Jetzt im Frühling verkörpert sie das blühende Leben, die Mitte April eröffnete Landesgartenschau in Würzburg. Wer mag da zwischen all den ausschlagenden Sträuchern und den in den buntesten Farben blühenden Blumen an die Vergänglichkeit allen irdischen Daseins denken? Der Haßfurter Bildhauer, Ornamentiker und Objektkünstler Hans Doppel (Jahrgang 1956) gehört zu denen, die das tun: Nicht nur, dass er in den „Generationengärten“ im Westen des Ausstellungsgeländes drei Grabmale präsentiert. Mustergräber gehören zu jeder Gartenschau. Seine Gräber symbolisieren vielmehr durch ihr Material und ihre Gestaltung selbst das Werden und Vergehen, Leben und Sterben von Mensch und Natur.
Vergänglichkeitsprinzip macht vor Mensch nicht halt
Denn die von Doppel ausgewählten Objekte – in der Regel handelt es sich um ausrangierte Gegenstände – sollen nach seinem Willen Spuren der Vergänglichkeit zeigen: Holz darf reißen und zur Heimat für allerlei Kleingetier werden; Stein mag Moos ansetzen, Glas springen, Eisen rosten. „Der Kreislauf der Natur, das Vergänglichkeitsprinzip, macht auch vor dem Menschen und der Erinnerung an ihn nicht halt“, erklärte der Künstler dieser Tage der Redaktion, was seine Grabmale inmitten der Reihen der sonst so „sauberen, millimetergenauen und glatten Grabsteine“ ausdrücken sollen.
Eisen und Glas ergibt Vogeltränke
„Benno“, eines seiner Mustergräber in Würzburg, besteht aus den rostigen Resten einer rechtwinklig gebogenen Eisenplatte, der Doppel das Hauptteil einer zerbrochenen Glasschale so eingesetzt hat, dass sie wie eine Vogeltränke erscheint – eine Nutzung, gegen die er keinerlei Einwand erhebt. Den Grabstein für „Paul“ hat er aus Platten aus thüringischem Schiefer zusammengesetzt, die er irgendwo im Bauschutt gefunden hat. Große Edelstahlringe halten die Platten zusammen und ragen so hervor, dass man sich an Piercings erinnert fühlt, wie sie ein jung dahingeschiedener Paul leidenschaftlich gerne getragen haben könnte. Und die fiktive „Rosl“ ruht unter einem Zeiler Sandstein, der einst zu einem bestimmten, heute nicht mehr erkennbaren Zwecke behauen wurde, dann aber nutzlos war und mehr und mehr abbröckelte. Vielleicht stammt er aus der Mauer von Rosls geliebtem Haus, das eines Tages die Abrissbirne zerstörte. „Im Prinzip kann jeder Gegenstand ein Grabmal werden – und sich später in einer Skulptur zurückverwandeln, die man sich zum Beispiel in den Garten stellt“, meint Hans Doppel.
Er hat die Grabkultur beeinflusst
Mit seinen einerseits der Verwitterung preisgegebenen, andererseits sehr individuell gestalteten Grabmalen hat der Haßfurter auf Landes- und Bundesgartenschauen schon viele Preise gewonnen – und zugleich die von Steinmetzen und Gärtnern dominierte Szene mitbeeinflusst: Längst ist nicht mehr jeder Grabstein ein hochglanzpolierter Quader; und auch bei der Einfassung und Bepflanzung der Grabstätten geht der Weg hin zu mehr Kreativität und Individualität. Es ist der Bundesverband Deutscher Steinmetze (BDS), der Doppel die meisten seiner Medaillen überreicht hat.
Was sich mit Patina überziehen darf oder von Flechten besiedelt werden kann, muss auch nicht mehr so intensiv gepflegt werden wie die Gräber anno dazumal. Hans Doppel ist sich bewusst, dass die Angehörigen heute viel weniger Zeit haben, sich um die letzte Heimstätte ihrer Verblichenen zu kümmern und unter den Friedhofbesuchern schon gar kein „wettbewerbsmäßiges Pflegen“ mehr betrieben wollen.
Gegen anoyme Bestattungen
Doch die Grabkultur befindet sich inmitten eines noch viel größeren Wandels: Der Trend geht zur Urnenbestattung ohne aufwendiges Grab, in Friedwäldern macht meist nur noch ein kleines Namensschild auf die Personen aufmerksam, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben; und anonymen Bestattungen geschehen nicht allein deswegen, weil dies wirtschaftlich die günstigste Form der Beisetzung ist, sondern weil den Verstorbenen oder ihren Hinterbliebenen ein Ort der (namentlichen) Erinnerung nicht wichtig war oder ist.
Diesem Zeitgeist kann sich Doppel nicht anschließen, so modern seine Gräber sein mögen: Er bezeichnet die in persönlich zugeschnittenen Grabstätten lebendig gehaltene Erinnerung an die Toten „als ein wichtiges Nahrungsmittel der Lebenden.“ Der Mensch brauche die bewusste und materiell greifbare Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, „um im Jetzt leben und seinem Leben ein Ziel geben zu können“, philosophiert der Künstler. Dass seine Grabmale jedem Verstorbenen sein spezielles „Erinnerungszeichen“ setzen, setzt voraus, dass sich Doppel mit der jeweiligen Person auseinandersetzt. Im Idealfall noch zu deren Lebzeiten, ansonsten im Gespräch mit den Hinterbliebenen.
Ewiger Kreislauf im Gesamtwerk
Die Grabmalgestaltung ist nur eine Facette von Doppels künstlerischem Schaffen. Mit verschiedenen Objekten und Installationen hat sich der Haßfurter in der Kunstszene einen Namen gemacht. Unter anderem mit der Installation „Teilverwitterung“ mit einem in Alkohol eingelegten Kaninchen im Glaskasten, das für viel Wirbel sorgte, aber wie alle Werke des Künstlers den Prozess des Werdens und Vergehens begreifbar machen sollte. Im April hatte Doppel bei der Auslobung des Kunstpreises im Landkreis Haßberge den Publikumspreis für seine „Lebensstufen“ gewonnen – auch dieses Werk befasst sich mit dem Kreislauf von Entstehen und Vergehen.