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HASSFURT: Das Geisterhaus an der Hohen Wann

HASSFURT

Das Geisterhaus an der Hohen Wann

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    Wanderer, Spaziergänger oder Jogger, die hier öfter vorbeikommen, haben dem Anwesen einen Namen gegeben: „Geisterhaus“. Es liegt einsam in einem Waldstück zu Füßen der Hohen Wann. Doch es spukt auf dem Grundstück am Hüttberg 1 in bei Haßfurt erst, seitdem der Eigentümer vor Jahren ausgezogen ist: Seither suchen immer wieder zweibeinige Gespenster mit oftmals wenig edlen Motiven das Haus auf. Inzwischen allerdings begeben sich die ungebetenen Gäste in Lebensgefahr: Das Gebäude ist akut einsturzgefährdet.

    Der Verfall des Hauses hat freilich damit zu tun, dass Vandalen seit dem Leerstand sämtliche Türen eingetreten oder aus den Angeln gehoben und alle Fenster eingeschlagen haben. Der letzte Bewohner hat offenbar all sein Eigentum zurückgelassen – doch was nicht geplündert wurde, das haben die Eindringlinge wild im Haus verstreut. Sie haben Schränke umgeworfen, Schubladen ausgekippt, Alltagsgegenstände, Wäsche oder Bücher wild in den Räumen verteilt. Im Dach klaffen große Löcher, Decken und Böden hängen durch, eine Außentreppe ist halb weggebrochen.

    Adelinde Friedrich, die Leiterin der Abteilung Bau und Umwelt am Landratsamt weiß, „dass es dort böse aussieht.“ Sie war Mitte der Woche vor Ort, um sich einen Überblick zu verschaffen. „Wer das Grundstück betritt, begibt sich in Lebensgefahr“, warnte Friedrich am Freitag im Gespräch mit unserer Zeitung.

    Böse sieht es wegen der mutwilligen Zerstörungen in den Räumen und der inzwischen eingesetzten „natürlichen“ Verrottung von Haus und Hausrat aus. Aber einen üblen Eindruck hinterlassen auch all die Autoreifen, Farbkübel oder alten Sessel, die Umweltsünder inzwischen hier abgelagert haben: „Das wird mehr und mehr zu einer Mülldeponie“, beschwerte sich dieser Tage ein Mann bei der Redaktion, dessen Anwesen in der Nähe liegt. Adelinde Friedrich hat also sowohl in baurechtlicher wie in umweltrechtlicher Angelegenheit mit dem Fall zu tun.

    Das Haus am Hüttberg 1, heute inmitten des Naturschutzgebietes Hohe Wann gelegen, wurde in den 50er-Jahren als Erholungsheim für die Arbeiter der Waldi-Schuhfabrik gebaut. Niemand vermag sich daran zu erinnern, wann es der letzte Eigentümer, ein aus Ostpreußen stammender Geologe, für seine Familie und sein Ingenieurbüro erwarb. Zwar führte die Familie eine Art Einsiedler-Dasein in der Kreisstadt, doch in Fachkreisen war der Mann als Baugrund- und Bauschadensgutachter weithin bekannt und anerkannt. Noch zu Beginn des Jahrhunderts, über 80-jährig, war der Geologe beruflich tätig. Doch eines Tages, etwa vor acht Jahren, die Kinder waren längst ausgezogen und auch die Frau fortgegangen, musste der Mann von einem Tag auf den anderen in ein Pflegeheim.

    Unter all den Habseligkeiten, die er zurückgelassen hat, sind Hunderte Aktenordner mit Baugutachten, ganze „Bibliotheken“ voller Schriftverkehr mit Architekten, Baufirmen oder Gerichten, Schubladen voller Baupläne und Skizzen – und das alles aus wenigstens fünf Jahrzehnten. Die Einbrecher, die das Haus aufsuchten, hatten weder Respekt vor dem Eigentum noch vor dem Lebenswerk des Mannes: Vielleicht auf der Suche nach Wertgegenständen kippten sie Aktenschränke um und fegten Regale leer. In manchen Zimmern türmen sich die Papiere bis zu einem halben Meter auf. Und es ist vorstellbar, dass sich manch brisantes Dokument darunter befindet. Da der Sturm fast ungehindert im Geisterhaus spielen kann, sei es schon vorgekommen, dass Dokumente bis zur Bundesstraße 26 geflogen sind, heißt es. „Einmal haben wir im Wald den gesamten Bauvorgang des Sozialpsychiatrischen Zentrums in Ebern gefunden“, berichtete ein Augenzeuge dem HT.

