Am 20. November jährte sich zum ersten Mal die Eröffnung des Zeiler Hexendokumentationszentrums. Seitdem haben rund 5500 Personen den Zeiler Hexenturm besucht. Während in Zeil ab 1628 draußen vor der Stadt ein Verbrennungsofen die Opfer des Hexenwahns in Staub und Asche verwandelte, wurden in den übrigen Teilen Deutschlands die Hexen und Zauberer an Pfähle gekettet, die über die Holzstöße und Scheiterhaufen emporragten. Der Zeiler Hexenofen war da eine Besonderheit. Er war errichtet worden, um Holz zu sparen.
In seinem Buch „Dornröschenträume und Stallgeruch“ bezeichnet der in Haßfurt lebende Schriftsteller Karlheinz Deschner den 1628 in Zeil errichteten Verbrennungsofen als eine vorweggenommene „Errungenschaft“ des 20. Jahrhunderts – womit er die Krematorien des Dritten Reiches meint.
Zwölf Jahre nach dem eigentlichen Beginn der Hexenprozesse in Zeil ordnete der Bamberger Fürstbischof an, auf dem Anger gegenüber dem heutigen Bahnhof eine spezielle Hinrichtungsstätte zu errichten, um Holz zu sparen. Der halbrunde Steinbau hatte zwei Türen. Durch die obere legte man die Leichen auf einen Rost, durch die untere wurde das Feuer geschürt. Es war eine Art Richtstätte, die einem Krematorium glich, in welchem die Leichen effizient verbrannt werden konnten. Wenn die Verurteilten vor den Hexenrichtern kooperativ waren, wurde ihnen „Gnade“ gewährt und vor der Verbrennung der Kopf abgeschlagen.
Die Brennzeit in einem solchen Strafkrematorium belief sich auf etwa drei Stunden. Der Feuertod sollte die Strafen der Hölle auf der Erde vorwegnehmen. Gefürchtet waren die Verbrennungen, weil die Opfer nach damaliger Anschauung am Jüngsten Tag der Auferweckung und der leiblichen Auferstehung nicht teilhaftig werden können.
Prozesse und Hinrichtungen verschlangen eine Menge Geld. Holz war damals so begehrt und kostspielig wie heute Gas, Öl und Treibstoff. Das Holz für die Hexenverbrennung wurde aus dem ehemaligen bischöflichen Wald in der Nähe von Bischofsheim geholt. Die Waldabteilung heißt bis heute „Drudenhang“.
In der einschlägigen Literatur wird im fränkischen Raum neben Zeil auch ein Brennofen in Gerolzhofen erwähnt. Als Quelle dienen Aussagen von Bauarbeitern, die in den 1950er Jahren für ein Familienhaus am Gerolzhöfer Schießwasen Ausschachtungsarbeiten vorgenommen hatten. Vorgefundene Steinfundamente wurden damals als Reste eines Hexenofens gedeutet. Der Fund ist weder dokumentiert noch von Fachleuten beurteilt worden. Dagegen ist die Existenz des Zeiler Hexenofens gleich mehrfach belegt.
Eine 1994 veröffentlichte Publikation weist nach, dass es noch einen Hexenofen in Neisse/Schlesien gegeben hat. 1689 berichtete der örtliche Pfarrer, dass die Stadt Neisse im Jahr 1651 schreckliche Hexenprozesse erleben musste. Um die Verbrennung zu beschleunigen, habe der Magistrat einen riesigen Ofen errichten lassen, in dem mehr als 1000 Menschen Hexerei halber verbrannt worden sind. Der Ofen soll nach Aufzeichnungen in den deutschen Landen einzigartig gewesen sein. Die Stadt Neisse habe deshalb „in der ganzen Christenheit“ in einem schlechten Ruf gestanden.
Nach einer Beschreibung dieser fest installierten Vorrichtung wurden die Delinquenten mit verbundenen Augen „in die kleine Hüttlein geworffen”, hernach auf einen Stuhl gesetzt, angeschraubt, gesegnet und verbrannt. Der Gebrauch eines fest installierten Ofens deutet auf Massenhinrichtungen hin.
Da gibt es noch ein 1628 in Schmalkalden gedrucktes Flugblatt über die Verbrennung von Hexen im Bambergischen. Es sollte „allen frommen Christen zu sonderlich Treuherzigen Warnung“ dienen. Da heißt es in der 15. Strophe: „Ein grosser Ofen ist erbaut / zu Zeil da man ein Hauffen / Einwerfen kann, man hört und schaut / keine kan da entlauffen.“
Es ist ganz offensichtlich, dass dieser neue Ofen überregionales Aufsehen erregte, wobei erwähnt wird, dass man „ein Haufen“ (Hexen) einwerfen kann, was ja wie gewünscht, dem sparsameren Verbrauch von Holz diente.
