Heiter bis bedrückend, realistisch bis fantastisch – all das war der „Historische Stadtrundgang“, der am Wochenende sechsmal im Rahmen der 1000-Jahr-Feier in Zeil stattfand. Über 50 Akteure erweckten die Zeiler Geschichte zum prallen Leben und ernteten dafür uneingeschränkten Applaus.
In neun Szenen führten die Laienschauspieler zu wichtigen Stationen der Zeiler Geschichte. Sie zeigten das pralle Markttreiben und machten damit greifbar, was das Marktrecht für eine Kleinstadt wie Zeil damals bedeutete. Schlaglichter beleuchteten Reformation und Gegenreformation, das Leid im 30-jährigen Krieg und während der Pest, die die Zeiler Bevölkerung auf 50 Menschen dezimierte. Viel Wissenswertes vermittelten dabei sowohl die Stadtführer, als auch die Szenen selbst, geschrieben von Christian Ziegler aus Stettfeld, in Szene gesetzt von Brigitte Krause und Maria Egglseder, die die Marktszene übernahm.
Ludwig Leisentritt liefert die Fakten
Die engagierten Zeiler wurden intensiv unterstützt von der Laienbühne Stettfeld und ihrer Erfahrung. Die Verbindung entstand über die Zeilerin Julia Melchior. An sie wandten sich Christoph Winkler und Martin Schlegelmilch, nachdem sie die Idee hatten, zum Stadtjubiläum Theater zu spielen. Schnell war der Stettfelder Autor Christian Ziegler mit an Bord und der dritte Zeiler Hobbyhistoriker Ludwig Leisentritt, die den Autor mit den nötigen Fakten versorgten. Und Brigitte Krause erklärte sich bereit, die Regie zu übernehmen. „Ich hatte ja keine Ahnung, was da auf mich zu kommt“, lächelte sie im Gespräch nach bereits zwei gelungenen Rundgängen am Samstag.
Großer Wert wurde auf die Auswahl der Spielorte gelegt, authentisch und abseits vom modernen Verkehrslärm sollten sie liegen „und wir sind sehr dankbar, dass wir private Anwesen nutzen durften, erzählt Brigitte Krause während der Samstags-Führung. Kurzfristig musste sie als dritte Stadtführerin einspringen, weil sich bei der Generalprobe herausstellte, dass der Zeitplan nicht ganz funktionierte. Immer mit einer Stunde Abstand begannen am Samstag und Sonntag jeweils drei Führungen am Marktplatz, die Zuschauer zogen von Spielort zu Spielort, wie bei einer Stadtführung eben auch.
Der Fürstbischof und der Maler
So tauchten sie in der Stadtpfarrkirche in die Entstehung des Deckengemäldes „Ecclesia“ ein bei einem fiktiven Treffen des Fürstbischofs Seinsheim und des Malers Herrlein. Die Details zum Deckengemälde erfuhren die Zuschauer von einem sehr munteren Maler-Gesellen Michel. Ebenfalls fiktiv ist der Hexensabbat im Probstenhof, leider sehr real die Tagebuch-Auszüge des damaligen Bürgermeisters Johann Langhans, der ebenso als Hexer abgeurteilt wurde wie die Mutter des späteren Abts Alberich Degen. Die Szene im Keller Nüßlein mit Langhans am Schreibpult und dem unsichtbaren, fordernden Mob aus dem Hintergrund verursachte Gänsehaut, wie auch das kleine Zwischenspiel, in dem Moritz Degen nach der Hinrichtung seiner Frau seinen kleinen Sohn ins Kloster Ebrach in Sicherheit bringt.
Jeder der Darsteller lebte seine Rolle. Noch mehr Authentizität bekamen manche Figuren durch die Art ihrer
Fast wie im echten Leben
Besetzung: „Es war schon ein Glücksfall, dass so viele Rollen quasi eins zu eins besetzt werden konnten“, so Brigitte Krause. So spielte Bürgermeister Thomas Stadelmann den damaligen Bürgermeister Pfarrer Erhart den Fürstbischof, Pfarrer Neiber einen der evangelischen Bürger, der lieber nach Königsberg flüchtet, als sich wieder zum katholischen Glauben zu bekehren, und Altbürgermeister Christoph Winkler den Johann Langhans.
Sehr beklemmend waren auch die Szenen zur Pest, doch der Ausklang war wieder heiter, denn die Waschweiber in der Altach erzählten sich historisch belegte Anekdoten, die Ludwig Leisentritt gesammelt hat.
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Der historische Stadtrundgang: Die Mitwirkenden der von Christian Ziegler verfassten Szenen Das Marktrecht der Stadt: Niko Zimmermann, Christa Schlegelmilch, David Krüger, Werner Schneider, Petra Schumann, Maria Egglseder, Julia Melchior, Uschi und Horst Ortmann, Elfriede Schneider, Ulrike Steigner, Christa Schlegelmilch und Hans Dieter Krämer. Deckengemälde in St. Michael: Michael Erhart, Martin Schlegelmilch, Thomas Stadelmann, Raimund Erlwein, Tobias Müller und Christine Raab (Orgel). Zeil in der Reformation: Willi Greubel, Ulrich Dölker, Astrid Popp, Hans-Christian Neiber, Margot Dümler und Karl-Heinz Knoll. Der Hexensabbat: Monika Schraut, Lisa Langkafel, Rita Reis, Silke Blakeley, Christopher Schnellbächer und Marcel Mühlfelder, Lilly Dellert, Emilie Holzhause, Alisa Feustel, Nik Naumann und Jakob Maier (Musik und Geräusche: Caroline Jung-Hümpfner, Lena Maier und Sandra Holzlause). Johann Langhans: Christoph Winkler, Chor: Christian Kann, Dietmar und Johannes Herrnleben, Edgar Popp, Harald Gogger, Reinhard Zehner und Michael Minnich. Abt Degen: Oliver und Leo Dellert. Im 30jährigen Krieg: Gabi Leisentritt und Christian Melchior. Die Pest in Zeil: Christian Ziegler, Georg Klarmann, Monika Stadelmann, Kurt Geis und Marille Schmitt. Die Waschweiber an der Altach: Roswitha Hofmann, Michaela Pottler-Zink, Renate Berchtold und Katharina Jung. Stadtwache: Patrick Bieger, Joachim Gogger, Ewald Göpfert, Joachim Groth, Herbert Schneider und Michael Strätz. Souffleur: Hubert Kuhn. Maske: Esther Meilinger und Florence Rössler Regie: Brigitte Krause und Maria Egglseder.