„Wer sich nicht mit der Vergangenheit befasst, kann sich auch nicht mit der Zukunft beschäftigen. Geschichte und Vergangenheit müssen für uns eine große Bedeutung haben“, begrüßte Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler die Mitglieder des Historischen Vereins (HV) Haßberge in der Stadthalle. Er dankte insbesondere Archivar Thomas Schindler, der das Archiv der Stadt Eltmann zukunftsfähig mache.
HV-Vorsitzender Wolfgang Jäger berichtete, dass der Verein vergangenes Jahr die Hefte 7 („Grenzöffnung und Straßenbau“) und 8 („Zeitreisen durch die Haßberge und das Maintal“) herausgegeben habe. In der Planung sei eine Veröffentlichung über Burgen und Schlösser im Landkreis Haßberge. In Bearbeitung sei eine Chronik über Rügheim, zumal nächstes Jahr drei Orte – Humprechtshausen, Birkenfeld, Rügheim – 1200-jähriges Bestehen feiern. Ein Projektseminar habe zur Broschüre „1000 years of history“ geführt, vor allem für englischsprachige Besucher, die bei der Touristinformation und im Landratsamt erhältlich ist.
Neben seinen Erinnerungen an Exkursionen und Veranstaltungen bezeichnete es Jäger als „sehr schade“, dass sich für das Schloss Wetzhausen kein Träger finde, um ihm wieder Leben einzuhauchen. Der Hof strahle mit seiner quadratischen und schönen architektonischen Form Atmosphäre aus. Interessant sei der Besuch am Beinhaus in Haßfurt gewesen, wo ein Dokumentationszentrum für die Ritterkapelle sowie eine Dokumentation „Historismus“ entstehen soll. An der Restaurierung des Kopialbuches Mariaburghausen habe sich der HV mit einer Spende von 1000 Euro beteiligt. Das Buch werde künftig auch im Internet lesbar sein.
In seinem Projekt „Flurnamen des Landkreises Haßberge“ werde der HV systematisch alle Flurnamen des Landkreises erfassen. Dies sei ein großer Beitrag zur Besiedlungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Die Daten enthielten auch Informationen über Bodennutzung und veränderte Raumnutzung. Es fehlten noch die Mainachse sowie der Bereich Rauhenebrach, sagte Jäger. „Wenn wir unsere Arbeiten im nächsten Jahr abgeschlossen haben, dann sind wir der einzige Landkreis in Bayern, der für sein gesamtes Gebiet eine solche vollständige Flurkarte hat.“
Die Mitgliederzahl liegt bei 196. Als Kassenprüfer wurde Volker Grumbach nachgewählt.
Von kleinen „Geschichten aus der Geschichte“ berichtete Archivar Thomas Schindler, der seit 1992 im Zuge der Ordnungsarbeiten in Archiven des Landkreises tätig ist. Diese Aufsätze mündeten ins Heft 8 der Schriftenreihe des HV Haßberge, „Zeitreisen durch die Haßberge und das Maintal“. Schindler trug in der Versammlung des HV daraus vor und ergänzte mit Anekdoten aus der Zeit vom Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) bis zur Säkularisation (1803).
Angesichts der Diskussion um zurückgehende Geburtenzahlen im Landkreis ist eine Geschichte über das Hebammenwesen im Ritterkanton Baunach interessant. „Diejenige Frau im Dorfe, welche von Alters wegen sich ihren Unterhalt nicht mehr erwerben kann und sonst keine Aussicht hat, ihr Leben hinzubringen, wird gewöhnlich Hebamme. Daher kommt es, dass solche Personen ohne die geringsten theoretischen Grundsätze zu Werke gehen und die feinsten unter ihnen mit nichts als geheimen Mitteln und Seegenssprüchen sich schleppen. Der Schade, der dadurch angerichtet wird, ist unglaublich gros.“ Mit diesen Worten beschrieb am 2. Dezember 1783 der Arzt Hoffmann aus Rentweinsdorf den Stand der Geburtshilfe.
Aus Birkenfeld berichtete am 28. August 1784 der Amtmann Carl Gottlieb Engel: „Es ist bisher keine bestellte noch vielweniger eine unterrichtete examinirte und beeidigte Hebamme alhier gewesen, sondern es befinden sich 3 bis 4 Weiber hier, von welchen bald diese bald jene Gebährenden in Kindesnöthen beigestanden hätte. Doch sei inzwischen die tauglichste von diesen, nehmlich des Schuzverwandten Caspar Schippels Eheweib, zur Schulung nach Rentweinsdorf geschickt worden und sei laut dem Zeugnis des Ortsphysikus zur alleinigen Hebamme für die Ortschaften des hochfreiherrlichen Amtes zu Birkenfeld zu empfehlen.“
Als eine seiner ersten Maßnahmen nach dem Erwerb des Reichsrittergutes Wonfurt durch die Freiherren von Seckendorff-Aberdar (1769) ließ deren Amtmann Johann Georg Friedrich Grienseysen die Schuhmachersfrau Dorothea Barthel in Königsberg zur Hebamme ausbilden. Ebenfalls auf Gemeindekosten gab Grienseysen beim Schreiner der benachbarten Benediktinerabtei Theres außerdem einen Gebährstuhl in Auftrag, „weil an diesem nothwendigen Stük ein Mangel war, der durch Aushülfe der Judengemeinde ersetzt werden musste.“ Der Umstand, dass die Wonfurter Schutzjuden damals bereits besser mit geburtshelferischem Gerät ausgerüstet waren als die christlichen Einwohner, dürfte den Reformeifer des Amtmannes vielleicht noch besonders angespornt haben, meinte Schindler.
Interessant klingt auch die Geschichte „Orientalische Reisende durchquerten im 18. Jahrhundert das Maintal“, die teilweise auch in der Haßfurter Stadtchronik von Josef Kehl zu lesen sei. Dort heißt es nämlich, der Haßfurter Bürgermeister habe türkische und arabische Prinzen, wohl auf höheren Befehl, verpflegen und ins nächste Städtchen fahren lassen müssen.
Viele weitere interessante Geschichten enthält das Heft 8, wie „ein durchgefallener Pfarramtskandidat und das „Hurennest“, eine Skandalgeschichte aus der Pfarrei Walchenfeld, Tobsuchtsanfälle einer Haßfurter Bürgerstochter, Polizeiüberfälle auf Ermershausen 1738/39, Mühen der Polizeifahndung sowie ein Eifersuchtsdrama aus Birkenfeld oder die umstrittene Meisterprüfung des Birkenfelder Poliers Beck.
Das Heft ist über den Historischen Verein Landkreis Haßberge oder den Autor thomas.schindler@hassfurt.de gegen einen Unkostenbeitrag zu erhalten.