie es das östliche Unterfranken ist, rentabel laufen. Wer hier in Windräder investiere, werde sein Geld verbrennen: Die Gegner des im November 2015 in Betrieb gegangenen Windparks im Sailershäuser Wald brachten nicht nur ökologische und gesundheitliche Bedenken vor, sie argumentierten auch auf wirtschaftlicher Ebene. Die Bilanz für 2017 indes scheint den Investoren Recht zu geben. „Denn das vergangene Jahr war nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch ein Erfolg“, behauptet Gunther Häckner, der die zehn Windkraftanlagen einst für die GUT Haßberge, die Ideenschmiede des Landkreises für die Energiewende, geplant hat.
Mehr als zehn Prozent des Landkreisstromverbrauchs
Der Bürgerwindpark im Sailershäuser Wald habe 2017 mehr als zehn Prozent des gesamten Landkreisstromverbrauchs erzeugt, erklärte Elektroingenieur Häckner Mitte der Woche im Gespräch mit dieser Redaktion. Grob über den Daumen gepeilt liegt der Jahresstrombedarf des Haßbergkreises bei 450 Millionen Kilowattstunden (kWh), nicht mit eingerechnet ist lediglich die Papierfabrik Palm in Eltmann, die ihren Strom selbst erzeugt.
53,8 Millionen kWh eingespeist
Die „Energieernte“ der zehn „Windmühlen“ des Typs Nordex N 117 summierte sich laut Norbert Zösch, der an den Planungen beteiligt war und dessen Haßfurter Stadtwerk Abnehmer des Windstroms ist, in 2017 auf über 55 Millionen Kilowattstunden, davon wurden 53,8 Millionen eingespeist. Für die Laufzeit von 20 Jahren beträgt die Jahresprognose für die Einspeisung 50,8 Millionen kWh – nur wenn dieser Wert im Mittel erreicht wird, laufen die Anlagen nach Kalkulation der Investoren wirtschaftlich. 2016, das erste Jahr, in dem sich alle zehn Rotoren drehten, waren es nur rund 46 Millionen kWh.
„Es gibt eben bessere und schlechtere Windjahre – und im letzten Jahr lagen wir über der Prognose“, stellte Zösch, der wie Häckner Elektroingenieur ist, nüchtern fest. Windkraftgegner hatten hinsichtlich der Energieausbeute von gnadenlos überzogenen Vorstellungen gesprochen. „Auch wenn ich nicht sagen kann, wie der Wind in diesem oder im nächsten Jahr sein wird, zeigt sich doch, dass solche Untergangsszenarien völlig falsch sind“, ist sich Zösch sicher.
„Normales Windjahr“
Das Windjahr 2017 hatte schwach begonnen, der Januar war mit einer „Ernte“ von 4,8 Millionen kWh (20-Jahres-Prognose: 6 Millionen kWh) ziemlich flau, ebenso wie das gesamte erste Halbjahr. Doch vor allem die starken Winde und Stürme im Herbst und Winter ließen die 117 Meter im Durchmesser erreichenden Rotoren der Nordex-Windräder kräftig wirbeln. So wurde 2017 zu einem insgesamt „normalen Windjahr in Süddeutschland“ – aus Sicht der Windenergienutzung also weder besonders gut noch auffallend schlecht.
Betrieben wird das 45 Millionen Euro teure Windkraftfeld von der Bürgerwindpark Sailershäuser Wald GmbH & Co.KG, die fünf Gesellschafter hat: Das sind: Planet Energy (eine Tochtergesellschaft des Energieversorgers Greenpeace Energy), die Städtischen Betriebe Haßfurt, der Landkreis Haßberge, der regionale Energieversorger Unterfränkische Überlandzentrale (Lülsfeld) und die Bürgerenergiegenossenschaft Haßberge (BEG) mit Sitz in Haßfurt. Bei der 20-jährigen Betrachtung soll der Windpark seinen Betreibern eine Dividende von 2,7 Prozent ausschütten, erläuterte Norbert Zösch. Zwar wolle und dürfe er der Gesellschafterversammlung im März oder April nicht vorgreifen, doch hält der Haßfurter Stadtwerkschef eine auf das Jahr 2017 bezogene Ausschüttung deutlich über der 3-Prozent-Marke für machbar.
