Tanja Kreil hat ein mittelschweres Beben ausgelöst. In einer Bastion, die bisher vollends den kämpfenden Männern vorbehalten war, war per Urteil des Europäischen Gerichtshof die Gleichberechtigung angemahnt worden. Geklagt hat die 23-jährige Elektrotechnik-Ingenieurin Tanja Kreil, die die Bundeswehr als lukrativen Arbeitgeber ausgemacht hatte.
Verteidigungsminister Rudolf Scharping will bis zum Ende des Jahres die Voraussetzungen schaffen, um im kommenden Jahr die ersten Frauen in neuen Verwendungen einstellen zu können. Bisher dienen rund 4300 Frauen in der rund 370 000 Mann starken Bundeswehr. Frauen stehen seit 1975 allerdings nur die Bereiche Sanitätsdienst und Militärmusik offen. Mit Dr. Verena von Weymarn, Ärztin, hat das weibliche Geschlecht auch eine erste Frau im Generalsrang in der Bundeswehr.
"Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis Frauen in die kämpfenden Einheiten kommen", glaubt Kommandeur Oberstleutnant Uwe Nerger von der Balthasar-Neumann-Kaserne in Ebern. Er für sich selbst geht das Thema sehr offensiv an.
Zuerst einmal will er das Thema "Frauen in der Bundeswehr" zum Gesprächsstoff unter den Soldaten machen. "Die Soldaten sollen sich Backround-Wissen aneignen", so Nerger. Er will, dass sich seine Soldaten mit dem Thema auseinandersetzen.
Bisher hat er in Umfragen unter den Soldaten folgendes Meinungsbild erfahren: Etwa zehn Prozent - "die Verklemmten" - gehen lustig mit "Frauen in der Bundeswehr" um. Für weitere zehn Prozent, die "Machos" seien die Neuerung unvorstellbar. Für sie sei die Bundeswehr ein rein männlicher Verein. Die große Mehrzahl aber habe sich bisher noch nicht mit dem Thema auseinander gesetzt, sehe höchstens organisatorische Probleme.
"Das Problem liegt sicherlich in den Köpfen", glaubt der 40-Jährige. Denn bisher habe die Truppe noch zu wenig Erfahrung im Umgang mit Frauen in Uniform. Doch das werde sich ändern. Weibliche Soldaten werden zum Alltagsgeschäft. Bis dahin wird es aber die ein oder andere Schwierigkeit geben. "In den ersten Jahren wird es knarren, aber weit weniger, wie viele glauben", meint der Kommandeur.
Damit Frauen in die Bundeswehr integriert werden können, müssen einige organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. So muss es für die Frauen räumliche abgetrennte Bereiche geben mit gesonderten sanitären Anlagen. Auch in Bezug auf die benötigten Kleider muss die Standortverwaltung umstellen. "Doch das sind alles Kleinigkeiten", meint der Kommandeur.
Wichtiger ist dem Kommandeur eine gute Integration der weiblichen Soldaten. Hierfür soll Hilfe von befreundeten Armeen geholt werden. Armeen, die über viele Jahre Erfahrung mit weiblichen Kämpferinnen haben. In Seminaren sollen die Erfahrungswerte den Soldaten dargelegt werden. Auch eine Frauenbeauftragte in den Kasernen soll für eine reibungslose Integration sorgen.
Besondere Brisanz hat sicherlich der Aspekt der sexuellen Anziehungskraft der Geschlechter. Auch Auswüchse wie sexuelle Belästigung fallen in diesen Bereich. "Doch das ist in den Betrieben auch nicht anders", relativiert Kommandeur Nerger. Mit diesen Phänomenen müsse auch die Privatwirtschaft zurecht kommen. Nerger setzt deshalb auf eine verstärkte Erziehung der Soldaten.
Auch das Thema Schwangerschaft muss geregelt werden. Nerger könne sich vorstellen, dass hier ein Verfahren wie das der Amerikaner eingeführt werden kann. Eine amerikanische Soldatin muss unterschreiben, dass sie, sofern sie schwanger wird, nach zwei Jahren wieder zur Truppe zurückkehrt.
Die Amerikaner, so erläuterte Nerger, sei die Armee mit dem höchsten prozentualen Anteil an weiblichen Soldaten. 14 Prozent der 1,4 Millionen amerikanischen Soldaten sind Frauen. Auch in anderen Ländern machen Frauen Dienst an der Waffe. Lediglich Italien und Luxemburg lässt keine Frauen zu.
Die Einsatzgebiete für die Frauen sind unterschiedlich. In Ebern möchte Oberstleutnant Nerger keine speziellen weiblichen Einsatzbereiche zulassen. "Sie sollen alle Aufgaben erfüllen. Vom Richtschütze bis zum Fahrer und Funker. Ich möchte nicht, dass alle weiblichen Soldaten in der Feldküche oder in der Schreibstube tätig sind", erklärt der Kommandeur.
Wieviele Frauen in die Bundeswehr drängen, darüber gebe es noch keine Prognosen. "Das Interesse ist groß", sagt der Presseoffizier Oberleutnant Volker Schreiner. Doch letztendlich werde sich das Niveau dort einpegeln, wo es auch bei anderen Streitkräften liegt: Um die zehn Prozent.
Laut Nerger durchlaufen die weiblichen Soldaten die gleichen Karriereschritte wie die männlichen Soldaten.