1649 kam der in schwedischen Diensten stehende Kriegsingenieur Johann Merck auf einer Reise durch Zeil. Und der notierte in sein Tagebuch: „Zeil ist sehr beschreit wegen der Hexen, die man vor diesem in großer Zahl verbrannt hat. Und zur Ersparung des Holzes hat man einen besonderen Ofen auf der Wiesen zwischen der Ordinari straß (Landstraße) und dem Main aufgebaut. Hab ihn etlichemal gesehen.“
Was Merck hier beschreibt, war seinerzeit mit Sicherheit eine grauenvolle Sehenswürdigkeit. Zu diesem Zeitpunkt waren in Zeil die letzten Hexenprozesse seit 18 Jahren vorüber. Aber so, wie die Richtstätte noch sichtbar war, lebte in den Menschen noch immer der Glauben an Hexen und Dämonen weiter, obwohl Zeil ab dem Jahr 1631 kaum mehr von Hexenprozessen heimgesucht worden ist.
Noch 1674 ließen fürstbischöflich bambergische Behörden in Weismain eine Hexe mit ihrem „Schüler“ hinrichten. Es waren wohl die letzten Opfer im Hochstift Bamberg, zu dem Zeil gehörte. Das Opfer des letzten Hexenbrandes in Franken war 1749 die Nonne Maria Renata Singer in Würzburg.
Der Brennofen war noch Jahrzehnte lang ein Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses der Bewohner von Zeil. Nach einem Eintrag im Ratsprotokollbuch hatte 1663 ein Bürger behauptet, mehrere Leute seien „Hexengesind“: Sie trügen sämtlich Rosenkränze und täten in der Kirche, als wollten sie unserem Herrgott die Füße abbeißen. In Wirklichkeit seien sie die ärgsten „Hexenleut, die man im (!) Ofen“ – der zu diesem Zeitpunkt wohl noch immer zu sehen war – „verbrennen sollte.“ Diese Formulierung ist ein weiteres Indiz für die Anlage, bei der es sich erwiesenermaßen um einen geschlossenen Ofen handelte. Schließlich wird eine Ofentüre bezeugt. Weshalb auch immer: Unbekannte stahlen eines Tages die eiserne Tür des verhassten Brennofens.
Im Jahr 1852 beseitigte man beim Bau der Eisenbahn Überreste des Backsteinofens. An der Stelle befindet sich heute – eine Ironie der Geschichte – das Kesselhaus eines Möbelwerks. Als man dort in den 1970er Jahren bei Ausschachtungsarbeiten nochmals auf Reste stieß, wussten die Bauleute nichts von der Bedeutung dieser Ziegelsteine. Erst später konnten die Zusammenhänge geklärt werden. Die Bauleute hätten damals wohl wegen des Termindrucks auch kaum ein Interesse daran gehabt, die Denkmalpflege einzuschalten. Heute wäre man froh, wenn damals wenigstens ein Backstein sichergestellt worden wäre.
Das dortige Flurstück heißt seit Jahrhunderten „Am Brennofen“. Wenn diese Straßen- und Flurbezeichnung in unserer Umgebung auch häufiger anzutreffen ist: In diesen Fall weist sie nicht auf einen früheren Backstein-Brennofen, sondern auf ein Relikt des Hexenwahnes im 17. Jahrhundert hin. 1999 erhielt in nächster Nähe eine Industriestraße den Name „Am Brennofen“.
Hexen-Brauchtum
Von der historischen Hexenverfolgung unterscheidet sich der Volksglaube an Hexen und Zauberer. Bis heute erhielten sich Brauchtümer. So ziehen an Walpurgis (Nacht zum 1. Mai) im Zeiler Stadtteil Krum Hexen mit Fackeln vom Schlossberg zum Festplatz, um den Winter auszutreiben. In einem Käfig wird ein personifizierter Winter durchs Dorf gezogen. Es werden, anders als früher, keine Hexenpuppen verbrannt. Nur die Fackeln werden ins Feuer geworfen. Dieses Spektakel steht in keiner Beziehung zu den Hinrichtungen der Hexen Anfang des 17. Jahrhunderts. Die „Walpurgis-Hexen“ wurden früher mit finsteren Kräften des Winters und dunklen Gewalten, welche Unheil, Misswirtschaft, Krankheit und Zank verursachten, in Verbindung gebracht.
Interessant ist, dass während der Weimarer Republik und zu Beginn des Dritten Reiches im Landkreis Haßfurt ähnliche symbolische Verbrennungen stattfanden. Besonders zu Beginn des Dritten Reiches waren symbolische Verbrennungen ein Kult der Nazis. Bei einer Sonnwendfeier in Augsfeld verhöhnten 1933 Schüler unter Anleitung ihres Lehrers mit Sprechchören die vergangene Zeit, die stellvertretend als Strohpuppe in die Flammen geworfen wurde. Die Zeiler Hitlerjugend übergab mit einer ähnlichen Zeremonie den angeblichen Hass und die Zwietracht der Weimarer Republik dem Feuer.
1963 scharte sich auf dem Zeiler Kapellenberg die katholische Jugend ums Feuer. Stadtpfarrer Hugo Schwind hielt eine Ansprache zu Johannes dem Täufer. Im Verlauf der Feier wurde eine überlebensgroße Strohpuppe ins Feuer geworfen und als Sinnbild der Feigheit verbrannt.