BEG: Erste Auszahlung steht an
Es sei freilich dann Sache der einzelnen Gesellschafter, wie sie mit der Dividende verfahren – die in der Regel auch der Deckung laufender Kosten dient. Die Bürgerenergiegenossenschaft Haßberge etwa, bei der Haßbergler Privatpersonen Geld investiert haben, hatte zuletzt auf eine Ausschüttung verzichtet, unter anderem, weil viele Sparer eher Kleinbeträge ab 1000 Euro angelegt haben, und die Gewinne allein von den Überweisungsgebühren stark angefressen worden wären. Dieser Verzicht allerdings war in der BEG umstritten. Die jüngste positive Entwicklung erfreue die Genossenschaft aber, „so dass Sie im Jahr 2018 sicher mit einer ersten Auszahlung rechnen können“, schrieb Vorstandsvorsitzender Siegmund Kerker (Theres) Ende Dezember an die Mitglieder.
29000 Tonnen Kohlenstoffdioxid vermieden
Gunther Häckner indes erfreut sich vor allem am ökologischen Nutzen des in den ersten Planungen als „WK 88“ bezeichneten Windparks. 2017 hätten die zehn „Windmühlen“ die Emission von 29 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid vermieden, was der CO2-Bindung von 2900 Hektar Wald entspreche – was grob der Dimension des Sailershäuser Waldes gleichkommt.
„Das ist so, als ob jedes fünfte der etwa 46 000 Kraftfahrzeuge im Landkreis Haßberge kein CO2 mehr ausstoßen würde“, rechnet der Ingenieur vor. Und ohne den Windpark hätte es die Power-to-Gas-Anlage in Haßfurt nicht gegeben, die für die nachhaltige Energieversorgung im Landkreis so wichtig sei, weil sie Strom in Form von Wasserstoff für alle Arten der Energienutzung speichern könne. „So lässt sich wieder Strom herstellen, mit Brennstoffzellen Wärme erzeugen oder mit Brennstoffzellen Auto fahren. Wir bekommen die Windenergie also auch in den Wärmebereich und in den Verkehr, das ist doch der große ökologische Erfolg“, schwärmte Häckner.
Dass die Gegner von WK 88 nach wie vor die Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität, wenn nicht Gesundheit, durch Infraschall, Schattenschlag oder die Blinklichter beklagen und von Landschaftszerstörung und Bedrohung der Vogelwelt sprechen, lässt sich allerdings auch nicht wegdiskutieren.
Keine Leerstände in Kleinmünster
Und wie sieht es in Kleinmünster aus, der dem Windpark nächstgelegen Ortschaft im Osten des Sailershäuser Forstes, wo sich große Teile der Anwohner in einer Bürgerinitiative gegen die Windkraftnutzung vor der Haustüre organisierten? „Die Situation hat sich insgesamt beruhigt“, beobachtet Bürgermeister Bernd Fischer. Offenbar haben sich die Kleinmünsterer bis auf einen harten Kern an Windkraftgegnern an die Windräder gewöhnt und für sich erkannt, „dass es sich in der Nachbarschaft der Anlagen doch weitgehend normal leben lässt“, wie ein Dorfbewohner dieser Redaktion erzählte. In jedem Fall gebe es im Ort keine Leerstände, sagte Bürgermeister Fischer, der aus dem Bauch heraus schätzte, dass Kleinmünsters Bevölkerung seit Inbetriebnahme des Windparks sogar gewachsen ist. Die Baugrundstücke in der Schelmsleite hätten sich jedenfalls gut verkauft, was gegen das Schreckgespenst spricht, die zehn „Windmühlen“ im Westhorizont bedeuteten unerträgliche Beeinträchtigungen für die Lebens- und Wohnqualität.
Vielleicht werden die Belastungen größer, sollte 2018 ein ausgesprochenes Windjahr werden. Das neue Jahr jedenfalls hat – hinsichtlich der Windenergienutzung – mit starkem Aufwind gewonnen. Die zehn Nordex-Generatoren lieferten den Aussagen von Norbert Zösch zufolge im ersten Monat 2018 8,8 Millionen kWh. Das war deutlich mehr als im Vorjahresmonat und weit über der 20-Jahres-Monatsprognose von 6,0 kWh.