Dass Frieden in der heutigen Welt sehr wohl etwas mit Klimaschutz zu tun hat, mag sich nicht jedem Zeitgenossen erschließen. Umso eindringlicher klangen die mahnenden Worte der Redner, die den Neujahrsempfang von Erzbischof Ludwig Schick in der Bamberger Konzerthalle bestimmten. Rund 1000 geladene Gäste nahmen an dem Ereignis im Zeichen von Frieden und Klimaschutz teil.
Erzbischof Schick weitete das Jahresmotto 2020 im Erzbistum – „Gnade und Friede sei mit euch“ – auf alle Menschen und die Schöpfung aus. Friede und Schöpfung seien „zerbrechliche Güter“, für deren Herstellung es viele Menschen guten Willens brauche. „Werden Sie Botschafter des Friedens, Friedensbringer“, rief der Erzbischof den Zuhörern zu. Und nannte vier Sektoren, die für die Friedenssicherung wichtig seien: Respekt der Kulturen, Integration der Migranten, Bildung und Wissenschaft sowie die Bewahrung der Schöpfung.
„Nehmt eure Zukunft in die Hand und macht was draus."
Erzbischof Ludwig Schick beim Neujahrsempfang
Ein Teil der Menschheit lebe über ihre Verhältnisse und verbrauche mehr Naturgüter als ihr zustehe, beklagte Schick. Eine andere Lebenseinstellung und mehr Genügsamkeit seien notwendig. „Wir machen Schulden bei der Natur, der Schöpfung, den Bodenschätzen und Naturressourcen, die nicht zurückzahlbar sind, weil sie zerstört und unwiederbringbar verloren wurden“, so der Erzbischof. Unter dem Beifall der Gäste würdigte er das Engagement der Jugendlichen für den Klimaschutz: „Nehmt eure Zukunft in die Hand und macht was draus. Klopft uns Alten auf die Finger, wie es Fridays for Future tut, damit wir eure Zukunft nicht verbauen.“
Für den Frieden in der Welt brauche es Religion, „die im Sinn des Wortes an das allgemein verbindlich Höhere und an den Höchsten bindet“, fuhr Erzbischof Schick fort. Er räumte ein, dass der Mensch Religion auch missbrauche und sich seinen Gott selber mache. Umso mehr brauche es die Kirchen für den Frieden, für den die Bewahrung der Schöpfung unerlässlich sei.
„Will Kirche glaubhaft sein, dann muss sie gerade beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen.“
Professor Andreas Löschel, Uni Münster
Festredner Professor Andreas Löschel, Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomie an der Universität Münster, griff diesen Gedanken in seinem Vortrag „Klimawandel und Zukunft der Menschheit in Gerechtigkeit und Frieden“ auf. Der Wirtschaftswissenschaftler appellierte an die Kirche, Vorbild beim Klimaschutz zu sein. „Aus christlicher Sicht ist Klimaschutz eine Bewährungsprobe für praktizierte Schöpfungsverantwortung“, sagte der gebürtige Unterfranke. Er betonte: „Will Kirche glaubhaft sein, dann muss sie gerade beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen.“ Der Einsatz für das Klima sei die praktische Umsetzung des biblischen Auftrags, treuhänderisch mit der Schöpfung Gottes umzugehen. Das Eintreten gegen den globalen Klimawandel „ist eine Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung der Armut und der globalen Ungleichheit“. Zumal die reichen Länder in der Vergangenheit die Atmosphäre „übernutzt haben“, während die armen Länder wie etwa die afrikanischen das Problem nicht verursacht hätten, aber darunter besonders leiden müssten.

Konsequenter Klimaschutz werde zu einschneidenden Veränderungen im eigenen Lebensumfeld führen, prophezeite Löschel. Dabei gehe es aber nicht um die Einschränkung von Lebensqualität, „sondern um ein anderes, ein gutes Leben, bei dem nicht der Besitz im Vordergrund steht“. Besonders relevant seien für den Einzelnen ein Umdenken bei der Ernährung und im Umgang mit Lebensmitteln sowie eine Neuausrichtung in der Mobilität. Wichtig sei, wie der letzte Bericht des Weltklimarates gezeigt habe, dass alle Länder sofort unter Nutzung aller technologischen Möglichkeiten ihre Emissionen reduzieren und dabei einen global einheitlichen CO2-Preis setzen. Dann entsprächen die Kosten für das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels nur einer Verringerung des jährlichen Konsumanstiegs um wenige zehntel Prozentpunkte. „Es muss nicht die Welt kosten, die Erde zu retten“, erklärte Ökonom Andreas Löschel.
Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) wies in seinem Grußwort darauf hin, dass in der Bamberger Region rund 25 000 Menschen in der Automobilzuliefererindustrie arbeiten und die Diskussion zum Klimawandel und zur Dieselkrise oftmals als Bedrohung für ihren Arbeitsplatz und damit für ihre materielle Existenzgrundlage empfinden würden. „Wenn verpflichtende Regeln zum Kampf gegen den Klimawandel verabschiedet werden, dann gehört es zur sozialen Gerechtigkeit, auch diesen Menschen zur Seite zu stehen, sie nicht allein zu lassen und ihnen echte, neue Lebensperspektiven zu eröffnen“, sagte der OB.
Die Kirchen und Religionsgemeinschaften müssten in der Gesellschaft eine Klammer sein jenseits des Politischen, forderte Starke. Beim „Zusammenhalt“ müssten sie zuständig sein für den „Halt“, den jeder brauche. „Die Kirchen müssen uns helfen, einen Weg der guten Mitte zu finden, abseits von überbordendem Individualismus und übertriebenem Gemeinschaftsdenken“, so der Oberbürgermeister.
Eine „gute Mitte“ fand jedenfalls das Chanson Duo Café Sehnsucht mit seiner Liedauswahl für diesen Neujahrsempfang. Achim Hofmann (Klavier) und Silvia Kirchhof (Gesang) heimsten langen Applaus für ihre Darbietungen ein.