    Das allerdings beunruhigt die Menschen, die auf den wenigen Höfen in der Nähe des Hüttbergs wohnen oder die auf dem einzigen Pfad durch das Waldstück gelegentlich am Anwesen vorbeikommen, weniger. Sie stören sich viel mehr am Publikum, welches sich hier regelmäßig einfinden soll: Abenteuerlustige Jugendliche und die Fans von Geocaching, der Schnitzeljagd und Schatzsuche mittels Landkarten oder GPS-Empfänger, scheinen da noch harmloser zu sein, wenngleich auch ihr Zutritt illegal ist und sie vermutlich erheblich zu den Schäden am Haus beitragen. Obdachlose haben unter dem Dach Matratzenlager errichtet, Sprayer haben sich an Wänden verewigt. Der Heimatzeitung wurde aber zugetragen, dass sich hier eine Drogenszene trifft, man will Dealer beobachtet und Schießübungen gehört haben. Ein Mann erklärte, er sei einmal von Fremden verbal bedroht worden.

    Kurt Förg, Chef der Polizeiinspektion Haßfurt, kennt die Geschichten. Und er will nicht ausschließen, dass Heranwachsende hier tatsächlich Partys gefeiert und sich dubiose Typen getroffen haben. Es heiße, der Ort ziehe Anhänger von Sekten an. Aber das mit dem Drogenumschlagsplatz sei Unsinn. „So leicht macht man es uns bei der Polizei nicht“, machte der Erste Hauptkommissar, klar, dass er in diesem Fall schon längst zugeschlagen hätte.

    Bei der Polizei ging dennoch schon 2010 eine Anzeige ein. Nicht wegen der wohl unzähligen Fälle von Hausfriedensbruch, sondern wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen. Die zuständige Wasserschutzpolizei in Schweinfurt habe damals ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, bestätigte am Freitag das Polizeipräsidium Unterfranken dem Haßfurter Tagblatt. Zum Ausgang des Verfahrens könne man keine Angaben machen. „Die Anzeige wurde dem Landratsamt Haßberge und der Staatsanwaltschaft Bamberg weitergeleitet. Somit haben die zuständigen Behörden Kenntnis erlangt“, teilte ein Polizeisprecher mit.

    Warum bisher nichts geschehen ist, begründete das Landratsamt damit, dass es nicht gelungen sei, in Kontakt mit den Eigentümern zu treten, die ja die wirklich Verantwortlichen für die Beseitigung der Missstände seien. Das wären der Geologe, seine Tochter und sein Sohn. Der Vater ist nach Recherchen unserer Zeitung im letzten Juni im oberbayerischen Moosburg verstorben. Seine Tochter lebt seit Jahren in Kanada. Und der Sohn schient jüngst nach Polen gezogen zu sein, Adresse und Telefonnummer seien auch der Familie unbekannt, behauptete ein enger Angehöriger am Freitag auf HT–Anfrage. Das fehlende Interesse der Nachfahren am Erbe mag darin liegen, dass man heute das einst so malerische Grundstück mit dem großartigen Blick über das Maintal wegen des Naturschutzes nur schlecht verwerten kann.

    Angesichts der Gefahren, die vom Geisterhaus ausgehen, kann und will Adelinde Friedrich nicht länger warten: In der nächsten Woche wird das Landratsamt Absicherungsmaßnahmen treffen, damit niemand mehr das Grundstück so leicht betreten kann wie bisher. „Und dann werden wir an die Beseitigung herangehen müssen“, kündigte die Bau- und Umweltamtsleiterin an. „An den Kosten werden Landkreis und Stadt Haßfurt kaum vorbeikommen“, ahnte sie, wie das letzte traurige Kapitel des Geisterhauses zu Ende gehen wird.

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